| Die Stille (fm:Verführung, 3201 Wörter) | ||
| Autor: testsiegerin | ||
| Veröffentlicht: Mar 18 2013 | Gesehen / Gelesen: 28164 / 24508 [87%] | Bewertung Geschichte: 9.09 (127 Stimmen) | 
| Im Zug trifft Oliver, der grad von Schweigeexerzitien kommt, auf eine nervende, redseelige Rothaarige. Doch als sie den Rock höherschiebt und die Einblicke, die sie freigibt, nicht nur verbaler Natur sind, nervt sie ein bisschen weniger. | ||
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Der dicke Glatzkopf hörte auf an seinem Ohr zu kratzen und erhob sich, griff nach seinem schwarzen Köfferchen und verließ das Abteil. Nun  waren wir noch zu dritt und die Rothaarige hatte ihre Seite für sich  allein. Sie kramte in der Tasche und holte nacheinander ein Buch, einen  Laptop, eine Zeitung, eine Mineralwasserflasche, einen Taschenspiegel,  ein Glas Marmelade, ein Handy und einen Lippenstift heraus, verteilte  alles wahllos auf den Sitzen zu ihrer Rechten, betrachtete es mit  prüfendem Blick und dachte offensichtlich nach. Die junge Frau neben  mir seufzte zum soundsovielten Male und drückte auf ihrem MP3-Player  herum.  
 
Draußen zog die Landschaft an mir vorüber. Obwohl  - in Wahrheit zog ich an der Landschaft vorüber, sie blieb, wo sie immer schon gewesen war.  Der Mensch nimmt sich so wichtig, dass er glaubt, alles bewegt sich  rund um ihn, obwohl nur er selbst es ist, der keine Ruhe findet. Ich  konnte mir ein Lächeln nicht verkneifen, als die Rothaarige sich erst  die Lippen bemalte und aufeinanderpresste, das überschüssige Rot in  einem Taschentuch abtupfte, einen Schluck aus der Flasche nahm, die  Lippen abermals nachzog, den Laptop aufklappte und zur Zeitung griff.  Ich stellte sie mir in dem Kloster vor, aus dem ich gerade kam. Sie  hätte die Schweigeexerzitien vermutlich nicht länger als eine halbe  Stunde durchgehalten. Schweigen im Kloster bedeutete nämlich nicht nur,  nichts zu sprechen, sondern auch das Tun auf das Notwendige zu  reduzieren. Ins Innen zu schauen anstatt in den Fernseher, nichts  lesen, nichts schreiben.  
 
Das Handy der Rothaarigen tat das, was es schon ein paar Mal getan hatte und offensichtlich immer wieder tun musste. Es läutete und spielte eine  blecherne Melodie aus den Charts. Sie kramte in der Handtasche, obwohl  das Handy immer noch auf dem Polster neben ihr lag, allerdings  versteckt unter der Zeitung. Ich hätte ihr das natürlich sagen können,  aber ich wollte nicht in ihre Welt eingreifen und das darin herrschende  Chaos zerstören. Vor allem wollte ich nicht, dass sie schon wieder  minutenlang telefonierte.  
 
Meine Wünsche wurden erhört und Lady Gaga war mit dem Dudeln fertig, noch bevor die Rothaarige fündig geworden war. Was hat dich bloß so  zynisch werden lassen, Oliver?, fragte ich mich, obwohl ich die Antwort  natürlich kannte. Mein Beruf war mir längst keine Berufung mehr, in  meiner Ehe hatte Routine die Leidenschaft rechts überholt, ich ging auf  die Fünfzig zu, und stellte mir die Frage nach dem Sinn. Im Kloster  hatte ich zwar nicht die erhoffte Antwort, aber zumindest Ruhe  gefunden.  
 
Eine Woche lang hatten Stille, Leere und Gebete mein Leben bestimmt. Das und die bescheidene und gelassene Zufriedenheit der Mönche hatten mich  in einen Kokon gehüllt. Ich wollte diese Stille noch ein wenig  genießen, bevor die Hektik des Alltags und die Erwartungen meiner Frau,  meiner Kinder und meiner Kunden mich wieder in den Würgegriff nehmen  würden. Ich mahnte mich zu mehr christlicher Toleranz und entschuldigte  mich bei meinem hyperaktiven Gegenüber für meine gehässigen Gedanken  mit einem freundlichen Lächeln. Mein freundliches Lächeln wurde ebenso  freundlich erwidert. Freundlich und ein bisschen überrascht, so als  hätte sie mir ein freundliches Lächeln gar nicht zugetraut. Die  einwöchige Askese hatte dazu geführt, dass meine Regungen und meine  Mimik sich auf ein Minimum reduziert hatten. Bestimmt würde ich am  nächsten Tag Muskelkater vom vorübergehenden Lächeln haben.  
 
"Shit, ey, shit!" Das Mädchen neben mir war unsanft aus ihren MP3-Träumen erwacht und riss sich die Kopfhörer aus den Ohren. Ein  schriller Pfeifton war zu hören. "Boah, ey, nee." Sie klopfte mit dem  Zeigefinger auf dem pinkfarbenen Kästchen herum und schüttelte immer  wieder ungläubig den Kopf. Ich schwieg.  
 
Die Rothaarige natürlich nicht. "Aber, aber, aber..." murmelte sie, während sie ihren Kopf in der Handtasche vergrub und ein Kabel  hervorzauberte. "Hier, das müsste eigentlich passen. Und hier", sie  klappte die Armlehne hoch, "ist eine Steckdose. Hab ich auch erst vor  kurzem entdeckt." Sie trug anscheinend ihren halben Hausrat in der  Tasche und ihr ganzes Herz auf der Zunge. Ungefragt, und wohl auch  unerhört - denn die junge Dame hatte ihre Ohren wieder zugestöpselt -  erklärte sie, dass sie immer wieder mal Handys und Ladekabel in Hotels  vergesse und deshalb sicherheitshalber stets Reservehandys und -kabel  bei sich hatte.  
 
 
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