Männergespräch (fm:Ehebruch, 10465 Wörter) | ||
Autor: Omega666 | ||
Veröffentlicht: Feb 21 2023 | Gesehen / Gelesen: 21679 / 14811 [68%] | Bewertung Geschichte: 9.64 (212 Stimmen) |
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er mit ihr über seine Gefühle. Sie nahm seine Bedenken stets ernst und reagierte entsprechend.
Zwei Jahre später feierten sie Hochzeit.
Als Wolfgang die Leitung des Gymnasiums angeboten wurde, bat er sie, dass sie die Versetzung an eine andere Schule beantragte. Er wollte vermeiden, dass ihm unterstellt werden könnte, nicht objektiv genug seine Aufgaben zu erfüllen, falls er seine Frau - gleich ob beabsichtigt oder unbeabsichtigt - gegenüber ihren Kolleginnen und Kollegen bevorteilen würde.
Sabine führte weiter aus: "Kannst du dich noch an Markus Kemper erinnern?"
Nach ein paar Sekunden des Überlegens antwortete Wolfgang: "War er nicht dein Ex-Verlobter? Fast einen Meter 90 groß, schlank, muskulös, gut aussehend und in deinem Alter. Ich glaube, ich habe ihn zum letzten Mal auf unserer Hochzeitsfeier gesehen. Er hat doch jedem erzählt, dass er speziell für dich aus den Staaten eingereist ist, um an unserer Feier teilzunehmen. Ist das der Typ?"
Natürlich erinnerte sich Wolfgang ganz genau an diesen Mann. Er konnte ihn noch nie leiden. Er war der typische Macho, arrogant, bestimmend und selbstverliebt. Sabine und Markus waren schon zur Schulzeit ein Paar. Sie fingen 1991 an der gleichen Uni an zu studieren und verlobten sich 1995 im letzten Studienjahr. Dann allerdings beschloss Markus, dass er noch einen Nachholbedarf an Sex hatte und betrug Sabine innerhalb weniger Monate mit diversen Kommilitoninnen. Außerdem offenbarte Markus ihr, dass er nach seinem Master-Abschluss in Psychologie in die USA auswandern würde, um dort als Paar- und Psychotherapeut zu arbeiten. Sabine war schon immer sehr pragmatisch und konsequent. Für einen Außenstehenden sah es so aus, als ob sie nicht viele Tränen um ihn vergoss. Sie entlobte sich formal, ohne überhaupt eine Versöhnung in Betracht zu ziehen, und teilte dies auch ihren Verwandten und Freunden mit. Wer wusste, dass sie trotzdem noch weiterhin einen losen Kontakt zu Markus hielt, konnte erahnen, dass die Trennung ihr doch nicht leichtgefallen war und ihr Herz immer noch an diesem Mann hing.
"Ja, genau der", antwortete Sabine und ergänzte: "Auch ich habe ihn seit unserer Hochzeit nicht mehr getroffen. Das ist jetzt zwölf Jahre her. Kannst du dir vorstellen, dass wir schon so lange verheiratet sind?"
Bevor Wolfgang etwas sagen konnte, berichtete Sabine: "Markus hat sich bei mir gemeldet. Er wohnt seit einer Woche auch in Hamburg, nachdem er die letzten 15 Jahre in den USA gelebt und gearbeitet hatte. Er ist Psychotherapeut und hat sich hier in eine Praxis eingekauft. Markus hatte immer noch meine Mobilfunknummer von damals und hat mich vorhin angerufen und gefragt, ob wir uns auf ein Abendessen treffen können, um über alte Zeiten zu quatschen. Ich wollte ihm nicht zusagen, ohne mich vorher mit dir darüber abgestimmt zu haben."
Hatte Sabine bislang nüchtern neutral gesprochen, änderte sie nun ihre Sprachmelodie in eine freudig erregte. "Darf ich ihn sehen? Bitte bitte! Du kannst auch mitkommen, wenn du willst."
Wolfgang antwortete, ohne zu zögern oder groß darüber nachzudenken: "Natürlich kannst du dich mit ihm treffen. Was sollte ich dagegen haben? Für wann seid ihr denn verabredet?"
"Gegen 19 Uhr im Paradiso in Altona", antwortete sie.
"Da müsste ich ja im Feierabendverkehr quer durch Hamburg fahren", kommentierte Wolfgang das Gehörte. "Das schaffe ich nicht, rechtzeitig dazuzukommen. Da musst du leider ohne mich hingehen. Aber du bist groß, das schaffst du schon", flachste er nur, um sofort zu ergänzen: "Ich wünsche dir viel Spaß. Und wenn du nicht noch etwas Wichtiges und Dringendes auf deinem Herzen hast, muss ich jetzt zurück in meine Sitzung. Meine Kollegen warten bestimmt schon auf mich. Auch sie wollen Feierabend machen."
Mit einem "Ich-liebe-dich" beendete Sabine das Telefonat.
"Das wäre erledigt", sagte sie und atmete dabei übertrieben tief aus.
"Warum hast du ihm denn angeboten, dass wir uns zu dritt treffen können?", wollte ihr Gegenüber, der kein anderer als ihr Ex-Verlobter Markus war, von ihr wissen.
"Weil ich vor ihm keine Geheimnisse und nichts zu verbergen habe", erwiderte sie.
"Sabine, solche Sprüche höre ich oft genug in meiner Praxis. Du weißt doch, dass ich mich auf Paartherapie spezialisiert habe. Du hast deinen Mann gerade dreist angelogen und damit definitionsgemäß betrogen."
"Das stimmt nicht!", entgegnete sie empört. "Es gibt doch keinen Zweifel daran, dass ich dich acht Jahre lang nicht getroffen habe. Mehr habe ich ihm auch nicht gesagt. Ich habe nicht behauptet, dass ich mit dir keinen Kontakt hatte. Ich habe ihm nur nicht gesagt, dass wir, seit ich den Verdacht hatte, dass er an einem Burn-out-Syndrom leiden könnte, miteinander chatten und kommunizieren. Da er danach nicht gefragt hat, habe ich ihn auch nicht belogen. Ich habe es ihm nur nicht gesagt.
Und wenn er hätte mitkommen wollen, wäre es mir auch recht gewesen. Du warst mal mein Verlobter, bis du anderen Frauen deine Gunst erweisen musstest. Trotzdem sind wir nicht im Streit, sondern als Freunde auseinandergegangen. Um das zu beweisen, habe ich dich zu meiner Hochzeit eingeladen. Das weiß Wolfgang doch alles. Wir wollen doch nur reden und er hätte sich gerne an unserem Gespräch beteiligen können."
Sie seufzte, als sie fortfuhr zu sprechen: "Ich habe meinem Mann 2002 ein Treuegelübde gegeben. Ich habe es nie gebrochen. Ich habe ihn nicht betrogen. Sind wir uns da einig?", fragte Sabine provokativ und bestimmend.
Markus wusste genau, dass das, was ihn und seine Ex schon seit Jahren verband, durchaus Ehebruch war. Zwar hatten sie noch keinen Sex, aber sie waren, ohne dass ihr Gatte das wusste, in regelmäßigen Kontakt und hatten dabei höchst private und vertrauliche Informationen ausgetauscht.
Sabine hatte auf ihr Treueversprechen hingewiesen und dass sie es nicht gebrochen hätte. Markus erinnerte sich noch sehr genau an den Wortlaut des üblichen Eheversprechens, das sie Wolfgang kurz vor dem Tausch der Ringe gegeben hatte: "Ich verspreche dir die Treue in guten und in schlechten Tagen, in Gesundheit und Krankheit, bis der Tod uns scheidet. Ich will dich lieben, achten und ehren alle Tage meines Lebens."
Wenn er Sabine und Wolfgang therapieren müsste, würde er dieses gegenseitig gegebene Treueversprechen mit dem Paar analysieren. Für Sabine war die versprochene Treue nur die Treue, keinen körperlichen Sex mit anderen Männern haben zu dürfen. Höchstwahrscheinlich liebte sie ihren Mann. Aber sie achtete ihn nicht in dem Maße, in dem es eine Ehefrau tun müsste. Sie hatte Wolfgangs blindes Vertrauen ihr gegenüber ausgenutzt und neben ihrer Ehe seit Jahren eine bislang nur emotionale Verbindung zu ihrem Ex etabliert.
Ende 2010
Sabine hatte Markus Ende 2010 angerufen, als ihr Mann erste Anzeichen psychischer und psychosomatischer Störungen zeigte. Am Anfang fielen ihr nur kleine Veränderungen in dem Verhalten ihres Mannes auf. Sie maß ihnen keine größere Bedeutung bei. Aber im Laufe der Zeit entwickelte Wolfgang eine immer negativere, distanziertere, zynischere Einstellung gegenüber seinen Kollegen, Schülern und ihr gegenüber. Daneben war er anhaltend müde und klagte über körperliche und über emotionale Erschöpfungszustände.
Er fing an, sich mit ihr über Kleinigkeiten zu streiten und zog sich immer mehr von ihr zurück. Bald war er auch an Sex mit ihr nur noch selten interessiert. Zuerst dachte Sabine, dass ihr Mann ein Verhältnis hätte und er sie deshalb mied. Doch diese Überlegungen verwarf sie schnell, denn sie war sich sicher, dass ihr Mann sie niemals betrügen würde. Erstens liebte er sie abgöttisch und vor Beginn seiner Probleme bewies er es ihr auch täglich durch sein Handeln, durch die vielen kleinen Gesten und liebevollen Nettigkeiten, die er ihr fast täglich angedeihen ließ. Und zweitens hätte er sie einfach nicht anlügen können. Von seinem Wesen her war Wolfgang gradlinig, analytisch, ehrlich und fair. Also musste es andere Gründe geben, die die Änderungen, die er durchmachte, erklären konnten. Sabine recherchierte und kam zu dem Entschluss, dass Wolfgang am Anfang eines Burn-outs stand. Sie konfrontierte ihn mit ihrer Diagnose. Da er sich weigerte, seine Probleme einzugestehen, verstand er auch nicht, wie sie zu ihrer Einschätzung gekommen war und meinte nur lapidar, sie solle aus einer Mücke keinen Elefanten machen. Er hätte nur sehr viel zu tun und wäre deshalb abgespannt und müde. Das würde sich aber im Laufe des Schuljahres wieder ändern. Damit war das Thema für ihn erledigt.
Sabine hatte Angst, in eine Endlosspirale von Vorhalten und Ausflüchten hineingezogen zu werden und letztlich ihren Mann und ihre Ehe zu verlieren. Als letzten Versuch schlug sie ihm ein paar Tage später vor, zusammen einen Psychotherapeuten aufzusuchen, da sie wusste, dass Wolfgang - als rational denkender Mann - die fundierte Meinung eines Fachmanns bislang immer geschätzt hatte. Sabine war allerdings nicht besonders über seine vehemente Ablehnung überrascht.
Sie benötigte Hilfe, sie brauchte Ratschläge, wie sie ihrem Mann helfen konnte. In ihrer Not erinnerte sie sich an ihren Ex-Verlobten Markus. Er hatte einen Master in Psychologie und arbeitete als Paar- und Psychotherapeut, allerdings in den USA. Er hatte ihr, einige Monate nachdem er seine "Zelte in Deutschland abgebrochen hatte", und in die USA ausgewandert war, eine Mail mit seinen Kontaktdaten geschrieben. Daraus hatte sich kein E-Mail-Verkehr entwickelt, sodass sie nur hofften konnte, dass diese E-Mail-Adresse immer noch aktiv war. Sie schrieb ihm einen langen Brief, in dem sie ihm ihre Probleme mit ihrem Mann schilderte und ihn bat, sie zu coachen.
Markus antwortete sofort. Er gab ihr ein paar ad-hoc Handlungsalternativen an die Hand, wie sie auf ihren Mann einwirken konnte. Und sie funktionierten. Natürlich nicht unmittelbar, sondern über einen Zeitraum von einigen Wochen. Aber dann war Wolfgang endlich einsichtig, sich seiner Krankheit zu stellen und sich in ärztliche Behandlung zu begeben. Natürlich ließ sich Markus auch über die Behandlungsmethoden unterrichten und er kommentierte diese. So konnte Sabine ihren Mann auch während des Behandlungszeitraumes fundiert unterstützen. Zumindest wusste sie, was vor sich ging, da Markus ihr dies genau erklärte.
Markus und Sabine erneuerten in diesen Wochen ihre Freundschaft. Waren die Mails bis zum Beginn von Wolfgangs Behandlungen fast ausschließlich den Themen "Burn-out" und "wie-kann-ich-dir-helfen" gewidmet, streute Markus nach Beginn der Therapie immer öfter Fragen über Wolfgang, über Sabine und ihre Ehe in die Konversation ein. Es ging dabei um nichts Aufregendes. Eigentlich waren es Belanglosigkeiten, die er anfänglich wissen wollte. Im Laufe der Wochen, Monate und Jahre wurden seine Fragen aber immer persönlicher, immer intimer. Sabine ihrerseits befriedigte stets wahrheitsgemäß seinen Wissensdurst.
Hatten sie in den Monaten nach ihrer ersten Kontaktaufnahme nur ein- bis zweimal pro Woche gechattet oder telefoniert, sprachen sie bald vier-, fünfmal die Woche - wie frisch Verliebte.
Nach einigen Monaten fing Sabine an, nur noch seinen Rat einzuholen und ihren Mann - im Vorfeld ihrer Beschlüsse - nicht mehr einzubeziehen. Markus wurde anstelle von Wolfgang immer mehr ihr Vertrauter. Sie schilderte ihm unaufgefordert ihr Ehe- und ihr Sexualleben. Sie erzählte ihm ihre Wünsche und ihre Pläne für die Zukunft, wenn Wolfgang genesen und wieder ganz der Alte werden würde.
Sabine holte sich von Markus Tipps, wie sie ihr Sexleben mit ihrem Mann aufpäppeln könnte. Er beriet sie, welche Dessous und welche Sex-Spielzeuge sie kaufen sollte und hörte sich am Folgetag an, welchen bescheidenen Erfolg sie damit bei Wolfgang erzielt hatte.
Markus wusste, dass er mehr Kenntnisse über Sabine, über ihre Ehe und über Wolfgang hatte als ein anderer Mensch, Wolfgang eingeschlossen.
Er war sich sicher, dass Sabine nicht mehr in ihren Mann verliebt war. Sie liebte ihn wahrscheinlich, aber in seinen Augen achtete und respektierte sie ihn nicht. Ansonsten hätte sie sich nicht mit ihm abgeben dürfen. Für ihn war seine Ex ein Versuchskaninchen, an dem er seine therapeutischen Ansätze remote ausprobieren und an dem er seine Verführungs- und Überredungskünste üben konnte.
Markus hingegen erzählte nur wenig von und über sich. Sabine erfuhr, dass er geschieden war und einen Sohn hatte, der bei seiner Mutter lebte. Er gestand ihr auch eines Tages, dass er es für seinen größten Fehler hielt, ihre Verlobung mit seinem Drang nach mehr Sex riskiert und sie dadurch letztlich verloren zu haben. Er drückte immer wieder in ihren Gesprächen seine Freude darüber aus, dass sie beide den Weg zueinander wieder gefunden hatten.
Der Kontakt zwischen Markus und Sabine brach auch nicht ab, nachdem Wolfgang im Februar 2014 vom Burn-out geheilt war und wieder seine berufliche Tätigkeit aufgenommen hatte.
Und jetzt saßen die beiden in einem gemütlichen Restaurant zusammen, flirteten ein wenig miteinander, tranken Wein und redeten über ihr Leben und wie es hätte verlaufen können, wenn Markus ihr treu geblieben wäre.
Zu vorgerückter Stunde, es war kurz vor 23 Uhr, fragte Markus seine Freundin, ob sie Interesse hätte, jetzt noch seine neue Wohnung anzuschauen. Er hätte auch eine Flasche Wein ihrer präferierten Traube kaltgestellt.
Sabine lehnte höflich, aber bestimmt ab. Sie hatte heute Abend die Zeit mit Markus genossen, aber ihr Mann wartete zu Hause auf sie. Sie würde ein Taxi nehmen müssen, da sie angetrunken und nicht mehr fahrtüchtig war. Außerdem hatte sie noch eine Stunde Fahrt vor sich und würde erst nach Mitternacht in ihrem Bett liegen. Sie hatte ein ungutes Gefühl, so spät erst nach Hause zu kommen, ohne ihren Mann vorgewarnt oder über eine mögliche Verspätung vorab informiert zu haben. Ansonsten aber hatte sie ein reines Gewissen. Es war nichts Verbotenes passiert, außer bei der Begrüßung ein paar flüchtige Küsse auf die Wangen und ein paar Streicheleinheiten, als sich ihre Hände auf dem Tisch trafen.
Vor dem Restaurant umarmte Markus sie so, wie er es zur Begrüßung getan hatte. Sie nahm an, dass es sich um die Verabschiedung handeln würde und erwiderte die Umarmung. Als sie anfingen, sich voneinander zu lösen, küsste er sie unvermittelt auf den Mund. Sie zog überrascht ihren Kopf zurück und schaute ihn erstaunt an. Dann schloss sie ihre Augen und erwiderte den Kuss. Der Alkohol und ihre Gefühle für Markus hatten sie enthemmt. Sie spürte, wie Markus' Zunge sich seinen Weg in ihren Mundraum bahnte. Sie gestattete es ihm. Nun küssten sie sich wild, herausfordernd. Ihre Zungen spielten miteinander, umkreisten sich. Sabine versuchte, seine Zunge mit ihren Lippen zu fassen und an ihr zu lecken. Sie streichelten den Körper des anderen, drückten ihn. Markus vermied es, ihre Pobacken und ihre Brüste zu berühren. Er wollte diese Momente der Zärtlichkeit nicht mit plumpem Sex ruinieren. Stattdessen spielte er mit ihren Haaren, kraulte sanft ihre Kopfhaut, knabberte an ihren Ohrläppchen und massierte ihren Hals. Nach etlichen Minuten der Intimitäten lösten sie sich voneinander.
Sabine sah Markus in die Augen. Da war er wieder, der Macho von früher, der sich nimmt, was er will. Und offensichtlich will er sie. Sie spürte ihre Muschi. Sabine war geil. Ohne weiter über die Konsequenzen nachzudenken, fragte sie ihn schwer atmend: "Hast du morgen Abend für mich Zeit, mir deine Wohnung zu zeigen?"
"19 Uhr bei mir. Ich wohne hier in Altona, nicht weit von deiner Schule. Ich simse dir noch meine Adresse", war seine Antwort, als das bestellte Taxi vor ihnen anhielt. "Ich danke dir für diesen wunderschönen Abend", sagte er, und half ihr, in den Wagen zu steigen. Er schloss die Autotür hinter ihr.
Markus war in Hochstimmung. Er war sich nun sicher, dass er die "Festung Sabine" stürmen und erobern konnte. Den morgigen Abend würde er mit ihr in seinem Bett beenden. Er wusste aus den vielen Gesprächen mit ihr, worauf sie jetzt, Mitte 40, ansprang, welches ihre sexuellen Vorlieben waren und welche dieser Vorlieben ihr Ehemann mangels Kenntnis davon nicht erfüllen konnte. Vielleicht würde sie schon morgen die ganze Nacht mit ihm verbringen. Er war überzeugt, dass ihr Ehemann Geschichte war. Dieser wusste es nur noch nicht.
Markus war klar, dass sie die sich anbahnende Affäre mit Wolfgangs Frau nicht lange vor ihm verheimlichen konnten. Deshalb beschloss er, ihn präventiv durch direkte Ansprache zu überrumpeln. Das viele, was er von ihm wusste, bestärkte ihn in seiner Meinung, dass Wolfgang zu alt und nicht in der Lage war, sich lange und erfolgreich gegen ihn zu wehren. Körperlich konnte Wolfgang ohnehin nichts gegen ihn ausrichten und auf intellektueller und emotionaler Ebene sah er sich auch besser aufgestellt als sein Kontrahent. Er würde ihm Sabine einfach ausspannen. Markus beschloss, Wolfgang morgen zu einem Gespräch einzuladen. Er würde ihm sagen, dass seine Frau ihn schon seit Jahren mit ihm auf emotionaler Ebene betrogen hätte, und er beabsichtigen würde, Sabine noch am selben Tag zu verführen und zu vögeln, sodass der Ehebruch vollständig und unumkehrbar wäre. Als Reaktion erhoffte er sich, dass Wolfgang entweder resignieren oder überreagieren würde. Vielleicht würde er auch ihn oder auch Sabine körperlich angreifen. Egal, wie seine Reaktion auch ausfallen würde, sie würde seine Beziehung zu Sabine stark beschädigen, wenn nicht sogar sofort zerstören.
Sabines Stimmung hingegen schwankte zwischen "Himmel-hoch-jauchzend" und "zu-Tode-betrübt". Markus war in den vergangenen Stunden so unkompliziert, so zärtlich, so intim, so spannend, so neu gewesen. Er hatte sich um sie bemüht. So hatte sie auch früher die Zeit mit ihrem Ehemann empfunden. Wo war diese Unbeschwertheit geblieben? War sie im Ehe- und im Alltagstrott schleichend verschüttet worden? Wer hatte Schuld daran? Wer musste sich mehr anstrengen, um dieser Entwicklung entgegenzuwirken?
Markus war ihr Freund. Aber sein Kuss war kein Freundschaftskuss. Er hatte sich Freiheiten herausgenommen, die ihm nicht zustanden. Aber so war er auch früher gewesen. Er nahm sich das, was er wollte, ohne vorher zu fragen. Markus war der personifizierte Macho. Das genaue Gegenteil ihres Mannes. Doch statt ihn dafür zu verteufeln, führte sie unwillkürlich einen Finger an ihren Mund. Sie zeichnete mit der Fingerkuppe ihre Lippen nach, so wie es Markus mit seiner Zunge getan hatte. Sie spürte immer noch Markus' Küsse. Sie spürte seine Zunge, die mit ihrer Zunge den ewig alten Wettkampf um Zärtlichkeit und Macht durchführte. Der Kuss war gut, befand sie. Als sie ihn mit Wolfgangs Küssen verglich, war sie über das Ergebnis ihres Vergleichs erstaunt. Sie bewertete die Küsse ihres Ehemannes als viel zärtlicher, viel emotionaler, viel liebevoller und viel erotischer - einfach lustvoller. Seine Küsse zeigten ihr, dass sie seine gleichberechtigte Partnerin war. Sie drückten seine Liebe zu ihr, zu ihrem Intellekt, zu ihrem Körper und zu ihrer Seele aus. Sie kannte diese Küsse schon fast zwei Jahrzehnte lang. War ihre Wirkung auf sie im Laufe der Jahre verblasst? Bedurfte es des Kusses eines anderen Mannes, um dieses Empfinden wieder aufleben zu lassen?
Im Gegensatz dazu drückten Markus' Küsse das Streben nach Macht und nach Unterwerfung aus. Auch diese Empfindungen entfachten Lust in ihr.
Sabine liebte diese beide Arten der Lust. Sie sehnte sich manchmal danach, nur devot sein zu dürfen und alle Entscheidungen dem Mann zu überlassen. Aber sie hatte dieses Verlangen Wolfgang gegenüber nie geäußert und ihm dadurch keine Möglichkeiten gegeben, sie so zu befriedigen. Sie hatte nur Markus diese Gedanken anvertraut. Hatte sie sich von Wolfgang entfernt? War sie auf dem besten Wege, ihm untreu zu werden?
Sie verteidigte sich vor sich selbst mit der angreifbaren Behauptung, dass es doch nur ein Kuss unter Freunden gewesen war. Sabine war nicht dumm. Sie wusste, dass sie sich etwas vormachte. Dieser Kuss war kein normaler Kuss. Und sie hatte ihn erwidert. Und das Schlimmste war, dass sie Markus gefragt hatte, ob sie ihn besuchen dürfte. Sie rief sich ihre Frage ins Gedächtnis zurück: "Hast du morgen Abend für mich Zeit?" Während sie auf seine Antwort gewartet hatte, hatte ihre Muschi angefangen zu kribbeln. Sie hoffte, er würde "Ja" sagen. Und als er als Antwort nur eine Uhrzeit nannte, war sie glücklich. "19 Uhr." Markus hatte sie zu sich bestellt, für 19 Uhr.
Plötzlich kippte ihre Stimmung. Ihr wurde von einem Moment auf den nächsten bewusst, dass sie Vorbereitungen traf, um ihrem Mann Hörner aufzusetzen - falls sie dies nicht ohnehin schon getan hatte. Sie hatte sich wie eine verliebte Göre, wie eine läufige Hündin benommen. Sie hatte Markus mit der Frage nach einem Date gestanden, dass es für sie nur noch um das "Wann" und nicht mehr um das "Ob" gehen würde. Und mit der Nennung einer Uhrzeit war auch das "Wann" geklärt. Morgen Abend schon.
Sie hatte sich ihm aufgedrängt. Markus - ihr platonischer Freund - hatte sie doch so uneigennützig in den vergangenen Jahren im Kampf um die Rettung ihres Mannes unterstützt. Er hatte sich zu ihrem besten Freund entwickelt, einem Seelenverwandten. Nun war er dabei, ihr Freund mit Zusatzleistungen zu werden. Vielleicht auch mehr? Etwa eine Affäre? War er der Scharfrichter ihrer Ehe? Das wollte sie doch auf keinen Fall. Sie musste diese Entwicklung stoppen, bevor sie unumkehrbar wurde.
Erst als der Taxifahrer sie fragte, ob mit ihr alles in Ordnung wäre, realisierte sie, dass sie weinte und dabei ständig das Wort "Nein" vor sich hin sprach. Es schien, als ob sie die Folgen, die Konsequenzen ihrer physischen und geistigen Handlungen des heutigen Tages dadurch abwenden wollte.
Sabine beschloss erst einmal nichts zu beschließen. Sie war betrunken und es war schon sehr spät. Sie wollte erst eine Nacht über das Geschehene schlafen und für sich herausfinden, was sie überhaupt wollte, welches Risiko sie eingehen wollte und was sie bereit war, dafür als Einsatz aufzubieten.
Wenige Minuten später hielt das Taxi vor ihrem Wohngebäude. Sie zahlte den Fahrpreis und betrat leise ihre Wohnung. Im Flur zog sie sich bis auf ihre Unterwäsche aus und schlich sich ins Schlafzimmer. Wolfgang schlief fest und merkte nicht, wie sie sich neben ihn legte. Sie schaffte es nicht mehr, einen vernünftigen Gedanken zu fassen, so schnell war sie eingeschlafen.
Am nächsten Morgen war Sabine vor Wolfgang wach. Sie drehte sich leise zu ihm um und sah ihm beim Schlafen zu. Ein bekanntes Gefühl der Liebe und Zufriedenheit durchströmte ihren Körper, das allerdings binnen kurzer Zeit durch ein Gefühl der Schuld überlagert wurde. Erinnerungen an den gestrigen Abend kamen ihr in den Sinn. Es war ein nettes Treffen mit unverfänglichen Gesprächen gewesen. Dann aber hatte sie mit Markus wie mit einem Liebhaber geknutscht und ihn obendrein noch um ein Date gebeten. Ein Date bei ihm zu Hause. Sie beide allein in seiner Wohnung. War sie unterwegs, ihren Mann zu betrügen? Sie liebte ihn und wollte ihn nicht riskieren. Sie beschloss, das Date abzusagen. Ja, sie durfte heute nicht zu dieser Verabredung gehen. Markus würde ihre Beweggründe bestimmt verstehen. Welche Beweggründe? Sie konnte Markus doch nicht sagen, dass sie sich nicht sicher war, ob sie ihrem Mann in seiner Gegenwart treu bleiben könnte. Dann könnte sie ihm ja gleich sagen, dass sie mit ihm schlafen will. Nein, sie würde niemals mehr mit ihm vögeln. Vielleicht ein paar Küsse und ein paar Streicheleinheiten? Auf keinen Fall mehr. Markus würde sich schon benehmen, davon war sie sich sehr sicher. Zumindest redete sie es sich ein. Er ist schließlich ein guter, nein, er ist ihr bester Freund. Ihr bester Freund würde doch nicht ihre Ehe in Gefahr bringen. Sie nickte zufrieden und überzeugt, als sie ihren Beschluss widerrief, auf das Treffen mit Markus in seiner Wohnung zu verzichten.
Gut gelaunt saßen Sabine und Wolfgang am Frühstückstisch. Sie war froh, dass er sie offensichtlich nicht über ihr Treffen mit Markus befragen wollte, denn er sprach das Thema nicht an. Stattdessen unterhielten sie sich über die Aufgaben ihres Tages und Belanglosigkeiten wie das Wetter. Sabine bemerkte, wie ihr Mann sie längere Zeit ansah, ohne etwas zu sagen. Sie meinte eine Spannung zwischen ihnen zu bemerken, die sich entlud, als er sie fragte: "Na, Schatz, wie war dein Abend mit deinem Freund? Ich habe gar nicht mitbekommen, wie du nach Hause gekommen bist. Habt ihr euch gut amüsiert?" Und mit einem Grinsen auf dem Gesicht ergänzte er: "Muss ich mir etwa Gedanken machen?"
Sabine sah ihn kurz fragend an und antwortete mit der einstudierten Erklärung, die sie sich unter der Dusche überlegt hatte: "Es war ein wunderschöner Abend. Wir hatten uns so viel zu erzählen. Schade, dass du nicht dabei sein konntest. Habe ich dir schon mitgeteilt, dass er in Hamburg praktizieren wird?"
Wolfgang war es nicht entgangen, dass seine Frau nicht auf seine nicht ernst gemeinte Frage, ob er sich Sorgen machen müsste, eingegangen war. Er hatte eigentlich erwartet, dass sie diese mit einem Scherz abtun würde. Er wartete noch ein paar Sekunden, doch es kamen keine weiteren Kommentare mehr von ihr.
Also antwortete er: "Ja, das hast du." Und in diesem Moment entschied er sich, ihr einen Denkzettel zu verpassen. Sie wusste, dass er ihren Ex-Verlobten nicht leiden konnte. Warum erklärte sie ihm nicht, dass er sich keine Sorgen machen musste? Wolfgang wurde ärgerlich. Er schnaubte, als er in die Offensive ging: "Dann willst du ihn ab sofort bestimmt öfter treffen, oder?" Sabine ging auf diese provokante Frage nicht ein, sodass Wolfgang weitersprach. "Weißt du?", und er legte eine kleine Kunstpause ein, um seiner folgenden Bemerkung einen hohen Wert beizumessen. "Ich habe gelesen, dass es für eine Ehe nicht gut ist, wenn die Frau oder der Mann einen nicht nur flüchtigen Kontakt zu ihrem oder seiner Ex unterhält. In der Studie, die ich dazu gelesen habe, bleiben Menschen vorrangig dann mit ihren ehemaligen Partnern in Kontakt, wenn sie sich weniger gegenüber ihrer eigentlichen Beziehung verpflichtet fühlen und einen Plan B auf Abruf haben wollen. In der Ehe exklusiv zu sein, bedeutet nicht nur körperlich treu zu bleiben, sondern dem Partner vor allen anderen, vor Freunden, Verwandten, aber insbesondere vor einem Ex-Partner den größtmöglichen Respekt zu zollen und ihn immer über alle anderen zu stellen."
Auf diesen Frontalangriff war Sabine nicht vorbereitet. Sie spürte seine Unsicherheit, seine Enttäuschung. Er war bislang doch noch nie eifersüchtig auf ihre männlichen Gesprächs- und wenigen Flirtpartner gewesen. Aber Markus war natürlich ein besonderer Fall, er war ihr Ex-Verlobter, mit dem sie jahrelang eng verbunden war. Diese Gedanken gingen ihr innerhalb von Sekundenbruchteilen durch den Kopf. Aber anstatt ihm ruhig und besonnen zu antworten, wurde sie wütend. Wie konnte er ihr unterstellen, dass sie ihm keinen Respekt entgegenbringen würde? Was glaubte er denn, was sie gestern gemacht hatte? Meinte er wirklich, dass sie sich hat vögeln lassen? Er musste doch wissen, dass er sich keine Sorgen machen musste. Insgeheim realisierte sie, dass die Schuld dafür, dass ihr Mann an ihr zweifelte, bei ihr lag. Aber sie wollte ihm nicht die Genugtuung geben, recht zu haben.
"Spinnst du?", schrie sie ihn an. "Meinst du, Markus ist mein Plan B? Markus und ich sind nur befreundet. Da läuft gar nichts zwischen uns. Nur Freunde, verstehst du? Wir sind nur Freunde!"
Wolfgang hatte seine Frau nur ein wenig piksen wollen, weil sie gestern so lange mit ihrem Ex ausgegangen war. Er war nicht wirklich eifersüchtig. Das war nicht seine Art. Er vertraute Sabine. Er hätte es aber gerne gesehen, wenn sie sich gestern kurz bei ihm mit der Information gemeldet hätte, dass sie noch ein wenig länger bleiben möchte. Er verstand gar nicht, warum sich seine Frau so aufregte, wenn doch nichts Verwerfliches passiert war.
Wolfgang versuchte sie zu beruhigen: "Entschuldige bitte, mein Schatz. Ich habe dir nichts unterstellen wollen. Ich finde es nur ein wenig merkwürdig, dass ihr jahrelang nichts voneinander gehört habt und plötzlich ist er da und ruft dich an. Na ja, wir werden erleben, wie sich eure Beziehung entwickelt."
Dieses Mal sprang Sabine wutentbrannt von ihrem Stuhl auf. "Wir haben keine Beziehung!", schrie sie ihren Mann an. "Wir", sie unterbrach sich selbst und stellte dann klar, "ich meine Markus und mich, wir sind nur Freunde. Was unterstellst du mir? Meinst du, ich habe ein Verhältnis mit ihm? Er taucht auf, und ich lande sofort in seinen Armen und von dort aus in seinem Bett?" Mitten in ihrer Tirade hörte Sabine auf zu reden. Sie hielt sich eine Hand vor dem Mund, als ob sie sich selbst ein Redeverbot erteilt hätte und starrte ihren Mann mit Panik in den Augen an. In Gedanken sah sie aus der Perspektive eines Beobachters, wie Markus und sie sich gestern Nacht leidenschaftlich geküsst hatten. Sie hörte sich sagen: "Hast du morgen Abend für mich Zeit?" Sie sah ihr Gesicht. Sie sah, wie sie mit Markus den Blickkontakt hielt und wie sie lächelte, als sie diesen Satz sagte. Einen kleinen Augenblick ekelte sie sich vor sich selbst, dann hatte sie sich wieder unter Kontrolle. Ihr wurde immer und immer mehr klar, dass sie sich dem Verrat an ihrer Ehe schuldig machen würde, wenn sie Markus heute Abend treffen würde - ohne es ihrem Mann vorab gesagt zu haben. Aber sie war jetzt noch nicht bereit, das Treffen abzusagen oder ihren Mann in Kenntnis zu setzen. Dafür hatte er sie zu sehr geärgert.
Sie beruhigte sich selbst damit, dass sie doch den ganzen Tag Zeit hätte, Markus anzurufen, um die Verabredung abzusagen. Danach könnte sie ein wenig "Gras über die Angelegenheit wachsen" lassen, und Wolfgang würde sich bald wieder beruhigen. Jetzt aber wollte sie nur einfach weg von ihm. Sie wollte weg von ihrem schlechten Gewissen. Und sie wollte den Streit mit ihrem Gatten nicht verlieren. Deshalb schrie sie ihren Mann wütend an: "Es reicht mir jetzt! Du hast mir den Appetit gründlich verdorben. Ich fahre zur Schule. Da kann ich wenigstens in aller Ruhe meinen Morgenkaffee trinken und muss mir nicht unhaltbare Beschuldigungen anhören. Ich bin gegen fünf wieder zu Hause. Überleg dir schon mal eine plausible Entschuldigung!"
15 Uhr 30 am gleichen Tag
Wolfgangs Mobiltelefon signalisierte ihm einen Anruf. Er wusste mit der Anruferkennung nichts anzufangen. Üblicherweise nahm er solche Anrufe nicht entgegen. Heute aber, einer Eingebung folgend, nahm er das Gespräch an und meldete sich mit einem unverfänglichen "Guten Tag, was kann ich für Sie tun?"
"Hallo Wolfgang", hörte er den Anrufer ihn begrüßen. "Ich bin's, Markus. Ich möchte dich bitten, mich gleich zu treffen."
"Warum sollte ich dies tun, Markus? Ich bin auf der Arbeit und kann nicht einfach gehen, wann ich möchte", antwortete er gereizt.
Markus hingegen sprach mit einem aufreizend arroganten Tonfall weiter: "Es geht um deine Frau, Wolfgang. Du solltest dir die Zeit für sie nehmen. Ich nehme sie mir. Natürlich steht es dir frei, an deinem Schreibtisch sitzenzubleiben. Dann beschwere dich aber später nicht darüber, dass ich dir nichts von dem gesagt hätte, von dem ich ausgehe, dass es unweigerlich so geschehen wird. Aber ich warne dich vor, es wird ein knallhartes Männergespräch werden."
Nach einem kurzen Moment der Stille, in dem keiner der beiden etwas sagte, erwiderte Wolfgang: "Du sprichst in Rätseln, Markus. Aber du hast mein Interesse geweckt. Wo wollen wir uns treffen?"
"Da, wo ich gestern Sabine getroffen habe, im Paradiso." Markus lachte frech, als er provokativ ergänzte: "Du weißt doch bestimmt, dass "Paradiso" italienisch ist und auf Deutsch "Paradies" bedeutet. Das heißt, ich war mit deiner Frau im Paradies. Ist das nicht lustig? Sei um halb fünf da." Damit legte er auf.
Wolfgang schaute noch einige Zeit auf sein Handy. Was wollte Markus von ihm? Er erinnerte sich daran, wie Sabine auf seine Stichelei von heute Morgen, sie würde fremdgehen, reagiert hatte. Anstatt mit ihm über seine als Witz angelegte "Anklage" zu lachen, hatte sie ihn angeschrien und wutentbrannt die Wohnung verlassen. Ihr ganzes Gebaren in diesem Zusammenhang war völlig untypisch für sie, befand er. Doch jetzt bekam das alles für ihn einen Sinn. Hatte sie ihn schon betrogen? Markus musste dahinterstecken.
Er bearbeite noch einen eiligen Vorgang, und meldete sich eine halbe Stunde nach seinem Telefonat mit Markus bei seiner Sekretärin für den Rest des Tages ab. Auf der Fahrt nach Altona beschloss er, sich von Markus nicht provozieren zu lassen. Er würde sich anhören, was dieser zu sagen hatte. Anschließend würde er nach Hause fahren und in aller Ruhe mit seiner Frau die Geschehnisse des heutigen Tages besprechen und zusammen bewerten. Er hielt Markus für einen Schürzenjäger. Wolfgang mochte ihn nicht, aber er würde seine Abneigung ihm gegenüber heute nicht zu erkennen geben.
Er hatte Glück und fand einen Parkplatz direkt vor dem Restaurant. Um diese Uhrzeit war die Gaststätte nur spärlich gefüllt. In einer hinteren Ecke des Speiseraums erkannte er Markus, der vor einem Glas Wein saß und ihm zuwinkte. "Zumindest ist Markus vor mir da und hat auf das machohafte Verhalten, mich warten zu lassen, verzichtet", dachte er.
Die Begrüßung der beiden war frostig. Nachdem Wolfgang einen Sprudel bestellt hatte, wandte er sich Markus zu und fragte: "Nun sag mir doch mal, Markus, was du mir so dringend über meine Frau erzählen musst."
"Weißt du eigentlich, Wolfgang, dass ich so ziemlich alles über dich weiß?", begann Markus das Gespräch. "Sabine hat mir im Laufe der letzten vier Jahre alles über dich, über sich selbst und über eure Ehe erzählt. Wir telefonieren zusammen oder schreiben uns fast jeden Tag. Mir hast du es zu verdanken, dass du seinerzeit akzeptiert hast, an Burn-out erkrankt zu sein. Damals hat mich deine Frau mit der Bitte kontaktiert, ihr zu helfen, um dir zu helfen. Das habe ich mit Erfolg gemacht. Alles, was dir Sabine in dieser Zeit erzählt hat, war mit mir abgestimmt.
"Dann bedanke ich mich bei dir im Nachhinein. Auch Sabine werde ich noch einmal meinen besten Dank ausdrücken müssen, dass sie so kreativ war, dich um Hilfe zu bitten. Welche Qualifikationen hast du denn, dass du Sabine so fachkundig dirigieren konntest?", wollte Wolfgang nun wissen. Er wusste bereits von seiner Frau, dass ihr Ex als Psychotherapeut arbeitete. Insofern konnte er sich darauf konzentrieren, Markus zu beobachten, seine Gestik und Mimik zu studieren. Markus schloss seinen minutenlangen Vortrag über seine Qualifikationen mit dem Hinweis, dass er auf Paartherapie spezialisiert sei. Natürlich war es gespielt, als Wolfgang anerkennend nickte und ihn bewundernd anschaute, als er ihn fragte: "Wenn du meine Frau und mich als Paar therapieren müsstest, was könntest du mir über uns erzählen, Markus?"
"Leider nichts Gutes", erwiderte der Angesprochene. "Du weißt, was ein emotionaler Seitensprung ist?" Als Wolfgang ihn fragend anschaute, erklärte Markus: "Ganz einfach. Ein Seitensprung findet nicht nur auf körperlicher Ebene statt, sondern viel häufiger auf der emotionalen Ebene. Diese Art des Seitensprungs ist für die meisten Menschen noch viel verletzender als ein unbedeutender einmaliger Außer-Haus-Fick.
Um das Gesagte auf deine Ehe zu übertragen, muss ich dir sagen, dass es für mich eindeutig ist, dass Sabine dich nicht respektiert. Du bist schon lange nicht mehr der Mann, zu dem sie aufschaut. Sie hat mich um Rat gefragt und nicht dich. Sie wollte von mir wissen, wie sie dich dazu bringen kann, im Bett fantasievoller zu sein. Sie hat meine Dessous-Vorschläge umgesetzt und mir am nächsten Tag erzählt, wie du Sabine - wie meistens - links hast liegen lassen. Sie hat sich als Frau von dir zurückgesetzt gefühlt und sich dadurch mir immer mehr angenähert. Dass sie weiterhin Gefühle für mich hat, war auch nicht zu deinen Gunsten."
Wolfgang unterbrach ihn: "Markus, ich sehe das so, dass Sabine sich bei dir kostenlosen therapeutischen Rat eingeholt hat, um mir zu helfen. Das ist kein emotionaler Seitensprung, das ist wirtschaftliches Denken. Sie hat uns als Paar durch die schwere Zeit meiner Krankheit gebracht. Jetzt, wo ich weiß, wie clever sie das angestellt hat, muss ich ihr noch einmal besonders danken."
"Und was ist mit der Zeit nach deiner Genesung? Da haben wir weiter wie ein Liebespaar kommuniziert. Ist das für dich auch in Ordnung?" Markus' Stimme verriet ihm, dass für ihn das Gespräch wohl nicht so lief, wie er es gerne gehabt hätte.
"Na ja", sagte Wolfgang und legte seine Hände mit den Handflächen nach unten auf den Tisch. Du warst weit weg, lebtest in den Staaten. Ob sie sich nun mit dir oder mit einer Freundin ausgetauscht hat, ist mir doch eins. Nenn es Gewohnheit, dass sie sich mit dir weiterhin unterhalten hat. Ich sehe darin nichts Verwerfliches.
"In Ordnung", unterbrach ihn Markus. "Ich erzähle dir jetzt mal, was sich Sabine von dir im Bett gewünscht hätte, du es aber nicht gebracht hast.
Sie wünscht sich, dass sie auch mal nichts zu sagen hat und einfach nur dominant genommen wird. Sie will dann kein Mitspracherecht, wie sie befriedigt wird. Weißt du, dass sie auch an analem Sex Lust finden könnte? Sie hat mir erzählt, dass sie davon träumt, nackt, auf dem Bauch auf eurem Bett gefesselt, die Beine weit gespreizt, von einem Mann genommen zu werden, während der Kerl ihr dabei mit einem Dildo in den Arsch fickt. Sie würde dabei vor Lust, Geilheit und Schmerzen laut stöhnen, und zwar so laut, dass eure Nachbarn sich gestört fühlen könnten. Natürlich erwartet sie, dass ihr Hengst in ihrem Mund abspritzt und ihr befiehlt, seine Ficksahne zu schlucken. Auch mit einem Paddle oder einer kleinen Peitsche gezüchtigt zu werden, steht ganz oben auf ihrer Wunschliste. Deinen Blümchensex mit viel Zärtlichkeit, mein lieber Wolfgang, kannst du dir in die Haare schmieren.
Aber sie will auch mal dominant sein und dich - genauso wie ich dir gerade beschrieben habe - ans Bett fesseln. Dann würde sie dir einen Pariser über deinen kleinen Schwanz stülpen und dich anschließend mit einem Strap-on in deinen Arsch ficken. Und zwar so lange, bis du in das Gummi abgespritzt hast. Auch du darfst dann deine Ficksahne genießen. Ich werde es lieben, euch dabei zuzusehen und zu filmen.
Frivoles Ausgehen, an ungewöhnlichen Orten wie auf der Toilette in einem Museum oder in der Umkleidekabine eines Schwimmbades gevögelt zu werden, gehören zu ihren Tagträumen genauso dazu wie einen Pärchenclub zu besuchen und vor fremden Augen zu ficken. Ich werde ihr diese Wünsche erfüllen, da kannst du sicher sein.
Leider konnte ich sie bislang nicht davon überzeugen, auch mal einen Dreier mit einem zweiten Mann oder einer weiteren Frau in Erwägung zu ziehen. Aber ich glaube, das ist nur eine Frage der Zeit. Spätestens wenn sie von dir geschieden sein wird, wird sie es mit mir ausprobieren wollen. Ich werde sie an die Hand nehmen und ihr die größte Lust bescheren, die sie sich vorstellen kann. All ihre und auch meine Träume werden in Erfüllung gehen.
Ich werde damit schon heute Abend anfangen, mein Lieber. Ich wette mit dir, dass sie dir nicht erzählt hat, dass wir uns um sieben in meiner Wohnung treffen. Oder sollte ich mich irren? Sie hat mich, nachdem wir gestern noch lange miteinander geknutscht hatten, angefleht, mich heute besuchen zu dürfen. Ich entnehme deiner Reaktion, dass du bislang davon noch nichts wusstest. So viel zum Thema "mangelnder Respekt".
Damit auch du es begreifst: Sabine und ich werden dir Hörner aufsetzen. Wenn du artig bist, lasse ich dich vielleicht zuschauen, wenn ich deine Frau ficke. Dann wirst du erkennen, wie viel unentdeckte Lust in deiner baldigen Ex-Frau steckt und was du alles verpasst hast und verpassen wirst."
Markus lachte boshaft, als er seinen Monolog schloss: "Ich glaube, mein lieber Wolfgang, wir beide haben uns aktuell nichts mehr zu sagen. Deine Frau wird bald meine Geliebte sein. Sie ist mir jetzt schon emotional hörig, bald wird sie es auch körperlich sein. Ich werde das Gefühl nicht los, dass dich das alles nicht interessiert. Wahrscheinlich hast du dich damit schon abgefunden, bald nur noch ein kleiner Hahnrei zu sein. Wenn du sie liebst, dann gönne ihr die Freiheit, von mir gefickt zu werden, um endlich glücklich und befriedigt zu sein. Mach einen sauberen Schnitt und lass dich von Sabine scheiden."
Als Wolfgang immer noch regungslos sitzen blieb und Markus mit einem "Poker-Gesicht" ansah, sprang Markus von seinem Platz auf und schrie ihn an: "Mir wird schlecht, wenn ich deine Visage sehe, kleiner Mann! Du bist Geschichte!" Damit legte er einen Zehner auf den Tisch und verließ frustriert das Lokal.
Wolfgang folgte ihm eine Minute später. Kurz darauf saß er in seinem Auto und fuhr nach Hause. Er war zufrieden mit dem Gesprächsverlauf. Er hatte alles erfahren, um mit Sabine zielgerichtet ihr kleines Problem besprechen zu können. Markus war viel zu arrogant und selbstverliebt, als dass er ihn als Gefahr angesehen hätte. Ein fataler Fehler, befand Wolfgang. Er musste nur mit Sabine sprechen, bevor sie zu Markus fuhr. Er war sich sicher, eine mehr als durchschnittliche Chance zu haben, seine Ehe zu retten.
Wolfgang rief seine Noch-Frau aus dem Auto auf ihr Handy an. Sie nahm den Anruf entgegen. "Hallo, mein Schatz. Du hast Glück, dass du mich noch erreicht hast. Ich werde in einer Viertelstunde zu Markus fahren", teilte Sabine ihm fröhlich mit. "Wir möchten unser Gespräch von gestern fortsetzen. Wir haben uns so lange nicht gesehen, und haben noch so viele Erinnerungen auszutauschen."
Wolfgang unterbrach sie: "Sabine, bevor du dich auf den Weg zu deinem Ex machst, muss ich mit dir sprechen. Ich komme gerade von Markus. Er hat mich heute Nachmittag angerufen und mich um ein Männergespräch unter vier Augen gebeten. Wir haben uns im Paradiso getroffen, und das, was er mir erzählt hat, beunruhigt mich sehr. Aber ich kann und will das nicht mit dir am Telefon besprechen. Also warte bitte, bis ich zu Hause bin und wir geredet haben."
"Muss das denn wirklich sein?", wollte Sabine von ihrem Mann wissen. Der Ton, in dem sie diese Frage stellte, zeigte, dass sie genervt war.
"Ja, Sabine, das muss wirklich sein. Ich bin in einer halben Stunde zu Hause. Markus wird dir eine Verspätung verzeihen, solange du nur zu ihm kommst. Ich lege jetzt auf. Ich muss mich auf den Straßenverkehr konzentrieren. Bis gleich, fahr nicht weg." Wolfgang trennte die Verbindung. Sabine war irritiert und fragte sich, was denn Markus von ihrem Mann gewollt hatte? Den ganzen Tag über hatte sie sich nicht festlegen können, ob sie heute Abend mit ihrem Mann schönen Versöhnungssex oder ob sie mit Markus ein Date haben sollte. Erst auf dem Weg von der Schule nach Hause hatte sie sich für die Verabredung entschieden. Natürlich war es für sie klar, dass sie ihrem Mann nicht untreu werden würde. Sie würde auch nur eine Stunde bei Markus bleiben. Sabine freute sich darauf, ihren Mann anschließend zu überraschen.
Sie war vor etwa zwei Stunden vom Schuldienst nach Hause gekommen und hatte schnell geduscht. Als sie sich im Spiegel betrachtete, sah sie das relativ gut aussehende Gesicht einer Frau mittleren Alters. Aber heute sah sie darin Falten, die sie sonst nicht sah. Also fing sie an, sich ein wenig zu schminken, um Spuren, die ihr bisheriges Leben in ihrem Gesicht hinterlassen hatte, zu verstecken oder zumindest zu kaschieren. Danach kam ein Make-up, ein Lack zum anderen. Als sie zwanzig Minuten später fertig war, war sie fast wie für den Besuch einer Oper geschminkt.
Anschließend suchte sie mechanisch - ohne darüber nachzudenken, ob sie damit für den konkreten Anlass zu edel oder gerade richtig angezogen wäre - das kleine Schwarze, das Wolfgang so an ihr liebte, heraus. In diesem Kleid und in Pumps mit hohen Absätzen fühlte sie sich schön und begehrenswert. Die Kleidung unterstrich ihren immer noch knackigen Körper und machte sie optisch einige Jahre jünger. Schnell zog sie sich um. Sie verwarf den Gedanken, ob sie sich vielleicht doch einen Tick zu sehr herausgeputzt hatte, denn sie fühlte sich wohl in ihrer Haut.
Als Wolfgang kurz nach 18 Uhr die Haustür aufschloss, rief seine Frau ihm aus dem Wohnzimmer zu: "Ich bin hier! Bitte komm endlich und sage mir, was so wichtig ist, dass wir das Gespräch nicht auch später führen können. Ich bin doch in ein paar Stunden wieder zurück."
Wolfgang stellte in aller Ruhe seine Aktentasche ab, zog sein Jackett aus und hing es an der Garderobe auf. Dann verriegelte er die Haustür, denn er wollte nicht, dass Sabine wegging, bevor er alles gesagt hatte, was zu sagen war. Erst dann ging er zu seiner Frau. Als er sie auf der Couch sitzen sah, bekam er Bedenken, dass er vielleicht den Kampf um sie doch schon verloren haben könnte. Sabine war so aufreizend gekleidet und geschminkt wie seit ihrem letzten Hochzeitstag vor fünf Monaten nicht mehr. Sie trug an diesem Tag - wie heute auch - das gleiche schwarze, eng anliegende Etuikleid, das eine Handbreit über ihren Knien endete. Der tiefe V-Ausschnitt zeigte mehr von ihren Brüsten und ihrem Spitzen-BH, als ihm in diesem Augenblick lieb war. Heute trug sie keine Strümpfe. Ihre Füße steckten in offenen, hohen, schwarzen High Heels mit Stiletto-Absätzen. Sie bot einen atemberaubenden Anblick.
"Nun komm!", drängte sie ihn. "Was ist denn so wichtig?"
Er setzte sich auf den Sessel ihr gegenüber und begann zu sprechen: "Markus hat mir erzählt, dass er von dir alles über dich, über unsere Ehe und mich weiß und er deshalb in uns lesen kann wie in einem offenen Buch. Du hattest ihn kontaktiert, als Burn-out-Syndrome für dich offensichtlich waren, und bist mit ihm bis heute in Kontakt geblieben. Ich weiß, dass wir beide durch meine Krankheit eine kaum tragbare Zeit hatten, aber wir haben sie gemeinsam durchgestanden. Du hast in diesen Jahren nicht nur meine Depressionen ertragen, sondern mich auch immer wieder durch deine Liebe aufgefangen, wenn ich nicht mehr weiterwusste. Du weißt gar nicht, wie oft ich davor war, vom Hochhaus zu springen. Deine Liebe allein hat meinen Freitod verhindert.
Markus versuchte mir weiß zu machen, dass du mich mit ihm in diesen Jahren emotional betrogen hast, weil du ihm ohne mein Wissen buchstäblich alles über uns erzählt hast. Du hast ihn um seine Meinung gefragt und seinen Rat eingeholt. Er war deine Hauptansprechperson. Wenn das so stimmt, hört es sich für mich verdammt schlecht an. Aber selbst wenn es stimmen sollte, bin ich mir sicher, dass du mich mit ihm nicht gefühlsmäßig betrogen hast. Ich war dir in dieser Zeit keine Hilfe, hatte selten ein offenes Ohr für dich und für deine Belange, Ängste und Nöte. Ich konnte dich nicht unterstützen, da ich mich selbst ständig infrage gestellt hatte. Deshalb wage ich die These, dass du uns und mir nicht lange hättest helfen können, wenn du nicht einen Menschen gehabt hättest, dem du dein Herz hättest ausschütten können. Insofern hast du mich nicht betrogen, sondern uns beide gerettet. Da Markus Paar- und Psychotherapeut ist, wie er mir sagte, war er für derartige Gespräche natürlich präferiert. Ich glaube, dass er deinen verletzlichen Gemütszustand durch seine Gesprächsführung ausgenutzt und Fragen gestellt hat über Themen, die ihm nichts angingen, und dir Informationen entlockt hat, die er für deine seelische Unterstützung nicht gebraucht hätte. Hinzu kam, dass er dein Ex-Verlobter war und du dich ihm durch diese intimen Gespräche wahrscheinlich gefühlsmäßig wieder sehr schnell angenähert hast. Allerdings frage ich mich, und ich hoffe, dass du es mir irgendwann einmal erklärst, warum du mir, nachdem ich meine Krankheit überwunden hatte, nicht von deinem Kontakt zu Markus erzählt, sondern diesen hinter meinem Rücken fortgesetzt hast."
Sabine schüttelte den Kopf. "Das ist es also? Meine Gespräche mit Markus? Es waren doch nur Gespräche. Markus lebte und arbeitete bis vor einer Woche noch in den Staaten. Ich habe ihn seit unserer Hochzeit nie mehr von Angesicht zu Angesicht gesehen. Ich habe ihm gestern auch schon gesagt, dass er mit seiner Behauptung, ich hätte dich emotional betrogen, völlig falsch liegt. Und du bestätigst dies nun auch. Damit sollte doch alles geklärt sein, oder?"
Sabine sah ihren Mann fragend an. Dabei wippte sie mit ihren Beinen so, als ob sie auf glühenden Kohlen sitzen und nur auf die Gelegenheit warten würde, aufzustehen und den Raum zu verlassen. Sie fühlte sich schuldig, denn sie erkannte, dass sie ihrem Mann keine plausible Erklärung geben konnte, ohne ihn seelisch zu verletzen, warum sie den Kontakt zu Markus ohne sein Wissen aufrechterhalten hatte.
Wolfgang sah seine Frau einige Sekunden an, ohne ein Wort zu sagen. Er wollte das Thema "emotionaler Seitensprung" an dieser Stelle nicht weiter vertiefen. Es gab Wichtigeres zu besprechen. In einem ruhigen Ton stellte er deshalb klar: "Nein, Sabine, das ist es nicht allein. Markus hat mir auch unmissverständlich erklärt, dass er dich verführen und zu seiner Geliebten machen will. Eigentlich hätte er dich schon gestern, nach dem Abendessen, zu sich nach Hause einladen wollen. Er hatte dir auch ein scheinbar unverfängliches Angebot gemacht, dir seine neue Wohnung zu zeigen. Du hättest mit dem Verweis, dass du nicht so spät nach Hause kommen könntest, abgelehnt. Allerdings", und dieses Wort betonte er, "hättest du von dir aus vorgeschlagen, dass du ihn heute Abend in seiner Wohnung besuchen wirst, um weiter in euren Erinnerungen zu schwelgen."
Sabine unterbrach ihn unwirsch: "Selbst wenn ich dir glauben würde, was ich nicht tue, dass Markus dir angekündigt hat, dass er mich verführen will, sage ich dir, dass dazu immer noch zwei gehören. Es enttäuscht mich, dass du glaubst, ich würde mit ihm wie eine läufige Katze in die Kiste springen, nur weil er mit den Fingern schnippt. Wofür hältst du mich eigentlich? Ich bin doch keine Schlampe!"
Wolfgang erwiderte: "Da bin ich anderer Meinung. Sag mir doch mal, warum ich erst heute Nachmittag und dann auch noch von Markus von eurer nächsten Verabredung erfahren habe und nicht zeitig von dir. Deine Ankündigung von vor einer halben Stunde, dass du auf dem Weg zu ihm bist, zählt nicht. Du hättest es mir nicht gesagt, wenn ich nicht angerufen hätte. Wolltest du mir kein Mitspracherecht zugestehen, deinen Ex-Lover, oder sollte ich genauer sagen, deinen Wieder-Lover zu sehen? Hattest du Angst, dass ich "Nein" zu einem Treffen mit Markus sagen würde?"
Sabine schaute auf ihre Füße und erwiderte nicht mehr ganz so kämpferisch: "Ich wollte es dir ja sagen, aber als ich dich deshalb heute gegen vier Uhr anrief, war dein Handy ausgeschaltet. Ich habe dann deine Sekretärin angerufen, aber sie sagte mir, dass du überraschend einen auswärtigen Termin hättest, und dabei nicht gestört werden willst. Du kannst dir ja bestätigen lassen, dass ich mit ihr telefoniert habe. Wo hast du dich denn herumgetrieben?"
Wolfgang grinste sarkastisch, als er sagte: "Ich habe mich nicht herumgetrieben, denn ich hatte das Ziel, Markus im Paradiso zu treffen. Er wollte mich sprechen, mit der Begründung, es würde um dich gehen. Und weißt du was? Ich habe mir von ihm anhören müssen, dass er mich zu einem Hahnrei machen möchte und dass du ihn auf diese Idee gebracht hast. Schließlich hast du ihm lang und breit erzählt, dass ich es im Bett nicht so und nicht so oft bringe, wie du es gerne hättest, und dass ich viel zu alt wäre, eine so junge und attraktive Frau wie dich halten zu können."
Sabine schaute ihn entgeistert an. "Nein, das stimmt so nicht", brachte sie nur stammelnd heraus, kommentierte aber ansonsten das Gehörte nicht weiter. Ein zaghaft gebildeter Gedanke, dass sie ihren Mann verraten haben könnte, entstand in ihrem Gehirn.
Nach einer kurzen Pause, in der Wolfgang vergeblich auf eine Richtigstellung durch seine Frau gewartet hatte, fuhr er dann fort: "Sabine, ich habe größte Probleme damit, dass du Markus noch einmal allein triffst. Wenn es stimmt, dass ihr nur über vergangene Zeiten reden möchtet und nicht den Austausch körperlicher Intimitäten sucht, dann wirst du doch sicher nichts dagegen haben, wenn ich zu eurem Treffen mitkomme. Ich höre mir gerne an, was ihr euch zu sagen habt, und vielleicht kann ich auch noch die eine oder andere Anekdote aus meiner Sicht beisteuern. Ist das eine Möglichkeit, die für dich akzeptabel wäre? Falls ja, kannst du ja Markus anrufen und ihn fragen, ob er auch damit einverstanden ist."
Wolfgang sah seine Frau erwartungsvoll an. Beide hielten den Augenkontakt aufrecht, aber Sabine schien noch keine finale Antwort auf die Frage ihres Mannes zu haben, wobei ein einfaches "Ja" oder "Nein" schon gereicht hätte. Allerdings hatte sie die möglichen Konsequenzen dieser beiden Antwortmöglichkeiten noch nicht abschließend durchdacht. Die weiter wachsende Erkenntnis von ihrem Verrat lähmte ihren Geist.
Als keine Antwort kam, seufzte Wolfgang, schüttelte den Kopf, stand auf, ergriff eine Hand seiner Frau und zog sie vom Sofa hoch. "Lass uns in den Flur gehen", befahl er mehr, als dass er sie darum bat. Sabine schaute ihn erstaunt an. Sie verstand nicht, was das nun sollte, wie sie so vieles, was in der letzten Stunde gesagt worden war, nicht verstanden hatte. Widerwillig folgte sie ihm, bis sie schließlich vor dem großen Spiegel standen. Sie schauten sich im Spiegelbild an. "Was siehst du?", fragte Wolfgang sie, den Blick nicht von ihrem Spiegelbild lassend. "Ich weiß nicht, was du meinst", wich Sabine nervös der Beantwortung seiner Frage aus.
Wolfgang erklärte es ihr in einem fast freundlichen Ton: "Na, schau dich doch mal an, mein Schatz. Du willst einen alten Freund besuchen, um dich mit ihm über eigentlich Belangloses zu unterhalten. Ich hätte gedacht, dazu reicht legere Kleidung, Jeans, Pulli und Sneakers. Wenn ich dich allerdings ansehe, dann sehe ich dich genau so gekleidet, wie du mich anlässlich unseres letzten Hochzeitstages überrascht hast. Verführerisch, sexy und exklusiv für mich. Meine Ehefrau, meine Femme fatal."
Jetzt wurde seine Stimme härter, als er sie anklagend fragte: "Warum kleidest du dich so für Markus?"
Ohne eine Antwort abzuwarten, erhob Wolfgang seine Stimme. "Warum hast du dich so aufreizend geschminkt und deine Finger- und Zehennägel in dem Rotton lackiert, der der Farbe deines Lippenstiftes entspricht? Welche Signale wolltest du ihm damit aussenden? Und welche Reaktion hättest du von ihm erwartet oder soll ich besser sagen erhofft? Bist du jetzt immer noch der Meinung, dass du keine Schlampe bist?"
Sabine schwieg. Wieder konnte oder wollte sie seine Fragen nicht beantworten. Sie starrte regungslos auf ihr Spiegelbild. Es dämmerte ihr, dass sie nicht erst seit gestern Nacht im Begriff gewesen war, ihre Ehe zu begraben. Ihr wurde übel. Sie schämte sich übers jede Maß hinaus. "So fühlt es sich also an, eine Schlampe zu sein", dachte sie.
Sie bekam nicht mit, dass Wolfgang sich umdrehte und wieder ins Wohnzimmer zurückging. Nach zehn Sekunden, die ihr wie eine Ewigkeit vorkamen, folgte sie ihm nach. Nachdem sie sich wieder auf ihre Plätze gesetzt hatten, fasste Wolfgang in einem sachlichen Ton seine Bedenken zusammen: "Sabine, welche Chancen habe ich gegen einen 16 Jahre jüngeren, gut aussehenden Mann, dem du deine und auch meine Seele offenbart hast und der früher auch noch dein Ex-Verlobter war? Ich würde dir glauben, wenn du mir sagen würdest, dass du heute Abend nicht mit dem expliziten Vorsatz, mit Markus Sex haben zu wollen, zu ihm gefahren wärst. Ich bin mir aber sicher, dass du im Laufe des Abends zumindest in Versuchung gekommen wärst, hätte er es darauf angelegt, dich zu verführen. Und er hätte es versucht, glaub mir. Er hat es mir gesagt!
Es gibt für mich nur drei Möglichkeiten, wie wir aus dieser Lage herauskommen. Die Erste ist, dass du nur in meiner Begleitung oder mit meiner ausdrücklichen und vorherigen Erlaubnis deinen Ex triffst. Außerhalb dieser Treffen gibt es keinerlei Austausch von Informationen zwischen euch, das heißt, ihr telefoniert nicht miteinander, ihr schreibt euch nicht oder kommuniziert anderweitig. Wenn das für dich akzeptabel ist, dann ruf ihn jetzt an und sage ihm, dass ich dich begleiten werde, und frage ihn auch, ob er damit ein Problem hätte. Natürlich wird er damit ein Problem haben. Dann musst du entscheiden, ob du seine Bedürfnisse über die meinen stellst, ob sein Wohlbefinden mehr zählt als das meine, oder ob du ausschließlich mir als deinem Ehemann den absoluten Respekt entgegenbringst.
Das bringt mich zur zweiten Möglichkeit. Diese ist aus meiner Sicht die zerstörendste für mich, zumindest anfänglich. Du entschließt dich, dein Date mit Markus nicht abzusagen und fährst in wenigen Minuten zu ihm hin. Dies würde das sofortige Ende unserer Ehe bedeuten, unabhängig davon, ob du heute Nacht mit ihm schläfst oder auch nicht. Sobald du unsere Haustür hinter dir geschlossen hast, werde ich meine Koffer packen. Aber glaube ja nicht, dass ich", und das nächste Wort betonte er stark, "dich verlassen werde. Nein, Sabine, in diesem Fall hast du mich verlassen und ich begebe mich dann nur auf die Suche nach einem neuen Leben.
Die dritte Möglichkeit, die ich präferiere, ist die, dass du gleich - in meinem Beisein - Markus anrufst und ihm mitteilst, dass ihr euch weder heute noch jemals zu einem späteren Zeitpunkt wieder treffen werdet und ihr den Kontakt zueinander vollständig abbrecht. Keinerlei Kommunikation. Auch keine Weihnachtsgrüße oder ähnliche Lappalien. Falls ihr euch zufällig über den Weg laufen solltet, wirst du ihn nicht grüßen und nicht anschauen, sondern an ihm - wie an jedem anderen wildfremden Mann - vorbeigehen.
Sabine, deine Bedenkzeit ist jetzt vorbei. Ich habe keine Lust mehr auf Spielchen. Triff deine Wahl. Ich hoffe inständig, du entscheidest dich für mich."
Mit dem letzten Satz verlor Wolfgang seine Körperspannung. Er sackte in seinem Sessel zusammen. Er hatte alles gegeben, was er intellektuell und moralisch aufbieten konnte, um seine Frau und seine Ehe zu retten. Mit wässrigen Augen sah er Sabine an und erwartete Ihre Antwort.
Sabine erwiderte seinen Blick. Sie sah einen Mann, der seine Karten ausgespielt hatte. Sie sah ihren Mann, ihren Ehemann, den Mann, den sie aus ganzem Herzen liebte und der sie liebte. Ihr wurde jetzt erst richtig bewusst, wie kurz sie davor stand, ihn für immer zu verlieren.
Ohne ein Wort zu sagen, erhob sie sich, ging in den Flur und holte ihr Handy. Es war bereits nach 19 Uhr. Sabine sah, dass Markus einige Male versucht hatte, sie telefonisch zu erreichen. Sie hatte ihr Telefon auf lautlos gestellt und deshalb nichts von seinen Versuchen, mit ihr Kontakt aufzunehmen, mitbekommen. Sie wählte Markus' Nummer, schaltete den Lautsprecher ein und legte ihr Telefon auf den Wohnzimmertisch. Markus nahm nach dem zweiten Freizeichen das Telefonat an. Statt einer Begrüßung fragte er sie gereizt: "Es ist bereits nach 19 Uhr! Gibt es einen Grund, warum du noch nicht da bist? Ich hoffe, du hast unser Date nicht vergessen."
Sabine antwortete sofort: "Markus, mein Mann hört mit. Ich will dir sagen, dass er für mich das Wertvollste und Wichtigste in meinem Leben ist. Ohne ihn bin ich nur eine seelenlose Hülle. Nur mit ihm bin ich und werde ich glücklich sein. Ich hätte fast den größten Fehler meines Lebens gemacht, ihn zu verlassen, um mich noch einmal auf dich mit deinem Machogehabe einzulassen. Er hat mir, wie es seine Art ist, logisch argumentierend, sachlich, fair, aber auch mit viel Liebe verdeutlicht, welche Möglichkeiten ich habe, meinen Kopf aus meinem Arsch zu ziehen, um meine Ehe zu retten. Er hat mich in meiner Meinungsfindung nicht manipuliert, so wie du es getan hast, sondern mir die freie Entscheidung überlassen.
Ich habe die aus meiner und auch aus seiner Sicht beste Option gewählt und hoffe, dass er mir verzeiht und wir diese Episode in unserem Leben, in der du unsere Wege gekreuzt hast, als lehrreiche Erfahrung für die Zukunft im Gedächtnis behalten können.
Markus, ich sage unser heutiges Treffen ab, und ich setze dich davon in Kenntnis, dass ich dich niemals mehr wiedersehen werde. Du hast mich nicht anzurufen oder anderweitig mit mir Kontakt aufzunehmen. Für mich bist du nur noch eine x-beliebige Person, die ich, wenn du mich stalken solltest, bei der Polizei anzeigen werde. Lösch meine Kontaktdaten aus deinem Telefon. Ich werde es mit deinen gleich tun und zusätzlich deine Rufnummer als unerwünschten Kontakt sperren. Das war es final mit uns beiden!"
Ohne Markus' Antwort abzuwarten oder sich förmlich zu verabschieden, beendete sie das Telefonat, sperrte anschließend seine Rufnummer und löschte seine Kontaktdaten. Erst dann schaute sie wieder ihren Mann an. Sie sah ihn lächelnd.
Schuldbewusst, aber voller hoffnungsvoller Erwartungen ging sie zu ihm hin und setzte sich auf seinen Schoß. Sie schlang ihre Arme um seinen Hals und flüsterte ihm leise ins Ohr: "Ich war so ein hirnloser, egoistischer Trottel. Bitte verzeih mir, was ich dir angetan habe. Für mich fühlte es sich immer so an, als ob ich nichts Falsches tun würde. Das war allerdings totaler Blödsinn. Erst du hast mir die Augen geöffnet und mir gezeigt, was auch für mich hätte von Anfang an offensichtlich sein müssen. Ich war kurz davor, alles zu verlieren, was mir am meisten bedeutet. Du allein hast unsere Ehe und mich gerettet. Dafür schulde ich dir so viel. Du bist mein Held. Ich liebe dich. Bitte verzeih mir." Dann küsste sie ihn leidenschaftlich auf den Mund. Nachdem sie den Kuss beendet hatten, offenbarte sie ihm ihre nächste Botschaft mit ihrer sexigsten Stimme: "Kannst du dich noch daran erinnern, wie wir unseren letzten Hochzeitstag gefeiert haben, junger Mann?" Wolfgang grinste sie wissend an. Statt einer verbalen Antwort stand er auf, hob seine Frau dabei wie ein Jüngling auf seinen Armen hoch und trug sie ins Schlafzimmer. Er dachte an Markus' Erklärungen, welche ihm bis dato unbekannte sexuelle Wünsche seiner Frau verraten hatten, und nahm sich vor, ein paar davon - auch zum eigenen Lustgewinn - am heutigen Abend zu erfüllen.
Ende
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