Eine dominante Frau – zwei Perspektiven. (fm:Dominante Frau, 696 Wörter) [3/3] alle Teile anzeigen

Jetzt hat Judith ein Problem, denn die 3 Säulen einer gesunden Beziehung (Bewältigbarkeit, Verstehbarkeit, Sinnhaftigkeit) erfüllen sie nur ansatzweise, sie haben nur Intimität/Leidenschaft/animalisches Poppen. Aber: "Liebe besteht nicht darin, dass man einander anschaut, sondern dass man gemeinsam in dieselbe Richtung blickt"( Antoine de Saint-Exupery). Liebe entsteht nicht zufällig, sondern wird aktiv gefördert, indem man sich dem anderen öffnet, Signale wahrnimmt ("Reißverschlussprinzip der Liebe"), aber auch Freiraum lässt. Es geht darum, gemeinsam eine Vision zu entwickeln, sich gegenseitig zu unterstützen und sich immer wieder neu zu entdecken. Sie beginnt mit Verliebtsein. Dabei wird man mit Dopamin übergeschüttet, wenn die geliebte Person auftaucht. Das kann auch dazu führen, dass man sich abhängig fühlt, denn der Körper möchte mehr von diesem plötzlichen Anstieg des Glückshormons. Allerdings bei der Verliebtheit nimmt häufig der Serotoninhaushalt ab, das Hormon, das wichtig ist für langfristige Zufriedenheit. Bei wiederholter körperlicher Intimität wird dann das Peptidhormon Oxytocin ausgeschüttet, das es erleichtert, soziale Bindungen einzugehen. Dadurch wird aus Verliebtheit immer mehr echte Liebe. Wenn dann eine feste Bindung entstanden ist, nimmt die Dopaminausschüttung wieder ab, und dafür pendelt sich der Serotoninhaushalt ein. Ok, Oxytocinausschüttung hatten sie durch animalisches Poppen, was fehlte war gemeinsamer Alltag und das Gefühl, dass die Beziehung einen tieferen Sinn hat und man gemeinsame Träume und Ziele verfolgt, somit Bewältigbarkeit und Sinnhaftigkeit. Judiths Herausforderung bestand in der Erzeugung von selbstverständlicher, in die Zukunft gerichteter Gemeinsamkeit.

Als sie mit ihrer Analyse an dieser Stelle war, bemerkte sie einen Widerspruch: Innige Liebe und Dominanz Ebene 4, waren 2 sich ausschließende Pole. Wenn sie Jörg liebt, wirklich liebt, kann sie ihn nicht unterdrücken, ihn erniedrigen, ihm evt. Schmerzen zufügen, etc. etc. Sie könnten ggf. einen Machtaustausch als "Rollenspiel" vereinbaren, aber wäre DAS die Dominanz, die sie möchte? Die hatte sie ja z.Z. und sie war unzufrieden. Ok es ist bei ihr, genau wie bei Jörg, auch keine Liebe, höchstens Verliebtheit. Somit müsste sich Jörg so verlieben, dass sie das Objekt seiner stärksten Sehnsucht würde, mit der Konsequenz: Sie hat das Sagen - eine Female-led Relationship (FLR)! Diese weiblich geführte Beziehung, bei dem die Frau bestimmt, wie die Beziehung gestaltet wird, ist besonders "im Bett" sehr reizvoll. Allerdings gibt es auch hier wieder ein "aber": 1. FLR ist eine Art 24/7-Lebensstil - haben sie nicht - sie treffen sich nur zum bumsen. 2. FLR außerhalb des Sex, bedeutet sie hat die Führung. Jörg ist ihr auf fast allen Gebieten sehr stark überlegen, somit wäre die Durchsetzung ihres Führungsanspruchs dumm. 3. Ebene 4 im "Kink-Bereich" praktizieren sie schon: Jörg tut alles was sie will. Er befriedigt sie komplett, er kennt ihre Vorlieben, er weiß wie er sie hochbringt, er kennt alle Möglichkeiten sie zum Orgasmus zu bringen und praktiziert sie, er kennt jede noch so kleine Geste ihrer Geilheit, er ist ein Experte im erfüllen ihrer sexuellen Wünsche: Trotzdem ist sie irgendwie unzufrieden. 4. Sie könnte härtere Varianten im Kinkbereich fordern. Bleibt die Frage welche und würde Jörg sich fügen? 5. Es ist eher unrealistisch, dass sie in allen Bereichen die Führung übernimmt. DAS würde Jörg, so wie sie ihn einschätzt, nicht akzeptieren.

Somit bleibt als Fazit: FLR ist Aushandeln von Regeln in einer Gemeinsamkeit. Dazu ist das Vorhandensein einer Beziehung zwingend. In dieser Beziehung ist die Frau die dominante Partnerin und übernimmt die Führung in Bezug auf Entscheidungen, Kontrolle, Autorität und die sexuelle Dynamik, Männer sind in der devoten Rolle. Dabei sagt die Frau nicht einfach wo es lang geht, sondern es werden klare Regeln aufgestellt. Der Mann ist nicht bloßer Spielball, sondern hat ein Maß an Kontrolle, was er bereit ist zu tun oder nicht zu tun. Die Dynamik in einer Female-led Beziehung muss also einvernehmlich sein, sowie vereinbart und ausgehandelt werden. Diese Regeln gelten auch und vor allem in sexuellen Belangen. Das bedeutet für Judith: Sie muss mit Jörg reden, herausfinden welche Position sie in seinem Leben einnimmt, ob er eine gemeinsame Zukunft möchte und wie er sich diese Zukunft vorstellt. Als erste Maßnahme wird sie mehr Gemeinsamkeit herbeiführen. Sie wird Jörg zu mehr gemeinsamen Aktivitäten animieren, in der Hoffnung, das "mit ihr Zusammensein" ein willkommener, später unverzichtbarer, Bestandteil seines Lebens wird. Dann könnte das "Reißverschlusspinzip der Liebe" Bewältigbarkeit, Verstehbarkeit und Sinnhaftigkeit ihrer Verbindung erzeugen.