Eingeschneit (fm:1 auf 1, 3012 Wörter) [1/3] alle Teile anzeigen | ||
Autor: Dimension Dom | ||
Veröffentlicht: Aug 22 2019 | Gesehen / Gelesen: 42001 / 35451 [84%] | Bewertung Teil: 9.19 (138 Stimmen) |
Eingeschneit, zusammengesperrt. Kann nur das Eine passieren? |
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Tag 1
Wir stehen vor einer kleinen Matratze, die gerade mal 120 cm breit ist und worauf zwei Wolldecken ausgebreitet sind.
"So! Das wäre es. Wird kuschelig, aber wir schaffen das!", erklärt sie und mimt dabei eine allseits bekannte Politikerin.
Es ist einer jener Momente, in denen man ein bisschen das Gefühl hat, im falschen Film zu sein. Alles ist leicht verschwommen: die Umrisse, die Geräusche, das eigene Gleichgewichtssinn.
Wie kommen wir in diese Situation?
Sie heißt Jana, ist 40 Jahre alt und die beste Freundin meiner Frau. Wenn zwei Frauen so eine enge Beziehung pflegen, bleibt den übrigen Familienmitgliedern keine andere Wahl, als sich dieser Freundschaft als Anhängsel anzuschließen. Die Kinder gehen in denselben Kindergarten, wir machen oft gemeinsame Ausflüge, trinken regelmäßig Kaffee zusammen und noch vieles mehr.
Jana hat kürzlich jene Berghütte geerbt, in der wir gerade auf diese jämmerliche Schlafmöglichkeit blicken. Ich helfe bei der Renovierung dieser Hütte, um im Gegenzug darin jährlich drei-vier Wochen mit meiner Familie verbringen zu dürfen. Ein guter Deal.
Die Unterkunft ist nur halb fertig. Der Ofen funktioniert, das Bad ist theoretisch auch nutzbar, aber der Wassertank wird erst im nächsten Frühling aufgefüllt. Der Stromgenerator ist glücklicherweise betriebsbereit, aber mit dem Treibstoff ist zu sparen. Küche und Zimmer sind ebenfalls bewohnbar, aber Möbel fehlen gänzlich. Heute sollte die Hütte eigentlich nur winterfest gemacht und noch einmal geputzt werden. Janas Mann gönnt sich einen Ruhetag im Dorf, das sich ungefähr fünf Kilometer weiter und 500 Höhenmeter tiefer im Tal befindet. Dabei leisten ihm meine Frau und die insgesamt vier Kinder Gesellschaft.
"Dann lass uns mal schlafen! Wir sind erwachsene Leute, wir können nebeneinander nächtigen, ohne Unfug zu machen. Oder ist das für dich etwa ein Problem?", fragt sie in ihrer typisch konfrontativ-ironischen Art.
Eigentlich kann ich sie nicht besonders leiden und das beruht auf Gegenseitigkeit. Vom ersten Augenblick an war da ein gewisses Misstrauen und Argwohn zwischen uns. Als wenn sich zwei gleiche Pole treffen und einander immer wieder abstoßen, egal was man tut. Unter normalen Voraussetzungen hätten wir uns entweder vollständig ignoriert oder verbal zerfleischt. Doch die Freundschaft zwischen ihr und meiner Frau ist eine Kraft, die uns beide kultiviert miteinander umgehen lässt. So kultiviert, dass wir uns bereit erklärt haben, zu zweit die restlichen Arbeiten hier oben zu erledigen.
Jetzt, wo ich darüber nachdenke, muss ich zugeben, dass sie eigentlich eine interessante Persönlichkeit hat. Sehr neugierig und sehr eloquent, in einer imaginären Gerüchteküche würde ihr die Rolle der Chefköchin zuteilwerden. Ihre Nase ist dabei ihr Markenzeichen. So spitz, so hervorstechend dieses Organ ist, so will Jana auch in das Leben, in die heimlichste Privatsphäre anderer Menschen vorpreschen. Doch tut sie dies nicht unfreundlich, nicht plump, aber scharf und bei weitem nicht konfliktscheu.
Abgesehen von ihrer Nase hat sie ein hübsches, ovales Gesicht - das fällt mir jetzt erst auf. Die letzten Stunden zu zweit hier oben, haben uns etwas näher gebracht. Auch wenn ich als Familienvater immer noch ein durchaus offenes Auge für andere Frauen habe, habe ich Jana nie als mögliches Ziel wahrgenommen. Einerseits wahrscheinlich aus Schutz, damit diese Familienfreundschaft nicht belastet oder zerstört wird. Andererseits, weil ich sie eigentlich gar nicht leiden mag. Oder war meine Abneigung ihr gegenüber auch nur ein Schutzmechanismus?
Diese innere Barriere scheint nun zu verschwinden, langsam verliert sie vor meinen geistigen Augen ihre Hülle, die sie bislang verborgen hielt. Grund dafür ist der Umstand der bevorstehenden Nächtigung. Ein Mann kann nicht anders. Sie steht nun als Frau vor mir, als potenzielles Objekt der Begierde. Haben einmal meine geistigen Augen freie Sicht, können auch meine physischen Augen interessante Einzelheiten erfassen.
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