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Die Nachbarin (fm:1 auf 1, 4761 Wörter) [1/3] alle Teile anzeigen

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Veröffentlicht: Apr 20 2013 Gesehen / Gelesen: 49048 / 39326 [80%] Bewertung Teil: 9.25 (128 Stimmen)
Heute ist ein schöner sonniger Tag. Das macht ihn mutig. Heute spricht er seine neue Nachbarin, die mit den schönen Nylonbeinen, einfach an.

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Ab und zu begegnet man sich im Treppenhaus. Und immer trägt sie Strumpfhosen. Zumindest Nylon am Bein. Manchmal treffen sie sich am Briefkasten, er versucht, nicht auf ihre Beine zu glotzen, doch das misslingt ihm allzu oft. Irgendwann, als sie hintereinander die Treppe raufgehen, sagt sie: "Na, starren Sie mir wieder auf die Beine?" Und da die Sonne scheint und er gute Laune hat, antwortet er: "Natürlich. Was anderes kann ich leider nicht sehen." Und sie schüttelt den Kopf und macht "Tztztz."

Als sie oben ankommen, nickt er ihr zu, sie nickt zurück, er will gerade in seine Wohnung, da sagt sie noch: "Aber keine Bange, Sie haben da nicht viel verpasst. Zur Arbeit trage ich immer was drunter."

Er dreht sich noch einmal um: "Aha. Und wie sieht's privat aus?"

"Kommt drauf an, was ich so vorhabe. Aber vielleicht besuchen Sie mich später?"

Er nickt. "Ich kann mir gut vorstellen, dass wir dann das gleiche vorhaben." Sie zieht ihre Strumpfhose über dem Knie straff. "Wer weiß das schon? 19 Uhr, es gibt eine Kleinigkeit zu essen."

Da er gerne das letzte Wort hat, entgegnet er noch: "Schön. Ich habe großen Hunger. Ich bin förmlich ausgehungert. Ach... und um den Nachtisch müssen Sie sich nicht kümmern. Ich hab da schon eine Idee."

"Ich auch." Sie hat das letzte Wort. Für jetzt.

*

Sie schaut erschrocken auf die Uhr, als es klingelt. Verdammt, sie hat sich noch nicht einmal fertig umgezogen. "Es ist offen", ruft sie, "kommen Sie ruhig rein!" Sie selbst ist alles andere als ruhig. Sie steht in der Küche und brutzelt die in Speck gewickelten Prinzessbohnen und die Rosmarin-Erdäpfel in Butter an. "Schuhe können Sie anlassen, die Blumen bitte in die Vase auf dem Tisch."

Er betritt die Küche, rollt die verpackte Strumpfhose, die er anstelle von Blumen mitgebracht hat, zusammen und steckt sie in die leere Vase.

"Sie kommen zu früh", sagt sie, wischt sich die Hand in der Schürze ab und streckt sie ihm entgegen.

"Ich hatte Angst, unterwegs in einen Stau zu geraten, deshalb bin ich sicherheitshalber ein bisschen früher los. Wird nicht wieder vorkommen."

"Ach, ich find das nicht so schlimm", meint sie.

"Jetzt oder überhaupt?"

Sie schaut an sich herab. "Passen Sie bitte kurz auf die Bohnen auf? Dann zieh ich mich schnell um."

"Nein", sagt er. "Bitte bleiben Sie, wie Sie sind. Das ist wunderschön."

Sie trägt eine schwarze Strumpfhose, schwarze High Heels, ein schwarzes Shirt und eine knallrote Schürze mit der Aufschrift Erst das Fressen, dann die Moral - Brecht.

"Es gibt Steaks vom steirischen Weiderind." Sie wendet die Bohnen. "Mögen Sie Steaks?"

"Ich liebe Steaks." Er steht unsicher in der Küche und schaut sich um. Die Küche wirkt ein wenig chaotisch, obwohl seine Nachbarin gerade erst eingezogen ist. Keine geschlossenen Kästchen, sondern lauter offene Regale, gefüllt mit unendlich vielen Gläsern mit Kräutern und Gewürzen. Er zählt sieben Sorten Pfeffer, darunter so exotische wie Kubebenpfeffer und Lampong-Pfeffer. "Mögen Sie es gern scharf?"

"Manchmal. Manchmal aber auch zart, geborgen, witzig und langweilig vorm Fernseher. Wie möchten Sie Ihr Steak, Max?"

"Medium."

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