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Carmen und die Winterräder (fm:Romantisch, 5993 Wörter)

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Veröffentlicht: May 05 2023 Gesehen / Gelesen: 7855 / 6166 [78%] Bewertung Geschichte: 9.40 (134 Stimmen)
Carmen hatte mich mal übers Ohr gehauen. Nun taucht sie wieder auf, erinnert sich aber nicht an mich. Ich lese ihr Leviten und sie liest mein Seelenleben. Beim reinwaschen der Sünden kommt zu einem Showdown am Parksee unterm Mondlicht ...

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Carmen

Erst hatte ich sie natürlich nicht erkannt. Und bis ich erkannte, wer sie WIRKLICH war, dauerte es noch ein wenig länger. Ich fuhr gerade mit meinem Wagen nach Hause, das heißt, ich wollte es, aber da stand dieser Wagen. Ich musste hier nach rechts abbiegen, aber der Wagen blockierte die Hälfte der Einfahrt in die schmale Straße. Kein Durchkommen. Der Wagen stand da und die Motorhaube war geöffnet. Das musste wohl gerade erst passiert sein, denn die hübsche Frau stand vor dem Auto und es hatte sich noch kein helfender Mann dazugesellt. Im ureigensten Interesse stieg ich aus und ging hin. Da stand sie also! Was für ein Zufall! Oder war es kein Zufall? Die Haare hatte sie diesmal anders. Immer noch ganz lang, diesmal aber gelockt. Ihr Blick war eine Mischung aus Hoffnung und Verzweiflung. War es gespielt? "Na, will er nicht mehr?", fragte ich, und deutete auf den Motorblock. "Ganz plötzlich ging er aus. Verstehen sie was von ...? Ich kenne sie doch! Sie waren doch da auf dieser Präsentation des Projektes, Neubebauung Ecke Südring"? "Stimmt, nur leider kam ich zu spät. Auch mein Auto wollte nicht mehr, was aber an den 2 Millionen Autos davor lag". Sie schaute etwas erstaunt. "Man nennt es auch Stau". "Ach so", sagte sie, und strich sich das Haar nach hinten. Ich schaute auf ihren Hals, der nächste Blick ging auf die linke Hand, dann war ich mir sicher, wer vor mir stand. Ich ließ mir aber nichts anmerken.

Ich schaute mir jetzt den Motor an. Früher hatte ich oft an Autos herumgeschraubt, aber das war Jahrzehnte her. Hier war es der Klassiker. Die Verbindung zwischen Verteiler und Verteilerkappe sah etwas schräg aus. Ich zog den Stecker ab und steckte neu. "Probieren sie mal jetzt"! Sie stieg wieder ein und startete den Motor. Mit sanftem Brummen sprang er an. Sie sprang aus dem Auto. "Sie sind mein Retter ... ohhhh". Sie sah meine Hand. Staub und auch etwas Öl. "Moment", sagte sie, beugte sich ins Auto, kramte in ihrer Handtasche, und holte ein Taschentuch heraus. Ein schlichtes weißes aus Stoff und unbenutzt. Sie gab es mir. Ihr Punktestand stieg von -100 auf -99 Punkte. Ich hasse Papiertaschentücher. Nicht nur dass sie die Umwelt verschmutzen, man kann sie oft nur ein einziges mal benutzen und bei starkem Schneuzen zerfetzen sie sofort. Ich wischte meine Hand daran sauber. Soll ich sie jetzt testen? Ich steckte es in meine Tasche. "Ich wasche es, dann gebe ich es ihnen wieder. Sie wollten sich doch sowieso mit mir treffen, oder"? Sie schaute ein wenig perplex. "Wollte ich wirklich"! "Sehen sie, ich auch. Heute geht es aber nicht. So schnell ist meine Waschmaschine auch nicht. Morgen im Napoli? Mögen sie italienisches Essen"? "Dafür könnte ich sterben". "Passt 19 Uhr"? "Perfekt. Ich werde da sein". "Na dann, gute Fahrt"! "Ach ja". Sie setzte sich ins Auto und düste los.

Mir war klar, wer den Stecker gelockert hatte. Das war sie! Woher wusste sie, dass ich gleich um die Ecke kommen würde? War da ein Tracker an meinem Wagen? Oder hatte sie einen Helfer gehabt? Es kam leider immer wieder vor, dass versucht wurde, auf Entscheidungsträger Einfluss zu nehmen. Und ich war zwar nicht der Alleinige, aber zumindest ein wichtiger Entscheidungsträger. Der Baudezernent. Und ich wusste etwas, was sie nicht wusste. Dass die Entscheidung schon fallen würde, bevor das morgige Treffen war. Ihr fuhr den Wagen in meine Tiefgarage, ging hoch zur Wohnung, und holte einen Spiegel. Suchte gründlich die Unterseite der Karosserie ab. Keine Spur von einem Tracker. Dann musste es wohl ein Helfer gewesen sein. An einen Zufall glaubte ich nicht. Für das Taschentuch nahm ich den Wasserkocher, einen Geschirrspüler Tab, und goss das kochende Wasser in einen Behälter drauf, gleich zusammen mit einer Handvoll Küchenlappen. Die Waschmaschine zu benutzen wäre Verschwendung gewesen. Für die andere Wäsche würde 30 Grad reichen, fürs Taschentuch aber nicht. Nach kurzer Zeit war es wieder reinweiß. Ich trocknete es schnell mit einem Fön und bügelte es. Ich war zufrieden. Schließlich soll man ja seine Versprechungen einhalten.

Am anderen Tag war die Sitzung des Bauausschusses. Es stand schon ziemlich auf der Kippe, aber ich schaffte es, das von mir favorisierte Projekt durchzusetzen. Wenn er da gewesen wäre, hätte ich sicher den Kollegen Aggarwal umarmt, aber der hatte ja ganz andere Aufgaben. Ohne ihn hätte ich es sicher nicht geschafft. Froh gelaunt machte ich mich auf den Heimweg, duschte zu Hause, machte mich chic, düste mich ein, und ging los. Ich hatte legere Kleidung gewählt. Also noch ein wenig lockerer als sonst im Büro. Auch dort trug ich nur noch selten einen Anzug. Vorhin war eine dieser Ausnahmen gewesen. Pressetermin. Aber diese vermied ich, soweit es ging. Ich ging zu Fuß, so konnte ich was

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