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Der dritte Versuch (fm:Romantisch, 25000 Wörter)

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Veröffentlicht: Jan 02 2022 Gesehen / Gelesen: 28777 / 26560 [92%] Bewertung Geschichte: 9.79 (678 Stimmen)
Martin Müller spielt den Paketboten für Pakete, die seine Namensvetterin im Haus bekommen soll. Dabei lernt er ihre Tochter und die Familie kennen ... aber eigentlich wollte er nie wieder eine Bindung eingehen.

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© Icke Dieser Text darf nur zum Eigengebrauch kopiert und nicht ohne die schriftliche Einwilligung des Autors anderweitig veröffentlicht werden. Zuwiderhandlungen ziehen strafrechtliche Verfolgung nach sich.

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Formulare, dich ich bereits 3000-fach hier rumliegen habe.

Ich stutze. Eingewickelt in Seidenpapier als Füllmasse sehe ich eine Porzellanfigur. "Wer zur Hölle ...", fange ich an, stoppe aber und schaue mir Lieferbeleg noch einmal an. Müller ist richtig, aber nicht "Martin", sondern "Karin Müller", gleiche Adresse. Fuck, das ist die nette Dame, die im obersten Stock lebt.

Mit dem Einzug habe ich mich allen Mietern vorgestellt. Ein paar haben mich verwirrt angeschaut, in der Stadt scheint das nicht so üblich zu sein, aber mir war das egal. Frau Müller dagegen hat mich gleich auf einen Kaffee eingeladen. Sie ist bereits in Rente und ich schätze sie auf Mitte/Ende 70. Wir haben eine schöne Stunde miteinander verbracht und unkten, dass die Post wahrscheinlich immer in die falschen Briefkästen eingeworfen wird oder nur noch bei mir landet, da der Fahrstuhl nur in den vierten Stock fährt, sie aber im fünften wohnt.

Ist genauso gekommen. Bei der Post ist das noch einfach. Alles, was falsch einsortiert ist, landet kurzerhand im richtigen Briefkasten, aber seit neuestem landen alle Pakete bei mir. Also wieder verschließen, und ab nach oben.

Ich klingle an der Tür. Frau Müller öffnet und ich überreiche ihr grinsend das Paket. Sie bittet mich herein und lädt mich auf einen Kaffee ein: "Für den Transport die anstrengenden Treppen hinauf", grinst sie mich an.

Wir sitzen zusammen und lachen uns über die entweder fehlende Kompetenz oder Motivation der Paketboten schlapp. Irgendwann meint sie grinsend: "Also, wenn wir schon so lustig sind, ich bin Karin. Geh doch mal an den Schrank hinter dir und hol mal den Grappa und zwei Gläser."

"Ich bin Markus", sage ich und grinse zurück. Ich hole also Gläser und eine Flasche mit dem geforderten Inhalt. Interessiert schaue ich auf die Flasche: Ich kenne die Marke nicht, aber der Grappa kommt aus der Toskana. Alles, was von dort kommt, muss gut sein. Die Toskana ist meine zweite Heimat.

Sie schenkt uns ein und wir prosten uns zu. Ein geiles Zeug. Ich frage, wo aus der Toskana der gute Stoff denn herkommt:

"Die Fattoria ist in der Nähe von Sienna. Ich war früher auch oft dort im Urlaub. Die letzten Jahre ist meine Tochter eher alleine mit der Familie unterwegs gewesen. Italien in den Sommerferien ist nichts für mich. Dieses Jahr muss ich aber etwas sparen, meine Tochter und ihr Mann haben sich getrennt und daher fehlt Motivation und Geld für den Urlaub." Ich antworte: "Das kenne ich. Dieses Jahr ist für mich auch Mist", und gieße uns beiden erneut ein, als sie mir ihr Glas reicht: "Aber wieso musst du sparen?"

"Ich will meine Tochter ein wenig unterstützen, weißt du? Es ist nicht einfach, zwei Kinder und Halbtagsstelle. Die war ok, solange Wolfgang, der Ex meiner Tochter, sein Gehalt mitgebracht hat, die Wohnung gehörte ihm. Jetzt muss sie Miete zahlen und der Unterhalt für die Kinder macht auch nicht reich."

"Die Armen ... Da bin ich mit meiner Zweckehe ja noch gut bedient gewesen", sage ich und fange an, ihr meine Geschichte zu erzählen.

Nach knapp zwei Stunden stellen wir fest, dass das mit dem 'sparsam sein' beim Grappa nicht wirklich geklappt hat, und ich stemme mich, relativ gut angeschickert, aus dem Stuhl: "Isch geh ins Bett", nuschle ich und verabschiede mich leicht schwankend. Karin bleibt im Stuhl sitzen und ich beuge mich herunter, um ihr einen Kuss auf die Wange zu geben.

Auf dem Weg zum Fahrstuhl, der heute irgendwie deutlich länger ist und auch das Geländer scheint nicht gerade zu sein, kommt mir eine Frau entgegen. In einem lichten Augenblick sage ich höflich: "Guten Tag", kämpfe mich dann weiter die Treppe herunter. Genau erkennen kann ich sie nicht, dafür fehlt mir die Aufnahmefähigkeit.

Am nächsten Morgen habe ich einen unendlichen Kater. Ich sitze in der ersten Telco und stelle für mich fest, das heute ein guter Tag zum Sterben ist. Ich habe eine Reihe interner Meetings und die Stunden zwischen 11 und 15 Uhr nutze ich nicht, um wie gestern noch angedacht, einen Bericht fertigzustellen, sondern schlafe am Schreibtisch nach. Gott sei Dank ist morgen Wochenende, denke ich bei mir, als ich die letzten zwei Termine runter spule. Ich muss dabei trotzdem immer wieder an den kleinen Umtrunk mit meiner Namensvetterin denken und ich überlege, wie ich mich dafür entschuldigen kann, mit Karin zusammen ihren Grappa fast vernichtet zu haben.

Samstag gehe ich am Nachmittag mit einer Flasche Wein wieder nach oben. Ich schelle, aber es öffnet keiner. Also gehe ich wieder nach unten. Der Ausfall am Donnerstag steckt mir immer noch in den Knochen. Ich, der sonst ein Glas Wein oder ein Bier trinkt, hat die letzten Monate deutlich zu tief ins Glas geschaut. Das hat zwar ein wenig Standfestigkeit gebracht, aber die Tage danach sind trotzdem die Hölle, und die habe ich die letzten Monate genug gehabt. Ich bin außerdem nicht mehr 18.

Ich komme gerade unten an, da kommt mir der Paketbote entgegen. Ich nehme das Paket an, wieder für Karin. Bevor ich etwas sagen kann, hat sich der Bote bereits wieder in Luft aufgelöst. Super. Da ich weiß, dass Karin gerade nicht im Hause ist, nehme ich das Paket mit rein und setze mich mit einem Wasser in den Garten.

Sonntagmorgen. Der Bäcker hat wieder diese fantastischen Kartoffelbrötchen. Also wird ausführlich gefrühstückt, die Pixies laufen leise mit. Anschließend räume ich den Keller auf. Das Paket habe ich völlig verdrängt.

Erst am Nachmittag, als ich im Arbeitszimmer nach einem Buch schaue, welches ich mir schon vor Wochen vorgenommen hatte zu lesen, sehe ich wieder Wein und Paket. Mist, denke ich und schnappe mir beides.

Ich stehe kurz darauf im fünften Stock und klingle an der Tür. Die Tür öffnet sich und anstelle von Katrin steht eine Frau, vermutlich ihre Tochter in der Tür und schaut mich fragend an: "Ja bitte." Ich halte das Paket und den Wein hoch: "Ich habe hier ein Paket für Frau Müller und eine Entschuldigung".

Sie schaut mich genauer an: "Sie sind der Kerl, der meine Mutter ...", sie stoppt und zerrt mich in die Wohnung. Ich habe Mühe, die Flasche nicht fallen zu lassen, und folge der Frau verdutzt. Mit den vollen Händen kann ich mich auch nicht wirklich wehren. Kurz darauf stehen wir vor einer verdutzten Karin und zwei Jungs, einer circa 10, der andere vermutlich rund um 15.

"Ihr beide geht kurz mal auf den Balkon", kommt eine Ansage, und die beiden Jungs verschwinden ohne ein weiteres Wort. Der Tonfall ist wohl bekannt und lässt keine Fehlinterpretation zu.

Ich schaue mir die Frau etwas genauer an. Definitiv die Tochter von Karin, etwas kleiner als ich, so um die 175cm, nicht schlank, aber auch kein überflüssiges Gramm am Körper, weibliche Kurven. Sie hat dunkles Haar mit blonden Strähnen und ein weiches Gesicht mit klaren, blauen Augen. Das T-Shirt verdeckt einen BH, in dem zwei Handvoll Brust gepusht werden. Schmale Lippen und ein Grübchen an der Stirn, was mich total anmacht.

"Fertig?", kommt es bissig. Fuck. Ich werde rot und schaue ihr in die Augen, mein Gesicht knallrot. Ich nicke und murmle eine Entschuldigung.

Karin und ich bekommen in den nächsten 20 Minuten eine Predigt vor dem Herrn: Das gute Zeug so wegzusaufen. Ob wir auch an unsere Gesundheit denken. Und warum mit mir, irgendeinem Nachbarn. Er mag ja nett sein, aber ... und überhaupt ... die Gesundheit ihrer Mutter ... und ob sie denn nicht ... denkt doch an Sandra ...

Ich will zwischendurch etwas erwidern, aber Karin schüttelt nur stumm den Kopf.

Irgendwann fängt die Tochter von Karin an zu weinen und stürmt aus dem Raum. Karin schaut mich traurig an: "Wir vorgestern bereits erzählt: Ihr Mann ist vor etwas mehr als einem Jahr mit seiner Sekretärin abgehauen. Gehalt weg, er zahlt zwar für die Kinder, aber leicht ist es trotzdem nicht." Mit einem leichten Lächeln auf den Lippen meint sie dann: "Du hast gerade ihren gesamten Frust abbekommen. Sei ihr nicht böse. Ansonsten vielen Dank für das Paket und den Wein. Vielleicht können wir den ja mal bei dir im Garten trinken. Ich kümmere mich aber erst einmal um meine Tochter."

Kapitel 2 - Der Grillabend

Die nächsten Wochen dümpeln so vor sich hin. Ich arbeite, versuche, meinen Frust nicht im Alkohol zu ertränken, gebe Unsummen für Musik aus. Ich lasse mich von einer Kollegin bei einem Seminar sogar abends zum Essen einladen. Das Ergebnis war zwar enttäuschend, aber das Essen war gut. Ich stehe einfach nicht auf One-Night-Stands, vor allem, wenn dann klar wird, dass sie eigentlich fest gebunden ist.

Da ich immer noch der innerhäusliche Kurier für die Pakete von Karin bin, sehe ich sie zwar häufiger, aber sie hat wohl von ihrer Tochter ein Kommunikationsverbot verhängt bekommen. Sie ist freundlich, aber bis auf ein paar nette Worte finden keine weiteren Gespräche statt.

Ende Juli wird es mir zu bunt und ich frage an einem Dienstagabend bei der Abgabe eines Paketes direkt, ob ich etwas falsch gemacht habe. Karin schüttelt den Kopf: "Nein, Martin. Eigentlich war es mir nur peinlich, was vor ein paar Wochen passiert ist. Ich dachte, dass du vielleicht nichts mehr von uns wissen möchtest." Ich schüttle den Kopf: "Ganz bestimmt nicht. Deine Tochter hatte ja in Teilen sogar recht. Ich war zwei Tage echt krank und habe nicht vor, das zu wiederholen. Es ist eher so, dass ich versuche, von dem Zeug die Finger zu lassen, damit ich nicht in ein Loch falle. Mir tut die Trennung immer noch weh."

Wir saßen noch eine Weile zusammen und tranken einen Kaffee. Karin erzählt von der Trennung ihrer Tochter Sabine und ihrem Mann Wolfgang. Er hat vor einem Monat - exakt nach dem Trennungsjahr - offiziell die Scheidung beantragt und Sabine ist entsprechend 'gut' drauf. Ihre Söhne sind tapfer und unterstützten ihre Mutter, aber die Stimmung ist gedämpft. Das Geld ist auch endlich.

Ich wollte gerade auf etwas antworten, da öffnet sich die Tür und Sabine, die Tochter von Karin, kommt mit den beiden Söhnen in die Wohnung. Sie schaut mich erst erstaunt, dann böse an, doch Karin stoppt die noch nicht angefangene Triade: "Sabine, das ist Martin, mein Namensvetter aus dem Erdgeschoss. Martin, meine Tochter Sabine und die beiden Engel, Carsten und Frank, manchmal mit einem B vor dem Engel."

Ich erhebe mich und gehe auf Sabine zu: "Guten Tag. Martin Müller, ich möchte mich noch einmal für die Aktion vor ein paar Wochen entschuldigen." Ich schaue an ihr vorbei: "Hallo ihr zwei."

Sie nicken mir zu und begrüßen ihre Oma. Ihre Tochter schaut mich erst an, schaut an mir vorbei und sieht keine Gläser neben den Kaffeetassen. Ich folge ihrem Blick und sie wird leicht rot: "Hallo, Sabine Bremer, die Tochter von Karin."

Wir schütteln uns die Hand. Ihr Handdruck ist fest und sie lächelt: "Ich war aber auch nicht wirklich nett zu Ihnen. Aber der Situation angemessen."

Ich zucke nur mit den Schultern: "Ist für mich erledigt", ich lächle sie dabei an und erneut fällt mir ihr schönes Gesicht mit den tollen Augen auf. Wenn ich mir Karin so anschaue, hoffe ich, dass Sabine ihre Gene übernommen hat, was das Aussehen im Alter angeht.

Und dieses Grübchen, wenn sie lächelt ...

"Macht ihr Tauziehen? Oder warum lasst ihr eure Hände nicht los."

Ich zucke herum und schaue Karin überrascht an. Die beiden Jungs sind verschwunden, vermutlich in einem anderen Zimmer oder auf dem Balkon. Sabine und ich reißen die Hände auseinander, als ob über ihnen ein Topf Lava ausgeschüttet wurde. "Entschuldigung", murmle ich und drehe mich zu Karin um: "Ich werde dann mal ..."

"Nix da, du hast deinen Kaffee noch nicht ausgetrunken und außerdem gibt es gleich Abendbrot. Ich würde dich gerne einladen. Du bist fast häufiger hier oben wie Sabine, verflixte Post."

Sabine schaut mich erstaunt an und ich berichte ihr, dass jedes Paket für Karin bei mir unten ankommt und ich dann meist abends vorbeikomme, um das Paket vorbeizubringen.

Eine halbe Stunde später sitzen wir gemeinsam am Tisch, ich gegenüber von Sabine und wir unterhalten uns über Gott und die Welt, lassen aber sensible Themen wie Beziehungen und Partner außen vor. Die Kinder sind mit ihrer Oma beschäftigt und erzählen aus der Schule.

Sabine und die Kinder sind mindestens einmal die Woche hier und essen gemeinsam mit Karin Abend und am Wochenende ist auch meist auch ein Tag Besuch bei Karin. Es daher nur etwas, da ihre Wohnung in Mitte ist. Wenn die Schule in drei Wochen wieder anfängt, dann werden die Besuche in der Woche auch abnehmen, da die beiden Kinder früh raus müssen.

Mit halbem Ohr höre ich der Diskussion der Kinder zu, als sie äußern, dass Grillen wieder einmal toll wäre. Sabine schaut auf einmal traurig und sagt ihrem Sohn: "Du weißt, dass das nicht geht, wir haben nicht das Geld und auf dem Balkon ist das nicht erlaubt, auch hier bei Oma nicht."

Bevor ich meinen Mund unter Kontrolle bekomme, sage ich: "Aber ihr könntet unten bei mir im Garten grillen." Die beiden Jungs springen sofort darauf an, Karin und Sabine schauen mich verwirrt an. Dann bekomme ich einen Tritt gegen das Schienbein, der ordentlich wehtut. "Herr Müller, das geht nicht. Wir kennen uns kaum und Sie können nicht einfach für uns Grillen. Außerdem", ihre Stimme wird leise, "wir können uns das diesen Monat tatsächlich nicht mehr leisten."

Karin schaut mich an: "Wäre das wirklich für dich ok?" Ich nicke und Karin meint daraufhin: "Ihr kommt zu Martin Grillen. Ich lade euch ein. Freitag?", die Frage geht wieder an mich: "Klar. Ich besorge Getränke. Was wollt ihr haben?" Ich schaue die vier an und packe Cola, Fanta auf die Einkaufsliste. Sowas habe ich sonst nicht. Sabine sagt nichts, die scheint völlig überfahren und Karin meint nur: "Wasser reicht uns."

Sabine schaut zwischen Karin und mir hin und her, dann meint sie nur: "Dann bin ich gerne eingeladen. So, kommt ihr beiden Rüpel, wir müssen langsam los. Ihr räumt den Tisch ab, ich muss noch mit Mama kurz reden." Ich schaue die beiden Frauen an: "Das ist dann mein Stichwort." Ich krame aus meinem Portemonnaie eine Visitenkarte: "Wenn ihr noch irgendwas braucht, meldet euch bitte. Ich besorge noch einen Grill. Der muss auf der Prioritätenliste etwas nach oben, passt aber."

Ich wünsche den vieren noch einen schönen Abend und gehe nach unten.

Freitagvormittag bekomme ich einen Anruf von einer unbekannten Nummer: "Müller?"

Karin ist am Telefon: "Auch Müller, Karin. Können wir vielleicht gemeinsam einkaufen gehen? Sabine muss heute länger arbeiten und daher komme ich nicht an Fleisch. Der Schlachter, zu dem ich möchte, ist ein Stück entfernt."

Wir verabreden uns für halb vier. Um halb sechs stehen wir wieder vorm Haus. Nachdem wir alles reingetragen haben, gratuliert mir Karin für die schöne Einrichtung. Dann richten wir den Tisch draußen her. Es sind knapp 27 Grad, daher wollen wir auf der Terrasse essen.

Um sechs klingelt es an der Tür und Sabine steht mit den beiden Kindern vor der Tür. Sabine hat eine Blume in der Hand und grinst süffisant: "Männer haben sowas normalerweise nicht. Ich tausche aber auch gerne gegen einen Kaktus, wenn Sie mit Blumen nicht umgehen können." Hinter mir kommt ein: "Du bist unmöglich, Kind."

Sabine hat heute ein Kleid an, Sommerfarben, total niedlich, die Haare auftoupiert und ein leichtes Make-up aufgelegt. Sie sieht total toll aus.

Ich bitte die drei herein und führe sie nach draußen.

Sie stehen erst einmal auf der Terrasse und Sabine sagt: "Schön haben Sie es hier. Nicht zu groß. Würde mir auch gefallen."

Ich bedanke mich und schaue Sabine lächelnd an: "Wollen wir nicht Du sagen, ich finde das Sie immer so formell und ich habe das Gefühl, auf der Arbeit zu sein. Außerdem hatten wir schon den ersten Streit."

Sie lacht auf und stimmt dann zu: "Aber es gibt keinen Grappa zum Anstoßen."

Ein paar Stunden später sind alle satt und wir unterhalten uns. Die beiden Jungs stromern durch die Wohnung und ich habe ihnen auch erklärt, wie sie den Fernseher nutzen können.

Plötzlich kommt Frank, der ältere der beiden zu mir: "Martin, darf ich dich mal was fragen?" Ich nicke und er fährt fort: "Du spielst Gitarre?" Er hat vermutlich mein "Musikzimmer" gefunden. Ich habe mehrere Jahre Gitarre gespielt - in einer kleinen Band - und später ein paar Kindern aus der Nachbarschaft ein wenig Unterricht gegeben. Also antworte ich: "Klar. Spielst du auch?" Er nickt, sagt dann aber: "Ich habe ein halbes Jahr Unterricht erhalten. Dann fand mein Erzeuger das Albern und jetzt geht es leider sowieso nicht mehr."

Ich nicke betrübt und Sabine zuckt bei dem Begriff 'Erzeuger' zusammen. Dann lächle ich: "Wenn deine Mutter nichts dagegen hat, können wir ja mal zusammen jammen. Ich habe eine Trainingsgitarre, die ich früher auch Schülern geliehen habe." Ich hoffe, diesmal die richtige Reihenfolge eingehalten zu haben. Erst die Mutter fragen. Diese schaut mich die ganze Zeit schon verblüfft an und im nächsten Augenblick fange ich beinahe an zu lachen, da Frank seine Mutter wie eine kleine Katze mit großen Augen ansieht: "Mama? Bitte."

"Schatz, du weißt, dass wir uns das nicht ...", fängt sie an und ich unterbreche sie grinsend: "Für Mitbewohner im Haus und direkte Angehörige ist das kostenlos. Wir regeln das schon unter uns." Sabine schaut mich schief an: "Wir was?" Sie bekommt einen roten Kopf und schaut ihre Mutter an: "Wir gehen! Sofort!"

Ich schaue die beiden perplex an und Karin schaut genauso verwirrt. Sie fährt ihre beiden Jungs an, in die Wertung zu kommen, und flieht dann fast aus der Wohnung, ohne sich zu bedanken. Karin und ich schauen uns an und wissen jetzt gerade auch nicht, was passiert ist.

Wir räumen noch auf und dann verabschiedet sich Karin und entschuldigt sich noch einmal: "Ich werde morgen mit Sabine sprechen, ich weiß echt nicht, was passiert ist."

Kapitel 3 - Das Frühstück

Samstag. Ausschlafen. Keiner stört.

Denkste! Das Telefon klingelt. Es klingelt erneut. Alter! Es ist halb neun. Wer ruft an. Auf der Firmennummer.

Verschlafen gehe ich dran: "Wer stört um diese Zeit am Wochenende. Wehe, es ist nicht wichtig. Michael, bist du das?"

Eine Frauenstimme: "Martin? Bist du das?" Karin. Mist. Vielleicht sollte ich einmal die Nummer mit Namen speichern. Dann bin ich zumindest höflicher.

"Ähh... entschuldige, ja klar, hier ist Martin. Ich hatte nur nicht um die Uhrzeit mit einem Anruf gerechnet. Was kann ich für dich tun?" Ich kann das Lächeln durch die Leitung 'sehen': "Ich habe gerade mit Sabine gesprochen. Die ist völlig aufgelöst. Sie hat gedacht, dass du Gefälligkeiten von ihr erwartest."

"Ich habe was gefordert?", frage ich, jetzt richtig wach: "Wann und wo habe ich das gesagt? Und warum rufst du an?"

"Weil ich hier eine heulende Tochter sitzen habe, die sich nicht traut, selbst anzurufen. Die drei standen gestern vor meiner Tür, der letzte Bus war weg." Ich seufze: "Das tut mir leid. Gib mir 30 Minuten, ich spreche gleich mit euch." Ich lege auf.

Ich springe unter die Dusche. Wann soll ich denn ... überlege ich bei Duschen und dann kommt die Erinnerung: die Sätze mit "Für Mitbewohner im Haus und direkte Angehörige ist das kostenlos. Wir regeln das schon unter uns." Das könnte man bei weiter Auslegung auch als übergriffig interpretieren. Dann muss man allerdings schon suchen. Ich vermute aber, dass Sabine durch die Trennung und die eingereichte Scheidung entsprechend sensibel ist. Ich bin ja auch noch im Tal der Tränen, also ... Fuck!

Aus der Dusche kommend, greife mir mein Handy und mache beinahe einen Stunt, da ich auf dem glatten Boden ausrutsche. Kurze Zeit später bin ich angezogen und sehe zivil aus.

Ich gehe schnell zum Bäcker und besorge Brötchen und Croissants. Kurz von dem Ablauf der 30 Minuten stehe ich oben an der Tür und klingle.

Frank macht die Tür auf und ist überrascht, als ich vor der Tür stehe. Er will schon nach hinten rufen, aber ich lege den Finger auf die Lippen. Wir gehen gemeinsam rein und ich höre Karin aus der Küche rufen: "Wer ist denn da, Frank."

Ich klopfe an die Küchentür und frage: "Hier hat jemand Gesprächsbedarf?"

Ich sehe jemanden mit Lichtgeschwindigkeit an mir vorbei ins Bad rennen, vermutlich Sabine, denn Karin lächelt mich an: "Guten Morgen Martin." Sie schaut auf die Tüte und greift zum Handy: "Carsten? Hast du die Brötchen schon gekauft? ... Nein? ... Gut, wir haben schon welche ... Na und, ein bisschen frische Luft ..." Sie grinst mich an: "Er scheint jetzt sauer zu sein. Ich hoffe, du hast Croissants dabei." Jetzt grinse ich: "Hauptsache, du hast Nutella." Wir waren uns einig und lachen auf.

Nach 15 Minuten ist der Kaffee fertig und eine einigermaßen aufgeräumte Sabine erscheint in der Küche. Die Kinder essen schon und ich schaue sie an: "Magst du Nutella?" Sie nickt verwirrt und ich nehme meinen Teller mit zwei Croissants, die ich bereits mit Nutella beschmiert habe, mit. Carsten und Frank schauen mich verwirrt an, anscheinend dachten sie, dass ich das für sie vorbereitet habe. In die andere Hand nehme ich meine Kaffeetasse und gehe in Richtung Balkon. Ich drehe mich um: "Kommst du. Ich möchte kurz mir dir reden." Karin grinst und drückt Sabine eine Kaffeetasse in die Hand.

Kurz darauf sitzen wir auf dem kleinen Balkon von Karin und Sabine schaut mich nervös an. Ich verstehe jetzt, warum Grillen hier keine Option ist. Auf dem Balkon stehen ein kleines Tischchen und zwei Stühle. Am Tisch kann man sich nur vorbeizwängen, und wenn einer am anderen vorbeigehen möchte, dann muss die zweite Person auch aufstehen. Alles ist von Holz umgeben, ein Grill wäre fahrlässig.

Ich schiebe ihr den Teller mit den Croissants hin, doch sie schüttelt den Kopf. Ich grinse: "Ich würde mich freuen, wenn wir gemeinsam frühstücken könnten und ich dir eine Geschichte erzählen kann. Vielleicht isst du doch auch etwas." Sie greift sich ein Croissant, beißt herzhaft ab und kaut. Mit vollem Mund nuschelt sie: "Zufrieden?", oder so. Ich fange laut an zu lachen, ein Teil des Nutellas hat sich auf Nase und Wange verteilt. Ich gehe rein und komme mit einem Taschentuch wieder, das mir Karin auf Anfrage gibt.

Sie schaut mich fast böse an, als ich ihr das Taschentuch reiche. Nachdem sie mit dem Tuch über ihren Mund gefahren ist, und draufschaut, lächelt sie wieder vorsichtig. Dann schaut sie auf das Croissant und fährt mit dem Taschentuch um den Mund: "Das hast du doch mit Absicht gemacht", grummelt sie, lächelt mich daher aber an: "Sauber?"

"Wenn noch etwas dazu kommt, soll ich dann das Taschentuch anfeuchten?" Sabine lacht auf und streckt mir die Zunge raus.

Als ich sehe, dass sie entspannter ist, erzähle ich ihr meine Situation, also dass meine letzte, langjährige Frau, mit einem Kollegen fremdgefickt hat. Im Augenblick denke ich an alles andere, aber nicht daran, von irgendjemanden Gefälligkeiten zu fordern und schon gar nicht daran, irgendeine Beziehung zu starten.

Den Abend gestern habe ich allerdings genossen, eröffne ich ihr und die Kinder und deren Quirligkeit haben mir sehr gefallen. So sei auch das Angebot zu verstehen: "Ich nehme da so viel Positives raus, ohne über Beziehung oder anderes nachzudenken, mehr will ich gar nicht. Und wenn sich Frank über Musikunterricht freut, dann freut mich das auch. Und wenn ihr bei mir grillt, dann ist das auch schön, ohne dass ich gleich mit Dir, auch wenn du sehr hübsch bist, in die Kiste muss. Da bin ich im Augenblick lieber alleine." Das war jetzt direkt, aber ich wollte kein Angebot machen, was ich nicht bedienen kann und möchte.

Sabine schaut mich lange an, will wohl etwas sagen, schweigt dann aber. Ich stehe auf und wir gehen wieder in die Wohnung und essen schweigend zu Ende.

Die nächsten Wochen ist Frank jeden Sonntagnachmittag bei mir aufgetaucht und wir haben mit der Gitarre geübt. Er ist ein sehr gelehriger Schüler und wir fangen auch an, ein paarmal wirklich zu jammen. Ansonsten kommen Karin, Sabine und die Kinder noch mehrfach zum Grillen, aber die Stimmung ist etwas angespannt, da Sabine und ich uns eher anschweigen.

Kapitel 4 - Meine Vergangenheit

In der ersten Oktoberwoche nehme ich mir, wie jedes Jahr, eine Woche Urlaub. Ich bin seit dem Tod meiner ersten Frau Melanie in dieser Zeit eine Woche in Köln und besuche ihre Eltern. Gemeinsam gehen wir an das Grab und erzählen, was wir das Jahr über erlebt haben. Diese Tradition habe ich selbst, nachdem ich Susanne, meine Ex, kennengelernt habe, fortgeführt. Sie war allerdings nie dabei.

Am Donnerstag informiere ich Karin während einer der üblichen Paketzustellungen. Da wir zwischenzeitlich ein wirklich freundschaftliches Verhältnis miteinander entwickelt haben, erzähle ich auch von Melanie, meiner ersten Frau.

Ich habe Melanie im Abitur kennengelernt und auf der Abschlussfeier haben wir das erste Mal miteinander geschlafen. Wir haben zusammen Informatik studiert und zwei Tage nach Überreichen der Diplomurkunde haben wir geheiratet. Melanie war zu diesem Zeitpunkt bereits im fünften Monat schwanger. Was wir alle nicht wussten: Im Rahmen ihrer Schwangerschaft hat sich eine Fischallergie verstärkt. Die Makrele war im wahrsten Sinne des Wortes tödlich lecker.

Karin schaut mich traurig an und legt ihre Hand auf meinen Arm: "Das ist schlimm", sagt sie nur und dann schauen wir lange aus dem Fenster.

Sie erzählt dann, dass vor ein paar Jahren Sabine und Wolfgang, den Ex-Mann von Sabine, auch ein Schicksalsschlag getroffen hat. Sie sind aber nicht so wie ich mit der Situation umgegangen. Das hat Gründe, aber Weihnachten ist in der Familie Bremer seit zehn Jahren nicht das fröhliche Fest, das es für die meisten anderen Menschen darstellt. Ich drücke Karins Arm und sie nickt dankbar. Mehr möchte sie wohl nicht erzählen, aber ich kann sie verstehen. Das ist vermutlich eher Sabines Geschichte, und Karin möchte hier nicht vorgreifen, ob Sabine das Wissen darüber überhaupt teilen möchte.

Am Samstagvormittag fahre ich mit dem Auto in Richtung Köln und verbringe ein paar Tage mit der Familie von Melanie. Es werden trotz des doch tragischen Grundes ein paar schöne Tage.

Die beiden, Marlis und Werner, freuen sich jedes Mal, wenn ich komme. Ich bin so eine Art Sohn für sie, meine Eltern sind Tod und auch die beiden haben sonst keine weiteren Verwandten.

Am Donnerstagabend sitze ich mit den beiden zusammen und wir genießen das schöne Wetter im Garten. "So entspannt habe ich Dich schon lange nicht mehr erlebt", fängt Werner, der Vater von Melanie, einen Gesprächsfaden an. Ich schaue ihn verwirrt an: "Warum? Bei euch bin ich immer entspannt."

"Nun ja", Marlis, die Frau von Werner schaut mich an, "die letzten Jahre war der Ablauf etwas anders: Die ersten drei Tage beschäftigen wir uns mit Melanie, dann sprichst du mindestens einen Tag über Susanne und dann fährst du irgendwann wieder." Bevor ich etwas sagen kann, fährt sie fort: "Bis auf die Mitteilung, dass ihr jetzt geschieden seid, hast du dieses Mal nichts von oder über Susanne erzählt. Du hast aber viel von dieser Sabine, ihrer Mutter und ihren Kindern gesprochen. Außerdem hast du seit Melanies Tod das erste Mal ein Musikinstrument in die Hand genommen."

Ich hole schon wieder aus, verstumme dann aber. Stimmt, alleine die Nennung des Namens von Sabine lässt mich lächeln. Na ja, sind halt irgendwie Freunde geworden. Und die Musik? Stimmt, nach Melanie habe ich zwar die Instrumente behalten, aber nie wieder genutzt. Ich fand, dass es Melanie gegenüber nicht fair gewesen wäre. Sie war die Keyboarderin in unserer kleinen Combo, die sich regelmäßig bei Melanies Eltern im Keller getroffen haben. Mit Frank habe ich dann, ohne darüber nachzudenken, sofort wieder angefangen zu spielen.

Nach einiger Zeit sage ich daher: "Nun ja, Susanne ist halt Vergangenheit und Sabine und ihre Familie sind nett und sie tun mir tatsächlich gut. Frank hat mich wieder der Musik nähergebracht und sie helfen mir, über Susanne hinwegzukommen. Ansonsten bin ich halt auch der Paketbote für Karin."

Werner und Marlis lächeln sich an, lassen das Thema aber ruhen. Ich habe das Gefühl, dass sie sich für mich freuen, dass ich nicht immer nur Frust ablade, sondern einfach mal etwas Schönes erlebe und darüber sprechen kann. Sie haben mir immer versteckte Hinweise gegeben, dass Susanne und ich vermutlich ein Problem haben, aber man weiß ja selbst immer alles am besten.

Am Freitag fahre ich vormittags mit guter Laune los zurück nach Berlin. Ich stelle fest, dass ich mich auf Berlin und die Familie mit dem gleichen Nachnamen freue.

Unterwegs klingelt das Telefon. Karin ist dran. Sie fragt, wann ich denn in Berlin ankomme. Mein Navi sagt irgendwas um 17 Uhr und Karin fragt dann, ob sie, Sabine und die Kinder vorbeikommen können, um mir meine eventuell vorhandene Traurigkeit auszutreiben. Ich will erst ablehnen, da ich normalerweise das Wochenende eher zum in mich gehen nutze, aber dann gebe ich mir einen Ruck. Ich stimme daher gerne zu, gebe aber zu bedenken, dass das Wetter nicht unbedingt zum Grillen einlädt. Karin meint, sie würden sich um das Essen kümmern und gegen sechs vorbeikommen.

Kapitel 5 - Abendessen

Wie abgesprochen, kommen die vier um sechs zu mir und bringen eine Reihe von Taschen mit. Ich mache große Augen. Karin grinst und sagt, ich solle mich mit den Kindern ins Arbeits- oder Musikzimmer verkrümeln und Männerkram machen, "Zocken oder so." Also setzt sich Carsten vor meinen Computer und zockt tatsächlich, während Frank und ich im Musikzimmer jammen. Irgendwann hört Frank auf zu spielen und schaut mich schief an. Ich hebe die Augenbrauen: "Ja?"

Er wird rot und schaut nach unten. Hmmm, denke ich und frage dann: "Was ist los?"

"Also ...", fängt er an und stockt dann. Ich schaue ihn fragend an und nicke ihm zu. "Also ... ich habe seit ein paar Wochen eine Freundin ... und ... also ..."

Es klopft an der Tür und eine Stimme sagt laut: "Essen ist fertig."

Ich kann die Erleichterung in Franks Gesicht sehen, dass er das Thema wieder fallenlassen kann. Er rennt fast an mir vorbei aus dem Raum und an Sabine vorbei in die Küche. Wir beide schauen uns fragend an und ich grinse: "Männerthemen." Sie zeigt mir einen Vogel und dreht sich um.

Es gibt Tapas. Karin hat schon oft darüber gesprochen, es einmal auszuprobieren, Tapas selbst zu machen, hatte aber nie den Anlass dafür gefunden. Es schmeckt hervorragend, auch die Kinder sind begeistert, obwohl sie wohl sonst eher die Nudeln- und Brot-Typen sind.

Nach dem Essen will ich einen Grappa ausgeben, Karin stimmt zu, doch Sabine lehnt mit einem komischen Blick ab. Ich muss an den Einlauf vor ein paar Monaten denken und stelle die Flasche nach dem ersten Glas für Karin und mich wieder in den Schrank.

Nach dem Essen setzen wir Erwachsenen uns in den Wohnbereich, während Frank und Carsten im Arbeitszimmer verschwinden, meine Playstation will bespielt werden. Wir drei dagegen unterhalten uns locker, Karin sitzt dabei auf einem der Sessel und Sabine und ich auf dem Sofa.

Karin fragt, ob ich über die letzten Tage sprechen möchte. Da Sabine die Geschichte noch nicht kennt, wiederhole ich noch einmal kurz meine Vergangenheit mit Melanie und erzähle dann auch, dass die Tage sehr schön waren. Ich erwähne auch, dass Werner und Marlis eine Art Ersatzfamilie für mich sind, da meine Eltern nicht mehr leben. Sabine hängt an meinen Lippen, Karin erzählte ja, dass sie in ihrer Familie auch einen Schicksalsschlag erlebt haben. Sie will aber nicht darüber reden, sondern spricht mit mir über Melanie, die Musik und andere Themen aus meiner Kindheit.

Ich werde wach, da etwas Schweres auf meiner Brust ist und ich das Gefühl habe, nicht richtig atmen zu können. Es ist dunkel und ruhig und ich bin alleine. Ich fasse in Richtung meiner Brust und erkenne, dass ich doch nicht so alleine bin. Auf meiner Brust liegt der Oberkörper von Sabine und ich fahre mit meiner Hand gerade über ihre feste Brust. Schnell nehme ich die Hand weg und schaue mich um. Wir sind alleine und auch aus dem Arbeitszimmer kommen keine Geräusche mehr. Ich vermute einmal, dass Karin die Kinder mit nach oben genommen hat. Ich erinnere mich, dass Sabine irgendwann einfach auf dem Sofa einschlafen ist und Karin nur meinte, dass heute ein extrem anstrengender Tag im Büro war, in dem Sabine halbtags arbeitet. Sie musste Überstunden machen und daher war es am Ende auch knapp, dass sie es überhaupt pünktlich geschafft haben.

Ich habe mich dann noch weiter mit Karin leise unterhalten und war ihr auch ein wenig böse: "Wir hätten den Termin doch auch an einem anderen Tag machen können." Karin schaut zu Sabine: "Ich hatte ihr ein wenig von Melanie erzählt und ich wollte eigentlich, dass sie erfährt, dass sie nicht die Einzige ist, die jemanden im Leben verloren hat. Lassen wir sie schlafen. Ich nehme sie dann mit nach oben." Anscheinend bin ich aber auch eingeschlafen und Karin hat uns schlafen lassen.

Ich richte mich vorsichtig auf und schiebe Sabine ein wenig von mir. Sie schläft wie ein Stein weiter und wacht dabei nicht auf.

"Scheiße!", flüstere ich leise, stehe auf und trinke etwas. Dann überlege ich, ob ich Sabine wecken, sie auf dem Sofa schlafen lassen, oder ob ich sie in mein Bett bringen soll. Auf dem Sofa sitzend ist definitiv keine Option, also bin ich einmal ganz Gentleman und trage sie ins Schlafzimmer. Der Tag muss wirklich die Hölle gewesen sein, sie wacht auch hierbei nicht auf. Ich lege sie auf das Bett und ziehe ihr die Schuhe aus. Den Rest lasse ich wohl besser an und decke sie nur zu.

Ich selbst lege ich auf das Sofa im Wohnzimmer und schlafe auch bald wieder ein.

Am Morgen werde ich von Kaffeeduft geweckt und schaue mich verwirrt um. Ich liege auf dem Sofa. Erst langsam kommen die Erinnerungen vom Vorabend und dass ich Sabine in mein Bett gelegt habe. Ich springe auf. Sabine dreht sich in der Küche um und lächelt mich an: "Kaffee?" Ich halte den Daumen hoch und wandere ins Bad, um zumindest ein wenig Wasser über meinen Körper laufen zu lassen. Die Fahrt war wohl doch anstrengender als gedacht und wir waren gestern Abend ja auch noch einige Zeit wach.

Nach ein paar Minuten komme ich etwas aufgeräumter aus dem Bad und schaue zu Sabine, die auf dem Sessel sitzt, auf dem gestern Abend Karin gesessen hat. "Guten Morgen und Entschuldigung, dass ich eben so kurz angebunden war. Ich war noch etwas verwirrt."

Sabine lächelt und zeigt auf das Sofa, vor dem auf dem Tisch eine Tasse mit dunklem Inhalt vor sich her dampft. Ich setze mich und atme den Geruch ein. Schwarz, wie ich ihn liebe. "Woher wusstest du ...", fange ich an, doch sie unterbricht mich: "Ich habe keine Milch und Zucker gefunden. War ein Versuch." Wir lachen beide und sie bedankt sich dann noch, dass ich sie habe schlafen lassen. Manchmal ist die Doppelbelastung, alleinerziehend und Job, einfach sehr viel und Karin kann auch nicht immer helfen. Trotzdem fand sie den Abend sehr schön und auch, wie ich mit meiner Vergangenheit umgehe. Sie wird bei diesen Sätzen traurig und ich frage: "Alles ok?"

Sie schüttelt den Kopf, schaut mich dann aber wieder lächelnd an: "Ist eine lange Geschickte für einen anderen Tag."

Wir räumen die Küche gemeinsam auf und sie schnappt sich dann die Sachen, um ihre beiden Söhne oben von Karin abzuholen.

Kapitel 6 - Das Männergespräch

Am Sonntag kommt Frank, wie jede Woche auch und greift zur Gitarre.

"Was wollen wir heute machen?", frage ich ihn und schaue ihn dann an: "Oder möchtest du über Freitagabend reden?"

Frank schaut mich lange an und legt dann die Gitarre wieder in den Ständer zurück. Ich stehe auf, gehe in die Küche und hole zwei Cola und setze mich ins Wohnzimmer. Er kommt zu mir und setzt sich neben mich: "Also, du hast seit ein paar Monaten eine Freundin", greife ich den Faden von vorgestern wieder auf.

Frank trinkt einen Schluck und schaut dann aus dem Fenster. Er ist knallrot im Gesicht. Irgendwann fängt er an, stotternd zu erzählen. Mit dem neuen Schuljahr ist eine neue Mitschülerin, bereits 18, in seine Klasse gekommen. Sie muss das Schuljahr wiederholen, da ihre Noten nicht die besten waren. Der Warnschuss ist wohl angekommen, meint Frank, da sich ihre Noten deutlich verbessert haben. Sie machen viel zusammen und helfen sich bei den Hausaufgaben. Nach vier Wochen haben ein paar Jungs, mit denen er rumhängt, gewettet, dass es Frank es nicht schafft, mit ihr bis Weihnachten im Bett zu landen.

Ich schaue ihn ernst an: "Das ist aber nicht die feine englische Art."

Er nickt betrübt und erzählt weiter. Durch die gemeinsamen Hausaufgabensitzungen sind sie sich nähergekommen und sind auch seit ein paar Wochen 'zusammen'. Sie hat ihn diese Woche angesprochen, dass er doch bitte Kondome kaufen soll.

Ich schaue ihn schief an: "Und was ist jetzt meine Aufgabe? Kondome gibt es in der Drogerie."

Er schweigt lange: "Ich ... ich will sie nicht enttäuschen, ich habe noch nie ... sie ist auch noch ... und für die Wette ..." Da sitzt jetzt ein 16-jähriger Junge vor mir und will einen väterlichen Rat. Ich schaue ihn perplex an. Er sieht meinen Blick und steht auf: "Wahr wohl doch nicht die beste Idee", meint er und geht Richtung Tür.

"Stopp!", sage ich relativ laut und dann: "Hinsetzen!"

Frank schaut mich erstaunt an und folgt aber meiner Anweisung. Nachdem er sich gesetzt hat, schaut er nach unten. Ich fange trotzdem an: "Du hast also gewettet, dass du mit ihr in der Kiste landest? Vor Weihnachten? Und du hast jetzt Skrupel? Sie ist noch Jungfrau? Und du hast auch nie?"

Ich sehe eine Träne seine Wange hinterlaufen und er nickt. Ich reiche ihm ein Taschentuch und schaue ihn ernst an: "Hast du mit deiner Mutter oder deinem Vater darüber gesprochen?"

Er schaut mich wild an: "Darüber, dass ich so ein Arschloch bin? Und mein Alter? Der fickt doch seit Jahren jedes Loch, was er finden kann."

Hups, falsches Thema, aber andererseits hat er verstanden, dass das falsch ist. Damit können wir doch arbeiten: "Pass mal auf: Ich kann dir nicht helfen, dein Problem mit der Erfahrung zu lösen. Das schaffst du, wie die meisten Menschen auch, vermutlich alleine. Ansonsten kann ich dir nur empfehlen, ehrlich zu sein. Es hilft nicht, deinem Mädchen etwas vorzumachen und sie zu etwas zu bringen, was auf falschen Voraussetzungen beruht. Erzähle es ihr, das ist meine Empfehlung."

Er schaut mich schief an: "Dann macht sie bestimmt mit mir Schluss."

"Kann sein, aber wenn ihr euch mögt, dann kann das zu einer Versöhnung führen, aber ihr, wenn ich dich richtig verstanden habe, die Jungfräulichkeit für eine Wette zu klauen, ist schlimm. Ich kann mir nicht vorstellen, dass du damit leben kannst. Und auch ich wäre echt sauer auf Dich, wenn Du das durchziehst."

Er sitzt jetzt lange da und schaut mich irgendwann an: "Irgendwie bin ich dann wie mein Alter, oder?"

Ich zucke mit den Achseln: "Weiß ich nicht, ich kenne ihn nicht. Aber vergleiche Dich nicht mit anderen, sei du selbst. Und egal, was du tust, verlieren tust du auf jeden Fall. Sie wird mit Sicherheit sauer auf dich sein, oder du verlierst eine Wette. Aber wenn sie dich wirklich mag, dann kann das sogar noch gut ausgehen, weil Du am Ende Größe bewiesen hast."

Plötzlich springt er auf und umarmt mich: "Danke, Martin." Er setzt sich sofort wieder und wir beide schauen etwas beschämt drein.

Er will schon gehen, da frage ich: "Was musst du eigentlich tun, wenn du die Wette verlierst?"

Er wird rot und antwortet nach einer Weile: "Die wollen 100€."

Ich schaue ihn schief an und reagiere etwas unwirsch: "100€, Du spinnst doch. Hast du so viel Geld?"

Er schüttelt traurig den Kopf: "Nein, ich hätte Mama oder Oma angepumpt und wohl mein Fahrrad vertickt."

"Du spinnst echt." Ich bin jetzt ein wenig sauer und denke sofort auch an meine Jugend zurück.

Ich denke kurz nach: "Ich schlage Dir jetzt etwas vor: Wenn Du das Geld wirklich abdrücken musst, dann helfe ich Dir. Mir tun die 100€ vermutlich nicht so weh wie euch. Aber", ich schaue ihn ernst an, "Du arbeitest das Geld bei mir ab. Wobei, das entscheiden wir gemeinsam. Du sprichst auch mit deiner Mutter darüber, bei der Menge an Geld hört der Spaß auf. Wenn Du Unterstützung brauchst, komme ich gerne mit. Das Gespräch mit deiner Freundin solltest du aber alleine führen."

Ich schaue ihn ernst an, sein Gesicht war wieder knallrot: "Ach ja, wieso bist du so eine bescheuerte Wette überhaupt eingegangen?"

Frank seufzt: "Ich weiß es nicht. Vielleicht war ich vorher alleine, in keiner Gang, wollte dazugehören. Mit Mama streite ich viel und Carsten hängt mir den ganzen Tag an den Hacken. Vorher war Papa da, wenn ich Hilfe brauchte, aber der Arsch ..."

Dann weinte Frank lange und ich seufzte innerlich. Trennungen mit Kindern sind immer scheiße, vor allem, wenn das vermeintliche Vorbild auf einmal nicht mehr da ist. Ich reichte ihm stumm ein Taschentuch und er schnäuzte seine Nase.

Kurz darauf verabschiedete er sich und bedankte sich auf noch einmal: "Danke Martin, das hat mir echt geholfen."

Ich gab ihm meine Handynummer mit dem Hinweis, dass er sich jederzeit bei mir melden könne.

Kapitel 7 - Die Schulden

Am Dienstag bekomme ich eine SMS von einer unbekannten Nummer. Es ist Frank. Ich weiß, dass er nur ein einfaches Handy und kein Smartphone hat, es fehlt das Geld.

Er hat heute Morgen mit seiner Freundin gesprochen. Sie hat ihm eine ordentliche Backpfeife verpasst und ihn abserviert. Das war ja zu erwarten und er würde aber noch mit seiner Mutter reden wollen. Ich beglückwünschte ihn zu seinem Mut, auch zu Fehlern zu stehen, und sagte ihm, dass er sich jederzeit bei mir melden kann, wenn ich helfen soll.

An diesem Abend und dem Rest der Woche höre ich nichts. Nur Karin, mit der ich mich seit kurzem jeden Donnerstag, auch wenn es keine Pakete gibt, treffe, erzählt mir, dass bei Bremers der Haussegen wohl etwas schief hängt und Frank Hausarrest 'bis zur Verlobung' hat. Sie wüsste auch nicht, was vorgefallen ist. Da kann ich zwar etwas aushelfen, gehe aber auch nicht ins Detail.

Am Sonnabend klingelt es nachmittags um drei bei mir. Sabine steht mit Frank vor der Tür. Ihr Gesicht ist rot und ich vermute einmal, dass Teile des Gesprächs zwischen Sohn und Mutter erst heute stattgefunden haben.

Als ich Frank anschaue, erschrecke ich. Entweder hat seine Freundin eine ordentliche Rechte oder einer der 'Freunde' war mit einer Reduktion der Wettschulden nicht einverstanden. Ich schaue ihn an: "Alles ok mit dem Auge?"

Er nickt vorsichtig: "Ich war gestern beim Arzt. Es wird ein paar Tage wehtun."

Sabine drängt an mir vorbei und setzt sich an den Tisch. Ich hole eine Flasche Wasser und eine Cola aus dem Kühlschrank. Aus dem Schrank hole ich drei Gläser und setze mich mit an den Tisch.

"Du hast also Frank erzählt, er soll seiner Freundin und mir reinen Wein einschenken. Dafür danke ich dir. Auch, dass du ihn gebeten hast, noch einmal mit den sogenannten Freunden zu reden. Das Ergebnis war nicht nur psychische Schmerzen. Das finde ich nicht gut, aber Frank", sie schaut ihn böse an, "wird es überleben."

Sie schaut mich wieder an: "Aber, dass du ihm Geld leihen möchtest, das geht zu weit. Zumindest das hättest du vorher mit mir besprechen müssen. Ich weiß, dass auch du weißt, dass wir gerade finanziell etwas eng sind, aber ich will nicht, dass du uns hier hilfst."

Ich schaue sie ernst an: "Warum nicht?"

"Weil ... weil ... das geht halt nicht." Sie schaut Frank an: "Kannst du bitte mal kurz nach oben zu Oma gehen? Ich würde das gerne hier unter vier Augen klären." Mit hängenden Schultern steht Frank auf und geht aus der Tür.

"Warum machst du das?", fragt sie mich sofort in einem scharfen Tonfall.

"Weil ich Frank helfen möchte." Sie will etwas sagen, aber ich hebe die Hand: "Moment, lass mich bitte ausreden, danach kannst du mich gerne niedermachen, wenn du der Meinung bist, dass ich etwas falsch gemacht habe."

Ich nehme einen Schluck Wasser: "Ich kenne diese Typen. Die suchen sich willige Opfer, meist Jungs oder Mädchen, die psychisch labil sind; und Frank durchläuft gerade eine Trennung der Eltern. Es sind erst 100€. Wenn er diese nicht bezahlen kann, werden es 150 oder Gefälligkeiten, zum Beispiel eine Aufforderung zum Klauen oder mal kurz irgendwem eine verpassen. Am Ende steht dein Sohn da und vertickt Drogen oder so."

Sie schaut mich an: "Du weißt, wovon du redest." Das war keine Frage.

Ich hebe mein T-Shirt an und zeige ihr zwei Narben an meinem Bauch: "Ich war auch mal jung. Und ich habe auch Fehler gemacht und dafür bezahlt. Ich würde gerne, dass Frank diese Erfahrung nicht machen muss."

Dann erzähle ich meinen 'Leidensweg'. Ich war schon immer eher der Einzelgänger und Nerd. Damit das passende Opfer in der Schule. Irgendwann sprachen mich ein paar ältere Jungs an. Sie versprachen mir, dazuzugehören, wenn ich dem hübschesten Mädchen in der Schule im Unterricht an die Brust fasse. Ich traute mich nicht und das waren die ersten 25 D-Mark schulden. Bei 100 Mark fing ich an, zu klauen. Irgendwann prügelte ich mich mit anderen. Bei einem missglückten Einbruch bekam ich meine 'Erinnerungen' und Jugendstrafe. Ich habe damals als Zeuge gegen die anderen ausgesagt und einer meiner Lehrer half mir, aus dem Sumpf herauszukommen. Mein Abi hatte ich erst mit 22 in der Tasche und erst dann wurde es besser, vor allem wegen Melanie.

Sabine hört die ganze Zeit gespannt zu und schweigt auch noch, als ich meine Geschichte beende. Ich atme tief durch: "Ich weiß, dass ich manchmal über das Ziel hinausschieße, aber Frank hat sich mir anvertraut, und ich habe genau die gleiche Geschichte erlebt. Der Betrag war damals ein anderer, aber das Ziel ist das Gleiche. Das Mädchen war nur der Köder. Dumm für die anderen, dass Frank mehr in ihr sieht, und ich hoffe, dass sie ihm vielleicht verzeiht. Das Problem mit der Wette aber bleibt und wir können nichts weiter tun, als ihm da rauszuhelfen. Ich werde mal schauen, was sonst noch so geht, aber als ersten Schritt brauchen wir 100€ sofort, du hast ja Franks Gesicht gesehen. Dann sehen wir weiter. Ich habe sehr wohl dabei bedacht, dass ihr das Geld vielleicht gerade nicht habt, aber das ist diesen Wichsern egal. Ob und wie er mir das Geld zurückgebt, sehen wir später. Ich denke an Rasenmähen oder so. Auf jeden Fall nichts Schlimmes, aber es wird bezahlt, damit er mitbekommt, dass auch bei mir nicht alles umsonst ist."

Ich schaue Sabine intensiv an: "Du oder Karin würdet ihm das Geld doch auch nicht einfach so geben, oder?"

"Bis eben hätte ich ihm überhaupt kein Geld gegeben. Zwischenzeitlich", sie schaut auf meinen Bauch, "sehe ich das aber auch ein wenig anders. Ich finde auch die Idee, das Geld abarbeiten zu lassen, als gerechte Strafe. Aber warum können wir nicht einfach zur Polizei gehen?"

"Mit was? Einer Geschichte? Gibt es etwas Schriftliches? In vier Wochen ist die Polizei nicht mehr aufmerksam und die Typen sind wieder da. Normalerweise gibt es dann eine kleine Maßnahme. Und ich sage dir, ein gebrochener Zeh tut fürchterlich weh."

Nach einer Weile schaut Sabine auf: "Und du hilfst uns einfach so?"

"Einfach so ..." Ich schweige und lehne mich zurück: "Ich mag euch. Ihr seid nett, ich finde es toll, wenn ihr hier seid, dann ist das nicht so leise ..." Jetzt schwieg ich lange und schaue aus dem Fenster.

Sabine sieht, dass ich in Gedanken versunken bin. Daher steht sie auf, kommt auf mich zu und gibt mir einen Kuss auf die Wange: "Dankeschön. Ich schicke dir Frank nach unten." Kurz darauf verlässt sie mich und ich starre weiter nach draußen.

Ich sitze weiter auf dem Stuhl und schaue raus. Ich habe ihr nicht alles erzählt, von den Drogen, von den Überfällen, auch dem Umgang mit den Mädchen.

Nach einer weiteren Stunde habe ich Frank die 100€ gegeben und wir haben eine Preisliste für die Wiedergutmachung erstellt. Einkaufen, Autowaschen, Gartenarbeiten und andere Tätigkeiten wurden erfasst und er versprach, jede Woche mindestens eine der Arbeiten auszuführen. Auch Sabine war mit der Liste einverstanden und ich fasste das Ganze in einer E-Mail zusammen.

Kapitel 8 - Betty

Am Montag ruft mich Frank an und erzählt mir, dass er den Typen erst einmal 60€, wie abgesprochen, gegeben hat. Er würde den Rest morgen übergeben. Das hatten wir so ausgemacht, damit die Gier nicht größer wird, als es notwendig ist.

Am Dienstag stehe ich am Ausgang der Schule von Frank und warte auf ihn. Als er die Schule verlässt, kommen drei ältere Jungs auf ihn zu, ergreifen ihn und wollen ihn mit Gewalt zu einem Auto zerren.

Ich trete vor und einem der drei direkt zwischen die Beine. Diskussionen helfen hier nicht, also fange ich damit gar nicht erst an.

Die beiden anderen zuckten zurück, ein weiterer Tritt in den Solarplexus einer der beiden beendet auch bei ihm jede weitere Aktion. Der Dritte rennt los, kann aber nur noch dem Wagen hinterherrennen, in dem vermutlich der Anführer dieser Halbstarken ist.

Kurz darauf kommt die Polizei, die ich vorsorglich gerufen hatte. Mit großer Freude können sie zwei der vier bekannten Drogendealer aus dem Kiez festnehmen. Die Taschen voller Drogen werden sie wohl etwas länger nicht mehr auf den Straßen von Berlin auftauchen. Die Polizisten versprechen der dazu geeilten Rektorin auch, in den nächsten Tagen eine Streife vor der Schule abzustellen, obwohl ich mir sicher bin, dass die so schnell nicht wiederkommen würden. Das Pflaster ist denen zu heiß. Nachdem ich meine Zeugenaussage gemacht habe, bringe ich Frank nach Hause und gehe wieder meinem 'normalen' Leben nach.

Sonntag kommt Frank eine Stunde früher, da er versprochen hat, als ersten Teil der Abzahlung meine Plattensammlung zu sortieren und später zu katalogisieren. Er staunt über die Menge an Platten und viele Titel kennt er gar nicht. Wir lassen daher die Gitarrenstunde ausfallen und stattdessen hört er in duzende Platten rein und bleibt interessanterweise bei Grunge und den alten Rock-Größen hängen. Es wird spät und um halb neun hören wir auf.

Es ist Ende November und ein ausgemachtes Scheißwetter. Daher biete ich Frank an, ihn nach Hause zu fahren. Er stimmt gerne zu und wir fahren mit meinem Wagen in Richtung Mitte.

"Hast du eigentlich wieder Kontakt zu deiner Freundin?", frage ich, da er das Thema von sich aus nicht angeschnitten hat.

Er lächelt mich an und erzählt: Die Aktion mit den Drogenfuzzies hat wohl Eindruck bei vielen hinterlassen und sie ist von ihren Freundinnen darauf hingewiesen worden. Am Freitag hat sie ihm eine SMS geschickt und gefragt, ob sie einmal reden können. Er will sie am Montag nach der Schule treffen und sie wollen einen Kaffee miteinander trinken.

Franks Telefon klingelt: "Ja ... bin unterwegs ... Entschuldige ... Martin fährt mich ... klar, ich frage ihn ... Tschüss."

Er dreht sich zu mir: "Das war Mama. Sie ist sauer, dass ich mich nicht gemeldet habe, dass ich später komme. Sie fragt, ob du noch auf einen Kaffee mit hochkommst."

Ich muss beinahe ob der Formulierung lachen, aber sage gerne zu. Dann verzieht sich mein Gesicht: Na toll, der nächste Einlauf.

Ich bin leicht schockiert, als ich die Wohnung der drei sehe. Eine Wohnküche, in der auch das Bett von Sabine steht, zwei kleine Zimmer für Carsten und Frank und ein kleines Bad. Die Unterhaltszahlungen und das Einkommen von Sabine scheinen echt nicht üppig. Ansonsten hat sie mit den vorhandenen Mitteln die Wohnung nett eingerichtet, wobei das meiste Geld offensichtlich für die Kinder investiert wird.

Wir sitzen bei einem Kaffee zusammen und Frank erzählt von seiner ersten "Arbeitsstunde". Sabine lächelt: "Endlich bekommt mein großer Einblick in gute Musik." Mit Freuden stelle ich fest, dass auch sie ein großer Fan von Grunge, Rock und Hard-Rock ist. Sie hat nur keine großen Möglichkeiten, diese Musik zu hören, da ihre Handys alle keine Apple- oder Android-Geräte mit entsprechenden Musik-Apps sind, und für eine Anlage auch schlicht das Geld fehlt. Sie hat im Keller einen Karton mit CDs, aber keinen Spieler.

Spontan lade ich die drei zu einer Musik-Session bei mir am Samstag ein: "Wir können dann abends noch Pizza bestellen."

Da Carsten und Frank Sabine doch arg bedrängen, sagt sie schließlich zu.

Am Donnerstag erzählt mir Karin, dass Sabine total aufgeregt ist, dass sie am Samstag wieder all ihre Lieblingsmusik hören kann. Im Gegenzug frage ich, ob Sabine einen kleinen CD-Player als Geschenk akzeptieren würde. Ich habe bei EBay entsprechende Geräte gesehen.

Wir einigen uns darauf, dass ich das Gerät kaufe und Karin den dreien das als Geschenk überreicht, da sie zur Familie gehört und es Sabine daher vermutlich einfacher fallen wird, das Geschenk zu akzeptieren.

Am Samstagmorgen bekomme ich eine SMS von Frank, ob es ok wäre, wenn anstelle von drei Personen vier bei mir auftauchen würden. Ich grinse und bitte auch Karin am Nachmittag dazu. Es gibt wohl eine Überraschung.

Um halb drei ist der Tisch gedeckt und Karin hat sogar einen Kuchen gebacken.

Pünktlich stehen Sabine, Carsten und Frank vor der Tür. Neben Frank steht ein junges, hübsches Mädchen. Frank stellt sie als Bettina oder Betty Franke vor.

Mir entgleisen kurz die Gesichtszüge und Karin schaut mich nervös an: "Alles ok?"

Ich atme tief durch und schaue dann in die Runde: "Alles ok, aber Bettina ist ein Name, der ein paar Erinnerungen ausgelöst hat."

Ich lasse alle rein und sie geben mir freundlich die Hand, von Sabine bekomme ich sogar ein Küsschen auf die Wange.

Betty ist eine kleine, nette junge Frau mit rotbraunen Haaren und grünen Augen. Sie hat jetzt schon mehr Oberweite als Sabine und ist ansonsten aber total schlank. Sie ist locker und höflich, erzählt aber, dass sie gerade im letzten Jahr an sich gearbeitet hat. Auch sie war dabei, auf die schiefe Bahn zu gelangen und sie vermutet, dass die Aktion mit Frank eine Rache war, da sie damals rechtzeitig die Notbremse gezogen hat.

Sabine schaut überrascht, dass ich Karin mit eingeladen habe, aber als ich vom Anruf von Frank erzähle, muss sie grinsen: "Ich hätte es genauso gemacht."

Den Nachmittag über hören wir eine Playlist von mir mit den bekanntesten Rock- und Hardrock-Stücken aus den 80ern und 90ern. Ich weiß jetzt auch, wie Frank Betty wieder an sich gebunden hat. Sie hat auf dem Unterarm den Smiley von Nirvana in die Haut tätowiert. Wir haben alle viel Spaß und auch Karin wippt bei dem einen oder anderen Lied mit den Füßen.

Am Abend bestelle ich für alle Pizza, und erst gegen 23 Uhr bringe ich die vier wieder in Richtung Heimat. Bei dem Wetter ist die Fahrt im Auto deutlich gemütlicher und auch Frank scheint die Nähe zu Betty deutlich zu gefallen.

Am Sonntag bin ich total überrascht, als um 15 Uhr nicht Frank alleine, sondern auch Betty mit dabei ist. Sie würde gerne helfen. Sie hat zwar etwas unwirsch reagiert, als Frank ihr von seiner Wette erzählt hat, aber sie hat seine Offenheit toll gefunden und auch meine Hilfe. Daher sitzen die beide knapp vier Stunden und tragen Plattennamen, Band und andere Informationen in einer Liste ein. Ich bestelle wieder Pizza und bringe die beiden abends nach Hause.

Ich bringe Frank nach oben und Betty kommt natürlich mit, sie wollte nicht alleine im Auto warten. Ich will noch ein paar Worte mit Sabine wechseln, da ich mir Gedanken über ein Weihnachtsgeschenk für Frank und Carsten gemacht habe, würde das aber gerne mit ihr diskutieren.

Als wir aus dem Fahrstuhl kommen, höre ich lautes Rufen und Streiten. Mit dabei Sabines Stimme. Frank wird wütend: "Mein Alter."

Kapitel 9 - Der Kieferbruch

Dieser steht in der Wohnungstür und beschimpft Sabine. Aus dem kurzen Wortschwall entnehme ich, dass er es leid ist, Unterhalt für die Söhne zu zahlen. Er will sie stattdessen einfach mitnehmen. Sowohl sie als auch Carsten widersprechen und auf einmal höre ich es Klatschen und Sabine schreit auf.

Ich drehe mich zu Frank um: "Ruf sofort die Polizei und den Notarzt." Ich spreche dann beide an: "Geht sofort eine Etage tiefer und wartet dort. Ich rufe euch gleich. Die beiden müssen das Kommende nicht unmittelbar live erleben.

Ich drehe mich zu dem Mann in der Tür und sage: "Das haben sie jetzt unter Zeugen getan. Das mit den Kindern dürfte schwer werden." Er erschrickt, dreht sich dann zu mir um, er kennt mich nicht und hält mich vermutlich für einen wildfremden Mann oder Hausbewohner.

Wolfgang ist ungefähr in meinem Alter - vielleicht etwas älter -, aber ein Baum von Mann. Vermutlich knapp 200 cm groß, breite Schultern, große Hände. Frank erzählte mal, dass er Monteur für große Maschinen ist. Er kommt langsam auf mich zu: "Was willst du Wicht denn von mir. Zeuge? Wenn ich mit dir fertig bin, bist du tot."

Na super, denke ich, als ich seinen nach Alkohol riechenden Atem wahrnehme. Ich hoffe, dass er Sabine nicht wirklich stark wehgetan hat, er hat sich nicht unter Kontrolle. Ich atme tief durch und stelle mich neutral ihm gegenüber.

Er schaut etwas verwirrt, dass ich so gar keine Reaktion zeige, aber dann siegen Frust und Alkohol und er geht auf mich zu und seine Faust fährt vor.

Jetzt zahlen sich die Jahre des Trainings aus. Ich trainiere seit dem Tod von Melanie verschiedenste Kampfsportarten, Kickboxen, Karate - dabei eher die Vollkontaktvariante - und auch Ju-Jutsu. Damals erst zur psychischen Stärkung, später, weil ich Spaß daran hatte, und Körper und Geist gefordert werden.

Ich lasse also Wolfgang an mir vorbeilaufen, und ich schlage, da ich echt sauer bin, dass er Sabine geschlagen hat, auf sein Handgelenk mit meiner Faust. Es knackt und er brüllt auf. Ich drehe mich hinter ihm her und trete von hinten in seine Kniekehle. Diesmal etwas sanfter. Ein gebrochenes Handgelenk heilt wieder, bei den Knien wird das schwerer. Er knickt ein und schreit wieder auf. Mit sanft war nicht gemeint, dass er das Knie heute noch benutzen kann, und ich grinse innerlich.

Ich rufe Frank und die beiden kommen die Treppe hoch: "Die kommen gleich." Dann rennen wir in die Wohnung. Carsten steht völlig aufgelöst vor seiner Mutter. Sabine liegt auf dem Boden. Die Augen sind geschlossen und ihre rechte Gesichtshälfte sieht fürchterlich aus. Aus Erfahrung weiß ich, dass hier mehr als die Haut getroffen ist. Ich drehe mich zu Frank um: "Hol ein kaltes nasses Tuch und nimm Carsten mit." Er rührt sich nicht und ich fahre ihn laut an: "Los!" Er erwacht aus seiner Starre und geht mit Carsten in die Küche. Britta folgt den beiden.

Ich untersuche zwischenzeitlich vorsichtig den Hals von Sabine und drehe sie dann in die stabile Seitenlage, mit der geschwollenen Gesichtshälfte nach unten, damit der Druck nach außen, nicht nach innen geht. Ich vermute, dass der Kiefer mindestens angebrochen ist.

Frank, der aus der Küche kommt, sagt, dass Carsten auf der Bank sitzt. Also bitte ich Frank, das kalte Tuch vorsichtig an die Wange von Sabine zu halten, dabei möglichst nur sanft Berühren und kein Streicheln. Sollte sich etwas verändern, dann soll ich rufen. Draußen schaue ich auf Wolfgang Bremer, der sich aber weiter vor Schmerzen krümmt und sich noch nicht fortbewegt hat. Er scheint erstmal K.O. zu sein.

In der Küche angekommen, lege ich Carsten, der offensichtlich einen Schock hat, auf den Boden und lege seine Füße nach oben. Dann bitte ich Britta, auf ihn zu achten. Sie ist auch blass, aber hält sich tapfer, genauso wie Frank. Das kommt erst später, aber jetzt hilft es ihnen erst einmal, beschäftigt zu sein. Ich fülle zwei Gläser mit Wasser und reiche eins Britta. Sie lächelt mich dankbar an.

Das andere Glas ist für Frank und ich stehe auf. Als ich damit in den Flur komme, sehe ich in die Waffenmündung einer jungen Polizistin.

Kurze Zeit später sind drei weitere Polizisten, einer davon in Zivil, im Raum und versuchen, die Situation zu erfassen. Ich bewege mich nicht, halte die Hände von mir gestreckt. Nur Frank schreit herum, dass ich nicht das Problem bin, sondern der Mann, sein Vater draußen.

Einer der Polizisten dreht sich um und geht draußen, dann hört man jemanden, vermutlich Wolfgang, schreien. Nach ein paar weiteren Sekunden gibt der Polizist in Zivil seiner Kollegin zu verstehen, dass sie die Waffe wegstecken soll, und er kommt auf mich zu: "Und sie sind?"

Ich stelle mich vor und erkläre auch, warum ich hier bin und was ich gemacht habe. Kurz darauf kommen zwei junge Männer und ein älterer Arzt in die Wohnung. Als Erstes schmeißt er die Polizisten raus, damit hier Platz ist. Er schaut sich fragend um und dann erkläre ich kurz, was passiert ist und dass in der Küche noch ein Kind mit Schock liegt.

Einer der Sanitäter springt auf und geht in die Küche. Ich gehe zu Frank und nehme ihn in den Arm. Er fängt an zu weinen.

Nachdem Sabine und Carsten - er nur zur Sicherheit - ins Krankenhaus gebracht werden, kommt der Polizist in zivil auf mich zu: "Polizeihauptkommissar Träumer. Können wir uns unterhalten?"

Ich schaue zu Frank, doch der klammert sich an mich. Britta steht neben ihm und streicht über seinen Kopf. Der Polizist nickt: "Ich muss auch noch mir euch beiden sprechen, dann können wir das zusammen machen."

"Kann ich vorher noch telefonieren?", frage ich: "Ich muss die Mutter von Sabine anrufen. Einer muss sich um die beiden kümmern. Ich nehme Frank gerne auch zu mir, bin aber kein Erziehungsberechtigter." Der Polizist schaut mich kurz an und dann fragend zu Frank. Der nickt und zückt sein altes Handy. Als sich Karin meldet und Frank anfangen will zu erzählen, nimmt der Polizist ihm das Handy aus der Hand und erzählt auf sehr diplomatische Art und Weise, was passiert ist. Er fragt dann auch, ob es ok ist, dass Frank bei mir bleibt. Die Antwort scheint ihn zu beruhigen. Er sagt ihr noch, dass er die Zeugenbefragung zu Ende führt, dann würden wir zu ihr kommen. Er legt auf und gibt Frank das Handy zurück.

Sofort klingelt mein Handy. Natürlich Karin. Ich schaue den Polizisten an: "Bitte sagen sie ihr, dass sie zurückrufen und bitte nichts Unbedachtes macht."

Ich spreche kurz mit Karin und sage ihr, dass ich mit Frank - ich schaue Britta kurz an, sie nickt - und Britta nachher vorbeikomme und wir sofort zusammen ins Krankenhaus fahren.

Dann erzähle ich Polizeihauptkommissar Träumer, er hat mir seine Karte gegeben, noch einmal genau, was passiert ist, nachdem Frank und ich aus dem Fahrstuhl gestiegen sind. Er hört zu, macht sich Notizen und bittet mich dann, morgen für das Protokoll auf das Revier zu kommen. Dann unterhält er sich noch mit Frank und Britta und bittet beide, morgen und übermorgen nicht zur Schule zu gehen. Aus Erfahrung bringt das nichts. Er würde sich auch um den Anruf beim Rektor kümmern.

Wir wollen uns schon auf den Weg machen, da klingelt das Telefon. Während des Gesprächs schaut mich interessiert an. Nach dem Anruf spricht er die beiden jungen Leute an: "Kann ich mit Herrn Müller kurz unter vier Augen reden? Ihr könnt dann gleich los."

Na super, jemand hat tiefer gegraben und die Geschichte von Dienstag ausgepackt, denke ich bei mir und er schaut mich schief an: "Sie waren doch Dienstag mit Frank Bremer in einen weiteren Vorfall verwickelt und sind auch dort - mit aus meiner Sicht angemessener Härte - gegen ein paar Drogendealer vorgegangen, richtig?"

Er seufzt: "Das erklärt ein paar Dinge, aber halten sie ihre Fäuste etwas im Zaum und schauen sie über ihre Schulter. Die Typen von Dienstag sind nicht ungefährlich. Ich glaube nicht, dass sie auf Frank zugehen, aber sie selbst sollten sich da nicht sehen lassen." Ich nicke erneut und er steht auf: "Kommen sie morgen gegen vier vorbei. Mein Kollege will auch noch kurz mit Ihnen reden." Er schaut aus der Tür: "Passen sie auf die Familie auf. Die brauchen jetzt jede Unterstützung, die sie bekommen können."

Damit lässt er mich stehen und ich bleibe in der Küche sitzen. Kurz darauf kommen Betty und Frank in den Raum: "Wollen wir?"

Wir packen ein paar Sachen und Betty hilft, auch darauf zu achten, dass Sabine im Krankenhaus alles hat. Ich schaue sie an: "Wenn ich das richtig sehe, kommst du mit? Genug Platz ist bei Karin und mir ja, aber was sagen deine Eltern?"

Sie schaut mich ernst an: "Meine Eltern sind weg und ich lebe im Heim. Ich bin 18, habe mich abgemeldet und als Kontaktadresse die von Franks Oma angegeben ..."

So langsam frage ich mich, wer hier in Berlin noch normal lebt, lasse aber keine Gefühlsregung sehen: "Dann musst du aber noch ein paar Klamotten mitbringen." Sie nickt.

Daher fahren wir noch kurz im Heim vorbei und holen ein paar Sachen ab.

Kapitel 10 - Der Abend auf dem Sofa

Auf der Fahrt nach Hause sitzen die beiden hinten und schweigen. Ich lasse leichte Musik laufen und bei Alive von Pearl Jam fängt Frank an zu zittern und kuschelt sich an Betty. Die streichelt ihm über den Kopf und auf meine unausgesprochene Frage, als ich in den Spiegel schaue, hebt sie den Daumen und sagt lautlos: "Geht schon."

Zuhause packen wir nur kurz aus und ich hole Karin. Dann machen wir uns direkt auf den Weg ins Krankenhaus.

Es ist bereits nach 11 Uhr abends, aber einen Anruf muss ich noch machen, also rufe ich aus dem Auto heraus meinen Chef an. Ich erkläre kurz die Lage und dass ich daher morgen nur teilweise am Arbeitsgeschehen teilnehme. Ich kann sein seufzen am Telefon hören: "Du bist bekloppt. Nur Morgen? Morgen und Dienstag kümmerst du dich erstmal um deine Freundin und die Familie. Ich kümmere mich um deine Termine hier. Morgen Nachmittag telefonieren wir noch mal."

"Das ist nicht meine ...", fange ich noch an, aber er hat bereits aufgelegt.

Karin, die die ganze Zeit nervös und betroffen dreinschaut, lächelt auf einmal und auch von hinten höre ich ein kichern. Betty lächelt mich im Spiegel an und kümmert sich dann wieder um ihren Freund. Ich schaue Karin böse an, doch die grinst nur: "Ich habe nichts gesagt."

Wir sind kurz darauf im Krankenhaus und gehen in Richtung Notaufnahme. Wir melden uns und die Schwester bringt uns in einen Raum, in dem wir Carsten schlafend vorfinden. Sie würde jetzt die Ärztin holen.

Ich gehe noch einmal aus dem Raum, um die Toilette zu suchen, und höre auf einmal eine bekannte Stimme erst schreien, dann stöhnen und danach nur noch wimmern. Wolfgang Bremer wird vermutlich gerade verarztet und eine barsche Stimme fährt ihn an: "Und? Tut das weh? Tut mir echt leid, aber ihre Ex-Frau hat auch Schmerzen. Wer immer das hier", ich höre wieder ein stöhnen, jemand hat vermutlich auf eine der beiden schmerzenden Stellen gedrückt, "gemacht hat, wusste, was er tat. Da haben Sie länger was davon, es bleiben aber vermutlich keine dauerhaften Schäden."

Auf dem Weg zurück kommt mir eine etwas ältere Ärztin entgegen und geht kurz vor mit in den Raum mit Carsten und seiner Familie.

Als ich den Raum betrete, schaut sich mich an: "Und sie sind?" Ich stelle mich kurz als Freund der Familie vor und Karin besteht darauf, dass ich hierbleibe.

Sie schaut mich genauer an: "Hatten sie die Idee mit dem kalten Tuch?" Ich nicke: "Erfahrung."

"Das war gut, denn so konnten wir direkt operieren und mussten nicht erst die Schwellung abklingen lassen." Sie schaut Karin an: "Wir operieren ihre Tochter gerade. Sie hat Glück gehabt. Der Kiefer ist nur angebrochen und sie hat zwar lockere Zähne, aber es sieht so aus, dass wir alle retten können. Das Jochbein ist aber gebrochen, das richten wir gerade."

Frank fängt wieder an, zu weinen, und Betty geht mit ihm vor die Tür.

Die Ärztin schaue den beiden hinterher und schaut dann zu Carsten: "Der junge Mann hier hat einen ordentlichen Schock. Wir lassen ihn schlafen und werden morgen früh auf Anraten der Polizei einen Kinderpsychologen kommen lassen, wenn das für Sie ok ist." Karin nickt sofort. "Haben sie sonst noch Fragen? Ihre Tochter und Freundin können sie morgen besuchen und falls sich etwas ändert, melden wir uns bei Ihnen."

Ich schaue zur Tür: "Was machen wir mit Frank?"

Sie lächelt mich an: "Ich glaube, dass bekommt die Freundin des jungen Manns alleine hin." Sie nimmt aber einen Schlüssel in die Hand und geht zu einem Arzneischrank. Dann gibt sie mir einen Blister mit Tabletten in die Hand: "Das ist ein schwaches Schlafmittel, das auch etwas entspannend wird. Bitte nur eine Tablette pro Tag. Hat der junge Mann morgen weiterhin Schockerscheinungen, dann kommen sie direkt hierher. Sie wissen, worauf Sie achten müssen?" Ich nicke und sie drückt mir den Blister in die Hand: "Zu treuen Händen."

Ich nicke und dann verlässt sie uns. Da wir Carsten schlafen lassen wollen, verlassen auch wir das Zimmer und dann auch das Krankenhaus. Die Operation von Sabine wird noch dauern und sie wird danach noch ein paar Stunden schlafen müssen. Wir sollen nicht vor dem Nachmittag wiederkommen.

Also fahren wir nach Hause. Frank klammert sich weiter an Betty, der das allerdings nichts auszumachen scheint und Karin schweigt die ganze Zeit, schaut nur ab und zu mir.

Zuhause nimmt Betty mich kurz zur Seite. Karin ist in der Küche und bereitet noch kurz etwas zu essen, Frank ist kurz auf Klo. "Darf ich mit Frank zusammen in einem Bett schlafen? Er scheint mich im Augenblick zu brauchen."

Ich schaue sie an: "Wieso fragst du mich?"

"Karin hat gemeint, dass du hier das Sagen hast, und außerdem hat mir Frank erzählt, dass du in vielen anderen Dingen auch eine klare und aus seiner Sicht vernünftige Ansicht hast."

Ich schaue zu Karin, die in der Küche so tut, als würde sie nichts hören. Als sie zu mir schaut, strecke ich ihr die Zunge raus. Schön aus der Affäre gezogen, denke ich mir. Sie grinst.

Dann schaue ich Betty wieder an: "Ich denke, ihr seid erwachsen genug und ich glaube an deine guten Absichten. Du hast heute viel für ihn getan, also gerne. Ich beziehe noch das Bett neu und dann könnt ihr in mein Schlafzimmer. Ich habe ansonsten auch noch Tabletten, halte aber nichts davon."

Ich gehe ins Schlafzimmer, um die Schlafgelegenheiten fertigzumachen. Karin schläft oben, also muss ich nur für mich ein paar Sachen ins Wohnzimmer tragen und - wie angekündigt - das Bett neu beziehen. Betty hilft mir dabei.

Nach einem stummen Abendbrot verabschiedet sich Karin und verspricht, morgen früh mit Brötchen vorbeizukommen.

Betty zieht Frank, der im Augenblick nur noch lethargisch zu sein scheint, ins Schlafzimmer, wünscht mir "Gute Nacht" und dann sitze ich im Wohnzimmer alleine. Es ist halb zwei morgens. Der Tag war die Hölle. Auch ich fange an, zu zittern, und das fehlende Adrenalin führt auch bei mir zu einer Art Schock. Auch, dass meine Vergangenheit mich wieder einholt, macht es mir nicht leichter, alles zu verarbeiten.

Ich hole mir noch einen Whisky und setze mich aufs Sofa. Dann denke ich eine ganze Weile über mich, Sabine und die ganze Familie Müller/Bremer nach. Nicht nur der Spruch meines Chefs vorhin hat mir zu denken gegeben.

Am nächsten Morgen wache ich auf, weil mich jemand an der Schulter leicht rüttelt. Ich mache die Augen auf und blicke in Bettys Gesicht, die besorgt vor mir steht: "Alles gut?", fragt sie und fährt dann fort: "Ich habe dich nicht wachbekommen. Es klingelt an der Tür."

Nach einem Augenblick werde ich weiter wach und höre jetzt auch das Klingeln. Ich wanke noch etwas, nicht von dem kleinen Glas Whisky, sondern weil ich kaum geschlafen habe, und gehe zur Tür. Karin steht davor und klingelt erneut. Ich schaue auf die Uhr an der Wand: halb sieben.

Ich öffne die Tür und grummle: "Fürs Frühstück zu früh, oder?"

Sie schubst mich zur Seite: "Keiner geht ans Telefon, Mensch! Sabine ist wach und will uns sehen."

Sie rennt in Richtung Küche und ich schaue ihr verwirrt hinterher. Erst langsam kommen die Gehirnwindungen in Wallung und ich schaue Betty an: "Im Schlafzimmer ist ein eigenes Bad. Ich nehme das Gästebad. Frühstück in 15 Minuten. Krieg Frank wach. Ich denke, es hilft, wenn er den Grund erfährt."

Es dauert tatsächlich 20 Minuten, bis wir am Tisch sitzen und ich den ersten Schluck Kaffee genießen kann. Frank wirkt heute Morgen deutlich aufgeräumter und lächelt sogar.

Während des Frühstücks schaut Karin erst auf die Spüle, auf der mein Glas von gestern Abend steht und dann mich ernst an. Ich antworte auf die unausgesprochene Frage in ihrem Blick: "Es war ein Glas. Ich konnte nicht einschlafen. Ansonsten hätte ich eine von den Tabletten nehmen müssen, das wäre nicht besser gewesen."

So langsam mache ich mir sorgen. Vor ein paar Monaten - ist das tatsächlich schon so lange her? - der Anranzer von Sabine, und bei jedem Glas Alkohol ein fragender Blick aller Teilnehmer. Irgendjemand hat in der Vergangenheit damit ein Problem gehabt. Kein Thema für jetzt. Kommt aber auf die Liste.

Kapitel 11 - Der Besuch

Wir fahren nach dem Frühstück noch einmal in Sabines Wohnung und holen noch ein paar Sachen, die Fehlen, unter anderem das Ladekabel für Franks Handy. Karin verschwindet auch kurz im Bad und kommt mit einer Schachtel Tampons zurück. Ich werde leicht rot und Betty murmelt: "Mist, daran habe ich gestern nicht gedacht."

Ich schaue sie an: "Möchtest Du mitkommen oder nach Hause?"

Sie schaut Frank an. Er antwortet für sie: "Mitkommen, bitte." Ich lächle und auch Karin grinst. War ja klar.

Um kurz nach halb neun betreten wir ein Zimmer in der Chirurgie. Sabine liegt in einem Bett und hat die Augen geschlossen. Die Seite, die den Schlag abbekommen hat, fängt jetzt schon an, verschiedene Farben anzunehmen. Auf dem Jochbein ist ein Pflaster, vermutlich ist sie dort operiert worden. Vor ihr auf einem Stuhl sitzt Carsten. Er hat seinen Kopf auf ihr Bett gelegt, auch schlafend.

Wir wollen den Raum schon wieder leise verlassen, da macht Sabine die Augen auf und winkt uns zu ihr. Betty und ich halten uns etwas im Hintergrund, aber sie winkt uns mit dazu und dann drückt sie uns alle, auch Betty und mich.

Ich weiß nicht, was sie Betty ins Ohr flüstert, aber diese wird knallrot und nickt dann aber lächelnd. Als ich zu Sabine trete, zieht sie mich zu sich und sagt leise: "Dankeschön." Dann streicht sie mit ihrer Hand über meine Wange und uns laufen Tränen aus den Augen.

Ich halte ihre Hand in meiner und wir schauen uns lange an. Karin räuspert sich, auch mit feuchten Augen: "Kommt Kinder, wir schauen mal, ob wir eine Vase für die Blumen finden, die Martin gekauft hat." Auch Betty scheint die Situation erkannt zu haben und schiebt Frank und Carsten, der zwischenzeitlich wieder wach ist, vor sich her aus dem Raum.

Wir sitzen auf einmal alleine und schweigen uns laut an. Ich halte immer noch ihre Hand.

"Ich sehe schlimm aus, oder?", sagt sie leise und ich sehe, dass ihr jedes Wort schwerfällt. Der Kiefer braucht sicher ein paar Tage Ruhe. "Du siehst fantastisch aus", grinse ich sie an und meine dann, "auf der einen Seite etwas bunt, aber man kann ja nicht alles haben."

Sie zeigt mir den Mittelfinger und grinst kurz, bis sich ihre Lippen wieder vor Schmerz verzerren. Dabei entsteht ein Grübchen auf ihrer Stirn, was ich auch schon gesehen habe, wenn sie lächelt. Ich liebe dieses Grübchen.

"Du bist süß", meint sie leise.

Fuck, denke ich: "Habe ich das eben laut gesagt?"

Sie lächelt wieder und ich atme tief durch: "Du weißt, dass ich dich liebe, oder?" Ich habe nicht ohne Grund die ganze Nacht wachgelegen.

Sie nickt, lächelt erneut und erträgt die Schmerzen dabei. Es scheint ihr wichtig: "Ich dich auch."

Sie schließt die Augen und schläft wieder ein. Es muss sie alles fürchterlich anstrengen und die Schmerzmittel scheinen nur einen Teil der Schmerzen wegzunehmen. Mir laufen wieder die Tränen und ich halte ihre Hand lange und bekomme nicht einmal mit, dass die anderen wieder ins Zimmer kommen.

Erst als Karin mir vorsichtig die Hand von Sabine aus meiner nimmt, drehe ich mich um und schaue sie an.

Sie lächelt: "Ich weiß Bescheid", sagt sie nur und gibt mir einen Kuss auf die Stirn.

Wir unterhalten uns leise und irgendwie wissen mal wieder alle mehr als ich. Auch Frank und Carsten erzählen, dass wir wohl unbewusst immer nur von dem anderen gesprochen haben. Ich werde leicht rot und dann schaue ich Betty an. Sie schaut traurig: "Ich wusste bis vorhin nichts Konkretes, so oft haben wir uns nicht gesehen, aber wie du mit Frank umgegangen bist, so stelle ich mir einen richtigen Vater vor und Sabine scheint dein Verhalten ihm gegenüber zu akzeptieren." Frank gibt ihr einen Kuss und umarmt sie. Sie kuschelt sich an ihn.

Ich wende mich wieder Sabine zu. Sie ist fest eingeschlafen. Ich lege meine Hand auf ihre und schaue sie traurig an. Was muss diese Familie alles ertragen. Es ist kurz vor Weihnachten.

Ich schaue zu Karin: "Hast du einen Führerschein?"

Sie nickt: "Kannst du mit den Kindern zu mir fahren?" Ich schaue alle an: "Ihr bleibt erst einmal bei mir. Ich vermute, wir müssen noch ein paar Dinge auch mit dem Jugendamt klären und ein paar Möbel organisieren, aber das kriegen wir hin." Dann schaue ich zu Betty: "Du bist erwachsen, Du musst das selbst entscheiden. Aber ich würde dich und auch Frank bitten, die Schule auch in der jetzigen Situation nicht zu stark schleifen zu lassen. Wie wir das Ausgestalten, können wir aber morgen zuhause bei mir diskutieren."

Beide schauen mich ob der Ansage ernst an und nicken dann.

Ich schaue zu Carsten: "Und du? Willst du auch in die Schule? Weihnachtsferien sind in vier Wochen. Das ist noch etwas hin."

Er schaut zu mir und zu seiner Mutter: "Darf ich hierbleiben?"

"Klar. Wir besprechen des mit deiner Mama. Frank und Betty holen ein paar Sachen auch für dich aus eurer Wohnung, oder?" Beide nicken.

Kurz darauf sind die drei verschwunden und ich bleibe mit Carsten alleine.

"Kannst du kurz auf deine Mama aufpassen? Ich muss mit meinem Chef telefonieren. Ich bin auch gleich wieder da." Er nickt und setzt sich wieder auf den Stuhl zu seiner Mutter und nimmt ihre Hand.

Ich gehe raus und rufe meinen Chef an. Der nimmt sofort ab: "Wie geht es der Frau?", fragt dieser, ohne guten Morgen zu sagen.

"Geht so", antworte ich. "Ich bin gerade irgendwie der Vormund über zwei Kinder zusammen mit der Großmutter geworden. Die Freundin des Älteren der beiden hilft mit, aber irgendwie ist das alles ordentlich Trubel."

"Willkommen in der Welt der Erziehung. Was kann ich für dich tun?"

"Erst einmal Danke. Ich würde gerne die nächsten Tage etwas flexibel arbeiten und keine Reisen durchführen. Ich muss mich um Sabine kümmern und die Kinder wollen auch betreut werden. Ihre Mutter ist nicht mehr die jüngste."

"Sabine also heißt die Dame, die dir den Kopf verdreht hat und alle bei uns ruhiger arbeiten lässt?"

Ich horche auf: "Wieso?"

"Seit mehreren Wochen bist du deutlich entspannter und ausgeglichener. Das habe ich von deinen Kollegen und heute Morgen auch vom Kunden X gehört. Ich habe deinen Termin übernommen."

"Danke. Zwei Bitten habe ich noch. Zum einen würde ich meinen Firmenwagen auch von der Mutter von Sabine fahren lassen wollen. Karin Müller. Adresse wie meine. Ansonsten würde ich gerne noch einmal das Thema Assistenz für mich diskutieren. Du weißt, dass ich immer dagegen war, aber ich habe vor, mein Leben etwas umzugestalten. Es ist sowieso gerade Budgetphase, daher wäre es super, das für nächstes Jahr mit einzuplanen."

"Und du hast schon jemanden im Blick?", fragt er und ich kann das Grinsen förmlich hören. "Nein, nicht Sabine, oder beziehungsweise ich weiß es nicht, aber ich würde gerne unter die 50 Stunden pro Woche kommen und nicht über 60, wie zurzeit. Es wird auch keine Vollzeitstelle, aber Hilfe wäre super."

"Bekommen wir hin, hatten wir ja schon mehrfach angesprochen. Eins von meiner Seite noch."

"Ja?", frage ich gepresst.

"Du weißt, dass du noch knapp 30 Tage Urlaub hast?"

Ich grummle ein unfreundliches "Ja" ins Telefon.

"Ich habe deinen Urlaubsantrag verstanden und genehmigt. Mit deinen Kunden habe ich gesprochen und entweder geschoben oder für Ersatz gesorgt. Die internen Projekte machen deine Kollegen aus Berlin und München. Ich wünsche dir schöne Feiertage und einen guten Rutsch. In der zweiten Januar-Woche sehe ich dich wieder. Bis dahin sollten auch ein paar Bewerbungen vorliegen."

Dann legt sein Chef einfach auf. Er hat vermutlich recht.

Ich telefoniere noch mit dem Autovermieter unserer Firma und bestelle für die nächsten 10 Tage ein zweites Auto. Da ich Karin mit als Fahrerin eintrage, wird das ein teurer Spaß, aber mit nur einem Auto kommen wir nicht weit, vor allem, wenn die Kinder irgendwo hingebracht werden müssen. Sie würden die Genehmigung von unserer Firma einholen und dann eine E-Mail schreiben. Das Fahrzeug lasse ich direkt in die Klinik bringen. Kostet einmalig extra, ist aber einfacher so.

Als ich in das Zimmer zurückkehre, muss ich lächeln. Carsten sitzt immer noch genauso wie vor fünf Minuten.

Ich stelle mich neben ihn und lege meine Hand auf seine Schulter, aber er steht auf und bittet mich, sich hinzusetzen. Dann setzt er sich auf meinen Schoß und kuschelt sich an mich. Wir schauen dann beide schweigend zu Sabine.

Irgendwann werde ich durch eine Hand auf meiner Schulter geweckt. Ich zucke hoch und stelle fest, dass ich total verspannt bin. Carsten sitzt immer noch auf meinem Schoß, ist aber an meiner Schulter eingeschlafen. Ich habe wohl auch meinen Schlafmangel nachgeholt und dabei meinen Hals total überstreckt.

Vor mir hockt die Ärztin von gestern Abend und greift nach Carsten. Sie hat einen weiteren Stuhl besorgt und setzt ihn darein. Er ist so müde, dass er das Umbetten überhaupt nicht mitbekommt. Ich schaue zu Sabine. Sie ist wach und lächelt mich vorsichtig an. Ich ergreife ihre Hand und streiche drüber.

"Freund der Familie?", die Ärztin grinst mich an.

Ich schaue die Ärztin fragend an und sie ergänzt: "Ihre Worte von gestern Abend."

Ich werde rot: "Ich ..."

Die Ärztin unterbricht mich: "Alles gut. Wir haben heute Nacht bei Frau Bremer das Jochbein gerichtet und der Knochen wird noch ein paar Tage ausheilen müssen. Die Schwellungen sollten bis nächste Woche andauern, aber gegen die Farbe durch die geplatzten Kapillaren können wir nicht wirklich etwas machen. Ich verschreibe ihnen eine Salbe, die das Auflösen der Hämatome unterstützt. Ansonsten sollten sie diese und nächste Woche beim Arzt vorbeischauen. Der soll kontrollieren, dass der Bruch richtig zusammenwächst."

"Wann kann Sabine, Frau Bremer, das Krankenhaus verlassen?"

"Wenn Sie die nächsten 48 Stunden nicht alleine sind, dann können sie direkt nach Hause, sonst würde ich sie gerne noch mindestens eine Nacht hierbehalten."

Ich schaue Sabine an: "Willst du hier raus? Die Kinder sind bereits bei Karin und mir. Für dich habe ich in der Wohnung auch noch Platz."

Sie schaut mich lange an und dann zur Ärztin. Sie nickt: "Ich nehme Dein Angebot an. Wir klären dann mit Karin, wie wir uns organisieren." Sie wendet sich der Ärztin zu: "Brauche ich noch irgendetwas?"

Die Ärztin lächelt: "Ich mache die Unterlagen und den Arztbrief fertig. Dann gebe ich ihnen für heute und morgen Schmerzmittel mit. Ansonsten würde ich sie bitten, morgen zum Arzt zu gehen. Der verschreibt ihnen weitere Medikamente und schreibt sie für die nächsten zwei Wochen krank."

Sabine schaut sie perplex an: "Ich kann nicht zwei Wochen zuhause bleiben." Sie stöhnt auf, da sie ihren Mund zu stark benutzt hat. Ihr laufen Tränen in die Augen.

"Mein Chef schmeißt mich raus. Ich brauche den Job."

Die Ärztin schaut sie an: "Was machen sie denn beruflich?"

"Ich bin Sekretärin in einer kleinen Spedition. Ich arbeite halbtags und brauche das Geld."

"Meine liebe Frau Bremer", fängt die Standpauke an, "sie können natürlich morgen, oder auch heute schon wieder arbeiten. Aber ich verspreche ihnen, dass sie innerhalb von zwei Tagen wieder hier sind und dann können sie mehrere Wochen oder im schlimmsten Fall gar nicht mehr sprechen. Ich vermute einmal, dass es die bessere Variante ist, den Kiefer ordentlich ausheilen zu lassen."

Sabine schüttelt den Kopf. Ich schaue beide kurz an und frage dann die Ärztin: "Können sie uns kurz alleine lassen?"

Die Ärztin nickt und geht direkt aus dem Raum.

"Du erinnerst dich, was ich heute Morgen gesagt habe?"

Sie schaut mich fragend an.

"Ich liebe dich." Ich greife ihre Hand und sie lächelt vorsichtig: "Ich dich auch, auch wenn du manchmal komisch bist."

"Also ... Du bist Sekretärin, richtig? Termine, Pläne, Berichte?"

Sie nickt und schaut ihn fragend an.

"Englisch fließend?" Sie nickt erneut.

"Dann komm mit mir mit."

"Und dann? Ohne Job?", sie bekommt feuchte Augen.

"Ich verspreche Dir, dass du einen neuen Job ab Januar hast, Voraussetzung ist ein Führungszeugnis und eine Bewerbung per E-Mail. 2400€ brutto bei 24 Stunden in der Woche. Überstunden und Wochenenden mit ordentlichen Zuschlägen."

"Bitte was?" Sie zuckt zusammen, als der Kiefer wieder schmerzt.

"Das war jetzt kein Nein, also packen wir Deine Sachen."

Zwei Hände, zwei Mittelfinger.

Kapitel 12 - Der erste Abend

Durch den Firmentarif bekam ich den Wagen direkt ins Krankenhaus geliefert und interessanterweise eine Klasse über der Bestellten. Ich vermute einmal, dass Michael, mein Chef, da ein wenig Einfluss genommen hat.

Wir fuhren daher mit einem nagelneuen 5er BMW in Richtung meiner Wohnung.

Es gab ein großes Hallo und Sabine wurde sofort aufs Sofa bugsiert und alle schwärmten wie ein Fliegenschwarm um sie herum.

"Stopp!", rufe ich laut. "So geht das nicht. Sabine braucht Ruhe und ihr seid hier wie ein Bienenschwarm. Es ist jetzt halb 12, Betty und Frank, ihr macht Mittagessen, Karin und Carsten, ihr überlegt euch, wie wir das hier schlaftechnisch organisiert bekommt, und ich bringe Sabine ins Schlafzimmer."

Augenblicklich lässt die Lautstärke nach und Betty und Frank stehen ein wenig verloren in der Küche. Ich grinse die beiden an: "Ihr werdet doch wohl Spaghetti mit Tomatensoße oder so produzieren können. Wir müssen Sabine entlasten. Ich habe Urlaub, aber die nächsten zwei Tage sind wir alle hier und helfen, bitte. Danach schauen wir weiter."

Ich gehe ins Schlafzimmer und beziehe das Bett neu. Es gibt Blümchenbettwäsche, das ist das Einzige, was nach den Wechselaktionen der letzten Tage noch übrig war. Als ich Sabine ins Schlafzimmer bringe, schaut sie mich an und haut mir in die Seite: "Du willst wohl, dass ich laut anfange zu lachen." Sie streichelt meine Wange und legt sich ins Bett. Ich gehe raus und schicke Karin rein, damit sie Sabine helfen kann, sich auszuziehen und wieder ins Bett zu gehen. Zumindest heute hat sie versprochen, sich daran zu halten.

Betty und Frank haben sich tatsächlich viel Mühe gegeben und die Soße sogar noch mit Kräutern aus meinem Garten nachgewürzt. Als ich Sabine das Essen bringe, bittet sie mich, zu bleiben.

"Du meinst das ernst mit dem Job, oder?"

Ich nicke: "Wenn es ein Problem für dich ist, dass du mit mir arbeitest, tauschen wir gerne die Stellen durch. Genug offene Positionen sind bei uns vorhanden, aber vielleicht gefällt es dir ja mit mir", ich zwinkere ihr zu, "und wir haben mehr Zeit für uns."

Ich gebe ihr einen Kuss auf die gesunde Wange. Sie lächelt mich vorsichtig an: "Ich denke drüber nach, aber erstmal musst du mir beim Essen helfen. Ich kann nicht kauen."

"Scheiße", murmle ich und gehe mit dem Teller wieder in die Küche. "Achte auf deine Wortwahl. Hier sind Kinder", höre ich von hinten und gehe lachend aus dem Raum. Familie kann sogar Spaß machen.

Kurze Zeit später komme ich zurück und sie schaut mich an. Ich halte den Teller galant vor sie: "Tomatensuppe an Getreidemus mit mediterranen Kräutern. Wenn die Dame Getränkewünsche äußert, werde ich diese entsprechend versuchen, zu berücksichtigen. Ich werde den Koch anweisen, in den nächsten Tagen ein sprechendes Menü für die Dame vorzubereiten."

Sabine nimmt mir den Teller ab und knufft mich in die Seite. Dann hole ich ihr noch etwas zu trinken und setze sie im Bett auf. Dann ist sie langsam und vorsichtig, leert aber den Teller und fragt, ob sie noch Nachschlag bekommen kann.

Frank und Betty sind begeistert.

Nach der zweiten Portion und einem Glas Wasser mit einer weiteren Tablette rutscht sie wieder nach unten und legt ihren Kopf auf meine Oberschenkel.

"Warum hilfst du uns?", fragt sie nach einer Weile.

"Weil ich euch für toll halte, ich das erste Mal seit Melanies Tod nach vorne schaue, und nicht darüber grüble, ob Fleisch anstelle von Fisch auf der Hochzeit die bessere Variante gewesen wäre. Weil ich gestern Abend bald gestorben bin vor Sorge, als ich den Schlag gehört habe. Ich hätte deinen Ex-Mann vermutlich umgebracht, wenn dir etwas Schlimmeres passiert wäre.

Mein Chef schickt mich in den Urlaub und empfiehlt mir eine Assistenz, damit ich nicht mehr so viel arbeite, und ich stimme dem auch noch zu.

Und ich sitze hier neben dir und quatsche wie ein 15-Jähriger beim ersten Mal bei der Freundin im Zimmer. Ach scheiße."

Ich schweige und schaue nach draußen.

Sabine streichelt meinen Bauch: "Leg dich zu mir."

Sie kuschelt sich an mein Shirt und murmelt: "Schön." Kurz darauf ist sie eingeschlafen.

Um 14 Uhr klopft es und ich schiebe Sabine vorsichtig von mir. Karin steht in der Tür: Ach ja, wer schläft wo.

Wir entscheiden uns für die Option, dass Karin, Frank und Betty heute oben schlafen, da genug Platz ist. Es gibt nur Einzelbetten, aber die beiden wollen sowieso langsam durchstarten (Originalton Frank). Sabine schläft im Schlafzimmer, ich im Wohnzimmer und Carsten im Arbeitszimmer.

Nach der Entscheidung ergänze ich noch: "Das einfache Gästebett im Arbeitszimmer tauschen wir durch etwas Vernünftiges aus. Zusätzlich kommt an die leere Wand ein Kleiderschrank. Carsten und ich fahren morgen zu IKEA und kaufen etwas. Dazu tausche ich morgen kurz meinen Wagen gegen einen Sprinter und dann kaufen wir ein. Ansonsten richten wir die beiden anderen Gästezimmer für dich, Frank, und Betty ein. Dafür muss auch erstmal IKEA herhalten."

Dann frage ich, ob sie noch Sachen aus der alten Wohnung brauchen. Ich muss mit Frank nachher zur Polizei und danach können wir dort vorbeifahren. Ich schaue auch Betty an, die Klamotten aus dem Rucksack können nicht alles gewesen sein. Sie nickt.

"Wie sieht das eigentlich mit Schulsachen aus? Laptops, Unterlagen, Bücher und so weiter. Ich habe mit Herrn Träumer abgestimmt, dass ihr heute und morgen nicht zur Schule müsst. Ab Mittwoch ist das Lotterleben vorbei, außer jemand wird krank. Das gilt auch für dich, junge Dame."

So richtig Lust haben sie nicht, aber akzeptieren meine Forderung. Betty grinst sogar und Frank ergänzt: "Wenn unser Laptop hier ist, dann schauen wir nach den Verbindungen. Die Fahrkarten reichen auf jeden Fall", er schaut zu Betty, aber die nickt, "und damit kommen wir auch zur Schule. Es müssten knapp 20 Minuten mehr sein, die bekommen wir hin."

Dann schaue ich Betty nochmal an: "Und du? Ich freue mich einerseits, dass du hier bist, und ich wünsche euch beiden viel Glück, aber du musst das nicht machen, du bist 18."

Sie schaut mich lange an und dann zu Frank: "Die Entscheidung, das Heim zu verlassen, habe ich schon vor einiger Zeit getroffen. Das ich hier wohnen darf", sie schaut dabei zu Karin, die sie anlächelt, und mir, "dafür bin ich euch sehr dankbar. Ich mag Frank und wir schauen mal, wo die Reise uns hin verschlägt." Sie gibt Frank einen innigen Kuss. "Ich würde daher gerne nachher mitfahren und auch ein paar Sachen holen."

Ich lächle sie an und meine dann zu Frank und ihr: "Prima, dann ist das ja geklärt. Ich gehe auch davon aus, ihr setzt die richtigen Prioritäten für die Zukunft. Nur so als Hinweis. Ich habe mein Abitur erst mit 22 gemacht. Das war kein Spaß und die Zeit davor kann man nicht als 'war geil' abstempeln."

Da ich das bisher nur Sabine erzählt habe, schauen mich alle schockiert an. Als ich zur Schlafzimmertür sehe, schrecke ich auf. Dort steht Sabine mit denen in den Augen, aber einem Lächeln im Gesicht: "Ich glaube, Martin hat hier alles im Griff, dann gehe ich wieder ins Bett."

Karins Augen glänzen feucht, als sie ihrer Tochter hinterherschaut.

Kapitel 13 - Vergangenheit

Pünktlich um vier stehen Frank und ich vor dem Zimmer, das uns der Polizeihauptkommissar gestern mitgeteilt hat. Wir klopfen an der Tür und treten ein. Betty wartet vor der Tür, sie wollte nicht alleine im Auto sitzenbleiben.

Ich werde von Herrn Träumer begrüßt und er stellt uns Polizeihauptkommissar Brandt von der Drogenfahndung vor. Ich sehe in das Gesicht und bin sofort 33 Jahre in der Vergangenheit.

Wir hatten vor, in ein Lagerhaus einzubrechen. Fernseher und das Geld im Tresor waren das Ziel. Ich war mit meiner Gang bereits im Haus, als eine Polizeistreife vermutlich den Lichtschein einer unserer Taschenlampen gesehen hat. Sie sind dann mit Verstärkung auf uns los. Meine Jungs konnten bis auf unseren Anführer festgenommen werden. Ich hatte allerdings das Pech, zu stolpern, und ich fiel auf eine Kiste mit Abfall und Metallresten. Der Mann vor mir, damals entsprechend jünger, hat mir das Leben gerettet. Ich war danach zwei Wochen im Krankenhaus und er hat mich sogar zweimal besucht. Jetzt steht er vor mir und ich stehe komplett unter Schock.

Frank schaut mich nervös an: "Martin? Alles ok?" Ich schrecke auf und dann umarme ich den Mann vor mir und lasse die Tränen laufen. Nach einiger Zeit, Herr Brandt hat die Umarmung dabei erwidert, trete ich zurück und entschuldige mich. Ich kann bei allen feuchte Augen sehen und Frank weint ganz offen. Ich nehme ihn in den Arm. Dann setzen wir uns, nachdem Herr Träumer uns einen Kaffee besorgt hat. Er bringt Betty mit.

Mein erster Kommentar bringt dann doch alle zum Lachen: "Der Kaffee bei der Polizei ist immer noch so fürchterlich wie früher."

Es war gar keine offizielle Vernehmung, die Protokolle waren längst geschrieben und wir setzen nur noch die Unterschrift drunter. Herr Träumer hat sich gedacht, dass es gut wäre, die beiden Menschen zusammenzubringen, die dafür gesorgt haben, dass der eine sich aus der Spirale nach unten befreit und der andere seinen Dienst bei der Polizei mit Nachdruck vorangetrieben hat.

Herr Brandt erzählt dann mit meiner Zustimmung von damals und dass sich heute nicht viel an den Methoden geändert hat. Betty schaut mich irgendwann fragend an: "Warst du auch im Gefängnis?"

Ich schüttle den Kopf und dann grinse ich: "Ich bin nur zweimal erwischt worden und beim zweiten Mal bin ich aus den eben erzählten Gründen ausgestiegen. Ich hatte allerdings eine Bewährungsstrafe.

Ich kann ja jetzt drüber reden, da die anderen Dinge verjährt sind", ich schaue dabei grinsend die beiden Polizisten an, die gespielt böse zurückstarren, "aber ich war kein Heiliger, die Zeit damals hat mir nicht gutgetan und ich träume heute noch davon. Ich brauche kein Gefängnis, um das zu bereuen." Die letzten Worte habe ich relativ leise gesprochen, aber es war mir wichtig, dass Frank - und auch Betty - wissen, wer ich bin und warum ich jetzt so bin.

Kurz darauf verabschieden wir uns und ich habe mit Thomas Brandt - wir hatten entschieden, uns zu duzen - Kontaktdaten ausgetauscht. Er würde mich - und meinen Anhang, dabei grinst er - gerne seiner Familie vorstellen. Ich bin der Grund, warum er damals bei der Polizei geblieben ist, denn er hatte massive Zweifel, ob der Dienst dort das Richtige war.

Auf dem Weg in die Wohnung sagt keiner etwas im Auto, wir gehen alle unseren Gedanken nach. Aus den Wohnungen werden Schulsachen, Kleidung und - ich hatte es eigentlich nicht anders erwartet - ein uraltes Laptop sowie die Post geholt. Danach fahren wir um halb sieben wieder los.

Wir fahren noch zu Betty ins Heim und holen ein paar ihrer Sachen. Auf die Frage nach einem Laptop schüttelt sie traurig den Kopf: "Wir haben einen alten Computer für unsere Gruppe, aber wir sind 12 Schüler. Da bleibt nicht viel Zeit für mich. Ich bin oft in der Bibliothek, da gibt es freie Computer und ich lerne da dann meistens auch."

Auf der Fahrt zurück, biege ich spontan rechts ab auf den Parkplatz einer großen deutschen Elektronikkette: "Ihr bleibt im Auto, ich muss noch was besorgen. Kann aber ne halbe Stunde oder so dauern."

Nach tatsächlich knapp 30 Minuten komme ich mit zwei großen Tüten wieder und packe diese in den Kofferraum. Beide schauen mich neugierig an, doch ich zucke nur grinsend mit den Schultern.

Kurz vor unserem Haus beugt sich Frank vor und meint nur leise: "Danke, dass du da bist" und drückt meine Schulter.

Ich habe einen großen Kloß im Hals und konzentriere mich aufs Fahren, sehe aber im Rückspiegel, dass Frank sich wieder an Betty gekuschelt hat, die mich lächelnd mit feuchten Augen ansieht.

Zuhause angekommen gibt es einen ersten Dämpfer. Sabines Arbeitgeber hat ihr tatsächlich gekündigt, aber aus ihrer Sicht wäre der Schritt sowieso gekommen, da der Chef ein alter Schulfreund von Wolfgang, ihrem Ex, ist.

Sie lächelt mich aber an: "Ich würde gerne doch auf dein Angebot eingehen. Lass uns das bitte später besprechen."

Als ich dann die Laptops für Frank und Carsten auspacke, können die beiden ihre Tränen nicht mehr zurückhalten. Sie bedanken sich, vor allem, als ich ihnen diese einfach so schenke. Sabine schüttelt - vorsichtig - den Kopf und schaut mich ernst an. Ich denke, dass da heute noch ein Gespräch fällig ist. Karin, die den Blick bemerkt hat, lächelt mich an und zeigt mir versteckt einen nach oben gestreckten Daumen. Die beiden haben wohl den Nachmittag zum Reden genutzt.

Nach dem Abendessen schicke ich alle in ihre Zimmer. Ich bin auch offen und sage, dass ich nach diesem Tag einfach ein wenig Ruhe brauche. Interessanterweise gibt es keinen Widerspruch und kurz darauf sitze ich, mit meinem Tablet in der Hand und lese mich durch die aktuellen Nachrichten. Vor mir ein Glas Wasser, da ich inzwischen echt ein schlechtes Gewissen bekomme, wenn ich an die Whisky-Flaschen im Schrank denke.

Ich werde langsam müde. Es ist zwar erst halb neun, aber der Tag war kurz und in meinem Kopf schwirrt es. Der Angriff, Sabine, die Kinder, der Besuch bei Thomas Brandt. Gerade dieser hat mich emotional komplett aus der Bahn geworfen. Das war dann das i-Tüpfelchen und jetzt sitze ich hier, möchte einen Whisky trinken und traue mich nicht.

"Scheißuniversum", sage ich leise und lasse das Tablet vor Schreck fallen, als jemand in der Tür zum Schlafzimmer sagt: "Das sagt man nicht. An deiner Ausdrucksweise müssen wir arbeiten, solange die Kinder hier wohnen."

Sabine steht in der Tür und schaut mich an. Sie kommt auf mich zu und setzt sich neben mir auf das Sofa: "Ich fühlte mich alleine."

"Wie lange stehst du schon da?"

"Knapp 20 Minuten, aber du warst so in Gedanken, da wollte ich nicht stören. War ein harter Tag?"

Ich erzählte ihr vom Besuch bei der Polizei. Ich hatte vorhin nichts gesagt, da sowohl die Kündigung als auch die neuen Laptops alles überstrahlt haben.

"Ich würde dir ja jetzt gerne einen Kuss geben, aber ich habe immer noch Angst vor den Schmerzen", sagt sie, fährt aber mit ihrer Hand unter mein T-Shirt und streichelt über meine Narben. Dann kuschelt sie sich an mich.

"Warum hast du eigentlich keinen Whisky vor dir. Meine Mutter erzählte mir schon vor längerer Zeit, dass du ein Faible dafür hast und gerade abends zur Entspannung ein Glas trinkst, wenn du Stress hattest. Und heute müsste doch eigentlich genau der Tag für ein Glas sein."

Ich schaue sie verblüfft an und sie hebt fragend eine Augenbraue.

"Ich dachte, das wäre dir nicht recht. Jedes Mal, wenn ich ein Glas trinke, schauen du oder Karin, als ob ich ein Kind gegessen hätte." Ich versuche es, sehr weich auszusprechen, um den Worten die Härte zu nehmen, aber sie zuckt trotzdem zusammen und rückt kurz von mir ab und schaut mich an. Dann seufzt sie und kommt wieder zurück, dabei sehe ich aber Tränen in den Augen aufleuchten.

"Möchtest Du darüber reden?"

Ich spüre einen Augenblick später, dass mein T-Shirt nass wird, also sage ich nichts weiter und lasse sie weinen.

Dann sagt Sabine auf einmal: "Meine erste Tochter ist an einer Alkoholvergiftung gestorben."

Ich versteife mich und schaue schockiert nach unten: "Das tut mir sehr leid", sage ich leise und ziehe sie vorsichtig hoch. Der Tag der Hiobsbotschaften ist also noch nicht vorbei.

Ich setze sie auf meinen Schoß und schaue in ihr Gesicht. Sie dreht - vermutlich unbewusst - ihre vom Schlag gezeichnete Seite von mir weg, aber ich folge ihr und gebe ihr einen Kuss auf die Nase. Ihr laufen immer noch ein paar Tränen die Augen herunter und sie schnieft.

Ein perfekter Mann hat natürlich Taschentücher zur Hand. Ich, nicht perfekt, schiebe ich sie von mir und hole kurz ein Paket Taschentücher. Ohne dass wir darüber sprechen, setzt sie sich wieder auf meinen Schoß. Nach einem mehrfachen Schnauben kuschelt sie sich wieder an mich und schweigt. Die Frage meinerseits steht zwar immer noch im Raum, aber ich werde sie nicht drängen. Alkohol ist auch nicht etwas, was ich unbedingt brauche.

Ich gebe ihr daher einen Kuss auf den Kopf und wir halten uns einfach nur fest.

"Martin?", sagt Sabine auf einmal.

"Mhh?", brumme ich zustimmend.

"Können wir es langsam angehen lassen?"

Ich muss trotz der ernsten Stimmung kichern.

Sie schaut mich fragend an: "Entschuldige", sage ich, "aber wir eiern seit Wochen umeinander herum und heute Morgen gestehen wir uns, dass wir uns Lieben und jetzt hast du Angst vor Geschwindigkeit?" Ich gebe ihr noch einen Kuss auf die Stirn. "Vor ein paar Wochen habe ich gesagt, dass ich alles, aber keine Beziehung suche. Irgendwie stimmt das so nicht mehr", wieder ein Kuss auf die Stirn, "aber ich habe keine Eile. Ich will euch nur nicht wieder loslassen müssen."

"Du bist ein toller Typ, weißt du das? Ich will dich auch nicht wieder loslassen. Und die Kinder auch nicht."

Sie rückt von mir ab. Ach ja, das Gespräch.

"Meine Kinder haben einen Narren an dir gefressen. Beide sagen nur Gutes über dich und auch dein Umgang mit Betty. Du hattest noch nie eigene Kinder?"

Ich schüttle den Kopf: "Nur Kunden und Mitarbeiter, die sich als solche aufführen. Du kennst ja den Spruch: Männer werden acht, danach wachsen sie nur noch."

Sie versucht zu lachen, verzieht aber wieder den Mund. "Entschuldigung", murmle ich. Sie lächelt wieder leicht.

"Das mit den Laptops heute war auch eine tolle Sache, du hast ja das alte Schätzchen gesehen. Mein Problem ist, dass ich Angst habe, es dir nicht zurückzahlen zu können. Ich stehe kurz vor der Arbeitslosigkeit und hier gibt es Laptops, ein neues Bett und bald ist Weihnachten. So wie ich dich kenne, wird es da auch nicht bei einem Gutschein für ein Restaurant bleiben. Ich jedenfalls", sie seufzt, "kann dir das nicht zurückzahlen." Erneut ein Seufzer: "Jetzt ist es raus. So. Und nun Du."

Sie schaut mich nervös und erwartungsvoll an.

"Kennst du eigentlich den Grund, warum ich gestern zu dir wollte?"

Sie schüttelt den Kopf und ich lächle sie an: "Ich wollte mit dir darüber sprechen, dass ja bald Weihnachten ist. Ich möchte mich für euer Dasein und eure tolle Art bedanken. Es hat mir echt geholfen. Ich hatte eigentlich vor, Frank eine richtige Gitarre zu schenken. Und nein", ich sehe Sabines erschrockenen Blick, "kein Teil für 1000€. Ich habe schon eine ausgewählt, die preiswert und gut ist. Den Verstärker habe ich hier schon stehen. Für Carsten hatte ich an eine kleine Spielekonsole gedacht, aber nur hier, damit ich ihn sehen kann, und mein Laptop wiederbekomme."

"Ahh", sagt sie, "du willst die Kinder an dich binden, um darüber an die Mutter zu kommen? Du Schuft." Sie streichelt mir über die Wange. "Und du kannst dir das alles leisten? Was passiert, wenn das mit uns nichts wird?"

Ich zucke mit den Schultern: "Du bist das fehlende Glied in meinem Leben. Ich fühle mich vollständig, glücklich und zufrieden, wenn Du und die Kinder bei mir sind. Ich bin gestern Abend fast gestorben, als ich Dich sah, und ich würde dich am liebsten immer hier festhalten.

Und ja, ich mache Geschenke, aber weil ich es will und nicht, um mir ihre Zuneigung zu erkaufen. Und nochmal ja, ich kann es mir leisten. Ich habe ein sehr gutes Gehalt und die letzten Jahre war der Bonus immer sehr hoch, weil die Ergebnisse meiner Projekte gut waren. Ansonsten ist da noch das Erbe meiner Eltern, das ich trotz oder wegen Susanne nicht angefasst habe. Für euch denke ich nicht einmal darüber nach. Ich habe bis jetzt erst einmal so empfunden. Und das ist schon sehr lange her."

Sabine hat sich wieder an mich gekuschelt: "Melanie?", fragt sie.

"Hat Karin nichts erzählt?", frage ich erstaunt. "Nein, sie sagte nur, dass du zu den Eltern deiner ersten Frau fährst."

Also erzähle ich Sabine meine Geschichte. Ich hole etwas mehr aus und erzähle auch detaillierter über meine Jugend und den Weg aus dem Sumpf. Dann spreche ich über den Tod von Melanie und dass ich jedes Jahr zu Werner und Marlis, den Eltern von Melanie fahre.

Sie schweigt lange. "Wusstest Du, was es werden soll?"

Ich seufze: "Eine Tochter. Sie sollte Bettina heißen."

Sie drückt mich: "Deswegen bist du wegen Betty so zusammengezuckt." Ich nicke und Sabine schaut mich ernst an: "Du weißt, dass du sie wie eine Tochter behandelst, oder?"

Ich denke kurz nach und nicke dann: "Schlimm?" Sie schüttelt den Kopf: "Ist für mich ok. Ich mag sie auch und sie tut Frank auch gut. Du solltest nur darauf achten, wie sie reagiert."

Dann kuschelt sie sich wieder an mich: "Ich würde gerne das nächste Mal mitkommen nach Köln."

"Mehr Liebeserklärung gibt es wohl nicht, oder?", meine ich leise. Sie streichelt meinen Rücken.

Kapitel 14 - Der Einzug

Am nächsten Morgen klingelt der Wecker um sieben. Michael hat mir zugesagt, dass der Sprinter um 9 bei uns ist. Bis dahin will ich mit Frank noch etwas schaffen.

Ich versuche, mich zum Wecker zu drehen, werde aber von einem Arm aufgehalten. "Noch fünf Minuten", nuschelt Sabine in ihr Kissen. Von Wegen im Wohnzimmer schlafen. Ohne ein weiteres Wort sind wir zusammen in 'unser' Bett gegangen. Sie hat sich dann an mich gekuschelt und wir sind sofort eingeschlafen.

Um kurz nach acht klingeln Frank und Betty. Die beiden wahren zusammen Brötchen holen und wir haben den Tisch gedeckt. Sabine geht es heute schon besser und sie hat mir heute Morgen einen ersten vorsichtigen Kuss auf den Mund gegeben.

Frank und ich haben gerade das alte Sofa aus dem Arbeitszimmer bereits rausgetragen, als es an der Tür klingelt.

Na klar, der Chef persönlich. Ich hatte es mir gedacht. Er ist vermutlich neugierig, wer mir so den Kopf verdreht, dass ich Urlaub akzeptiere.

Wir trinken einen Kaffee zusammen und er erzählt in der Runde den Blödsinn, den ich in den letzten Jahren in der Firma so verzapft habe. Dann lädt er alle, inklusive Karin und Betty, zur Jahresantrittsfeier ein. Wir haben bei uns in der Firma den Brauch etabliert, erst im Januar das Jahresende zu feiern. Es ist preiswerter und vor allem haben mehr Mitarbeiter Zeit, da wir nicht bei Kunden auf den Feiern erscheinen müssen. Wir laden auch immer ein paar ausgewählte Kunden mit ein.

Dann spricht noch er kurz mit Sabine über die Stelle in der Firma. Er bestätigt meine Worte von gestern und gibt aus seiner Sicht auch das ok, als sie über ihre berufliche Erfahrung spricht.

Danach will er direkt wieder los. Er müsse ja meinen Job noch mitmachen. Vielen Dank für das schlechte Gewissen.

An der Tür schaut er mich ernst an: "Versau das nicht. Die brauchen dich und Du sie auch." Ich nicke. Beim Rausgehen dreht er sich noch einmal um und sagt leise: "Ach ja, denk dran, morgen ist Nikolaus."

Fuck! Das auch noch. Aber ich habe spontan eine Idee, als ich in der Tür stehe.

Ich drehe mich um und grinse in die Runde: "Wer kommt mit, Möbel kaufen?" Alle Hände gehen hoch. Ich schüttle den Kopf: "Warum frage ich eigentlich."

Da der Sprinter Platz für drei Personen hat, kommen nur Betty und Carsten mit. Außerdem muss Sabine ja zum Arzt. Ich drücke Karin einen Ersatzschlüssel für die Wohnung in die Hand und meine Autoschlüssel für den Golf, den ich sonst immer fahre.

IKEA, das Labyrinth mit dem Hot-Dog als Belohnung am Ausgang hält uns eine Weile in Beschlag. Am Ende gibt es ein Jugendbett mit Matratze, zwei breite Betten für Betty und Frank sowie zwei Regale und drei Kleiderschränke. Das Ganze ist direkt so geplant, dass die beiden eventuell zusammen schlafen können und dann trotzdem noch ein Gästezimmer bleibt. Schreibtische, Stühle und sonstige Büroausstattung bestellen wir später online über den Händler unserer Firma. Da kenne ich die Qualität und die Rabatte passen.

Dann kaufen wir ein Familienpaket Hot-Dogs. Auf der Fahrt nach Hause klingelt mein Telefon und ich reiche es an Betty weiter, da der Sprinter keine Freisprecheinrichtung hat.

Es war Herr Träumer von der Polizei. Ich solle mich später bitte melden, sagt Betty mir anschließend. Es geht um eine Anzeige.

Zuhause stelle ich mit Frank und Betty die Kartons in die Wohnung. Ich schaue Frank nur an, der schaut auf die Kartons und grinst: "Aufwand nach Stunden?". Ich grinse zurück: "Übertreib es nicht."

Danach fahre ich den Sprinter wieder in die Firma. Nach Hause nehme ich nicht den ÖPNV, sondern unsere Empfangsdame - und gleichzeitig der F.I.G.V.D. (FirmenInterne GerüchteVerteilDienst) - fährt mich zurück. Ich werde nach Strich und Faden verhört, bin aber etwas sparsam mit Informationen, die Details kommen später oder gar nicht. Auf dem Weg halten wir noch im Einkaufszentrum, aber kurz darauf sind wir bei mir zuhause.

Nach einer Menge Hot Dogs rufe ich Herrn Träumer zurück. Wolfgang Bremer hat Anzeige wegen Körperverletzung erstattet. Aber sowohl die Aussagen von Sabine, die man gestern noch aufgenommen hat, als auch die von Frank und mir reichen der Staatsanwaltschaft erst einmal aus. Er empfiehlt mir aber trotzdem, einen Anwalt einzuschalten. War ja klar.

Ich telefoniere direkt mit meinem Chef, gehe dabei aber kurz ins Arbeitszimmer. Wir beschäftigen eine Anwaltskanzlei mit unseren Problemen in der Firma, der wird doch jemanden kennen, der auch Strafrecht macht. Michael verspricht mir, dass sich der Anwalt heute noch meldet.

Anschließend bohre ich die Schränke an der Wand fest und gebe gutgemeinte Ratschläge zum Zusammenbau der Betten. Betty und Frank bauen aber wohl auch nicht das erste Mal Möbel des schwedischen Möbelhauses zusammen und können die Hieroglyphen der Bedienungsanleitung richtig deuten.

Carsten freut sich total über sein neues Bett und springt mir von da auf den Arm: "Danke Pa ...", sagt er und merkt trotz der Aufregung seinen Fauxpas und korrigiert sich: "Martin." Es scheint kein anderer mitbekommen zu haben und daher machen wir so weiter, als wäre nichts passiert.

Ich trommle alle zusammen: "Nächstes Thema: Einkaufen. Carsten, schreibst du bitte eine Einkaufsliste? Mein Haushalt ist zurzeit nicht auf so viele Menschen eingestellt. Weiterhin würde ich gerne, dass ihr beide", ich deute auf Betty und Frank, "hier unten mitesst, falls ihr heute noch einmal oben schlafen müsst. Karin ist schon gebeutelt genug mit eurer Anwesenheit, da müsst ihr deiner Oma nicht noch den Kühlschrank leer essen."

Karin will schon etwas sagen, doch diesmal springt Sabine ein und sagt leise: "Martin hat recht. Außerdem müsst ihr morgens mit Carsten zusammen los und abends können Martin und ich eure Hausaufgaben kontrollieren."

So so, denke ich bei mir 'Martin und ich'.

Sabine hat auch noch ein paar Themen, die in einer Familie, in der jeder etwas zu tun hat, berücksichtigt werden müssen. Küchen- und Putzdienst. Wer kauft ein? Zeiten im Bad - wobei das hier deutlich einfacher ist - und so weiter.

Nachdem Carsten die Einkaufsliste fertig hat, gehen Karin, Frank, Betty und ich einkaufen. Carsten möchte bei seiner Mama bleiben.

Edeka und Aldi haben mit dem heutigen Tag bestimmt eine Gewinnwarnung ausgegeben. Meine Kreditkarte hat auf jeden Fall ein Loch in mein Erspartes gerissen in den letzten Tagen. Aber, und das ist neu für mich: Es ist ok. Mit Melanie habe ich zusammen jeden Pfennig umdrehen müssen. Als Studenten war halt nichts da.

Nach dem Tod von Melanie habe ich durch Zufall einen Job als Projektassistent in Düsseldorf bekommen und danach ging es nur aufwärts und es war genug Geld da. Heute schaue ich auf ein ordentlich gefülltes Konto und ein paar Sparkonten, auf denen das Erbe meiner Eltern und auch diverse nicht ausgenutzte Bonuszahlungen liegen. Die Scheidung hat auch noch ein paar Euros in die Kasse gespült.

Ich habe Geld immer nur ausgegeben, wenn es notwendig war. Susanne und ich hatten sogar bis zur Scheidung getrennte Konten. Hat sich am Ende als Glücksgriff herausgestellt, war halt komisch.

Es klingelt um 16 Uhr an der Tür. Karin schaut auf und meint nur: "Verdammt. Die Dame vom Jugendamt. Hatte ich total vergessen."

Eine Frau Maltdorf steht vor der Tür und wir lassen sie herein. Sie kommt zusammen mit Herrn Träumer. Man kennt sich wohl und er ist auch neugierig, wie wir uns hier arrangiert haben.

Als er Betty und Frank fluchend beim Aufbau eines Bettes sieht, lacht er auf: "Babsi. Hier ist alles in Ordnung, die kommen zurecht."

Sie trinken eine Tasse Kaffee mit uns. Weil auch Sabine bereits wieder da ist, hat sie sowieso keine Handhabe, aber machte sich natürlich insgesamt Sorgen.

Um sechs sind Betty und Frank fertig mit den Betten und Schränken, also bestelle ich als Dankeschön eine große runde Pizza und - für Sabine - Spaghetti Carbonara.

Ich fahre nach dem Essen noch einmal kurz los - ich habe etwas vergessen, erzähle ich - und hole eine Reihe von Ersatzschlüsseln und ein Paket Mandarinen und Schokonikoläuse aus dem Einkaufszentrum.

Außerdem Miso-Suppe für Sabine als Alibi.

Vor dem 'ins-Bett-Gehen' weise ich auf Nikolaus hin. Jeder putzt noch einmal seine Schuhe und stellt diese vorne neben den Eingang. Ich schaue dabei auch Karin an.

Als ich um halb zehn zu Sabine ins Bett krieche, schaue ich sie müde an: "Sind Kinder immer so anstrengend?"

Sabine gibt mir vorsichtig einen Kuss: "Warum? Die sind doch lieb? Und Betty hast du dir ganz alleine angelacht. Außerdem hast du sie an einem guten Tag erwischt." Ich seufze.

Wir liegen noch eine ganze Weile nur so da und ich streiche über Sabines Rücken.

Auf einmal sagt Sabine: "Sandra hatte Depressionen. Irgendein Gendefekt. Sie bekam Medikamente dagegen. Auf dem Geburtstag von Wolfgang vor 10 Jahren hat sie dann wohl eine der Schnapsflaschen einkassiert und hat mit 11 Jahren die Flasche fast auf Ex geleert und sich dann in den Garten gelegt. Bis wir sie gefunden hatten ..." Sabine hat aufgehört zu reden.

Ich nehme sie in den Arm und sie weint auf meine Brust. Sie schluchzt leise: "Wolfgang hat im Februar Geburtstag. Ach ja, Sandra ist Heiligabend geboren."

Jetzt weint sie laut und ich nehme sie fest in den Arm. Mir laufen auch die Tränen. Aber es tat mir gut, es raus zu lassen, ich hoffe, es hilft ihr auch.

Am nächsten Morgen freuen sich alle, dass in ihren Schuhen je eine Mandarine, eine Orange, ein kleiner Schokoladennikolaus ist. Zusätzlich findet sich in jedem Schuh ein Schlüssel für die Wohnung. In meinen Schuhen ist natürlich kein Schlüssel, aber 'die Nikolausin' hat einen kleinen Schlüsselanhänger mit einer Gitarre hinterlegt. Ich freue mich fast mehr als die anderen.

Kapitel 15 - Der zweite Advent

Irgendwie hat sich so etwas wie Normalität bei uns eingespielt, aber eine positive.

Sabines Gesicht ist, bis auf die Narbe von der OP, fast vollständig verheilt und sie kann auch wieder fast normal essen. Die Kinder fahren von hier aus zur Schule und nachmittags ist erst einmal großes Gewusel mit Hausaufgaben und erzählen. Frank und Betty nehmen - unabhängig von ihrem Stundenplan - Carsten morgens mit und kommen nachmittags gemeinsam zurück, damit wir nicht extra pendeln müssen. Alles in allem läuft es.

Mein Problem ist nur, dass Sabine eigentlich wieder nach Hause könnte, aber ich schiebe den Gedanken weiter vor mir her und verstecke ihn unter Alltagsgewusel wie Schreibtischen, Postfahrten und anderem, was auf einmal extrem wichtig zu sein scheint.

Karin ist auch viel bei uns, freut sich aber auch, nach ein paar Stunden wieder nach oben zu verschwinden, wenn ihr der Trubel zu viel wird.

Seit Nikolaus haben alle einen Schlüssel und irgendwie habe ich das Gefühl, wieder angekommen zu sein.

Auch Sabine geht es bezüglich Sandra deutlich besser. Sie ist deutlich entspannter, sie hat mit mir auch an anderen Tagen über ihre Tochter gesprochen. Ich vermute einmal, dass Wolfgang derjenige war, der das Thema Sandra unter Verschluss halten wollte. Mein Umgang damit, auch mit Melanie, scheint viel zu helfen.

Heute, es ist der Sonnabend vor dem 2. Advent, wollen wir in einem Schwimmpark gehen. Der Arzt hat zugestimmt, aber Sabine soll, wenn möglich, keine großen Stunts ausprobieren.

Gestern war unter anderem deswegen noch großer Klamottenkauf, Carstens Badehose war zu klein, Betty hatte gar kein Badezeug und Sabine maulte, weil ihrer zu alt war.

Nach dem Umkleiden stehen wir in der Halle und suchen uns ein paar Liegen, die wir zusammenschieben können, damit wir einen festen Punkt haben, an dem sich alle wiederfinden können. Danach sind die Kinder verschwunden. Karin trifft sich mit einer Freundin, die sie gesehen hat und auf einmal Sitzen Sabine und ich alleine und schauen dem Gewusel um uns herum zu.

Sie lehnt sich an mich: "Weißt du, dass ich in den letzten Monaten mehr Spaß hatte als die letzten 15 Jahre zusammen?"

Ich gebe ihr einen Kuss auf die Stirn: "Ich gebe mir Mühe, mein Schatz." Sie streichelt über meinen Bauch und an den Narben entlang.

Ich seufze: "Kannst du aufhören? Ich habe noch nie so viel deiner hübschen Haut gesehen und dein Streicheln führt daher zu entsprechenden Reaktionen meinerseits."

Sabine fährt mit der Hand nach unten und mit der anderen holt sie ein Handtuch und legt es über unsere Beine. Als ihre Hand über meine Badehose streicht, stöhne ich leise auf: "Schatz! Keine gute Idee."

Sie gibt mir einen Kuss: "Ich liebe den Tag jetzt schon."

Dann steht sie auf und geht in Richtung Schwimmbecken. Sie wackelt auf dem Weg verführerisch mit dem Po. Frauen können so gemein sein.

Nach ein paar Minuten folge ich ihr, bleibe aber abrupt stehen und drehe mich in Richtung des Eingangs. Ein großer Kerl kommt mit Krücke und einem Gips am rechten Arm aus der Umkleide. Neben ihm ein ihm ähnelnder Mann, vermutlich sein Bruder. Ich wechsle meinen Kurs und gehe auf die beiden zu. Ich bin zwar kleiner, aber ich weiß, was ich kann. Ich bin zwar nicht mit dem Körper eines Athleten ausgestattet, aber unter den kleinen Fettpölsterchen sind genug Muskeln und Technik, um die beiden auf die Matte zu legen.

Wolfgang Bremer erkennt mich und bleibt spontan stehen, so dass sein Bruder in ihn rennt und er kurz aufschreit.

"Ihr dreht jetzt um. Heute sind wir hier und das Schreiben vom Anwalt hast du hoffentlich bekommen, oder?" Sabine hat ein Kontaktverbot erwirken lassen. Der Anwalt, den unser Firmenanwalt organisiert hat, ist wirklich gut.

Er schaut seinen Bruder an, doch der schaut mich und dann den Arm von Wolfgang an: "Werde erwachsen, Wolfgang, das war keine gute Idee und der Kerl hier sieht nicht so aus, als ob er Angst vor uns hat. Kläre das mit Sabine ordentlich, das ist dein Problem."

Ich schaue Wolfgang direkt an: "Bis Weihnachten sind wir nicht wieder hier. Mein Anwalt hat die Telefonnummer eines Prepaid-Handys. Darüber können wir gerne Termine abstimmen. Ich wünsche frohe Weihnachten." Ich gehe noch einmal einen Schritt auf die beiden zu und Wolfgang macht einen verschreckten Schritt zurück. Dann drehen die beiden sich um und verlassen eher fluchtartig die Halle.

"Wo warst du denn", fragt mich Sabine kurz danach im Becken.

"Auf Klo, entschuldige, aber ich musste da noch etwas richten." Ich gebe ihr einen Klaps auf den Po.

Gegen Mittag kommen alle wieder zusammen und wir essen ein paar Pommes und Würstchen im Kiosk. Sabine zeigt wieder unauffällig zu Betty und Frank. Sie hat ihm während des Essens sanft über den Rücken gestreichelt und unter seinem Handtuch hat sich trotz Badehose ein Zelt aufgestellt.

"Sie ist ein Biest", flüstere ich Sabine zu: "Als ob du ihr gezeigt hast, wie das geht." Auch ich sitze mit Zelt unter dem Handtuch da, weil Sabine mir die ganze Zeit über den Oberschenkel streichelt.

Sie steht auf und fragt die beiden anderen Frauen: "Betty? Karin? Wollen wir rutschen? Die Männer räumen noch die Reste weg." Sie blickt zu Carsten: "Du kannst gerne schon mitkommen. Die beiden Großen schaffen das alleine."

Diese Biester.

Frank hat einen knallroten Kopf: "Was mache ich denn jetzt?"

"Warten, mein Junge, warten."

Nach ein paar Minuten gehen wir auch in Richtung Rutsche und haben alle eine Menge Spaß.

Irgendwann sitzen Betty und ich alleine auf den Liegen und schauen dem Treiben zu. Sie hat sich ein Schulbuch, Chemie, mitgenommen und liest darin.

"Martin?", fragt sie auf einmal.

Ich drehe mich zu ihr und schaue sie fragend an.

Sie wird rot: "Können wir uns mal unterhalten?"

Da ich befürchte, dass die Fragen in eine Richtung gehen, die ich als Mann schwer handeln kann, schaue ich kurz in Richtung des Schwimmbeckens, in dem Sabine gerade mit Carsten schwimmen übt: "Ist das nicht eher ein Frauenthema?"

Sie wird noch roter im Gesicht: "Teilweise? Ich weiß aber auch nicht, ob ich Sabine fragen darf."

"Und da fragst du mich um Erlaubnis?"

Ihr Blick geht nach unten: "Irgendwie ... ja ..."

Ich hebe ihr Kinn an: "Bettina Franke. Du bist ein tolles Mädchen, weißt du das?"

Sie schaut mich schief an und ich fahre fort: "Du erinnerst mich manchmal an meine erste Frau. Sensibel, ehrlich, ein wenig introvertiert, aber auch ein wenig durchtrieben. Und Frank und Du? Ich wünsche euch viel Glück."

"Dankeschön", sagt sie mit Tränen in den Augen.

"Was kann ich noch für Dich tun?"

Sie zögert und ich lächle sie an: "Es kann doch nicht so schlimm sein, oder?"

"Ich bin ja jetzt seit zwei Wochen bei euch. Ich melde mich alle zwei Tage im Heim, da ich als Volljährige sonst schnell rausgeschmissen werde. Also ..."

Ich grinse innerlich und versuche, meinen Stolz nicht zu stark sichtbar werden zu lassen, als Betty nach einer Pause fragt: "Also ... ich wollte fragen, ob ich bei dir Wohnen bleiben kann, so als Untermieter oder so? Meine Betreuerin meint, ich würde auf jeden Fall einen Mietzuschuss bekommen, wenn ich ein eigenes Zimmer habe. Das trifft ja bei dir zu."

Sie zittert jetzt richtig. Das Ganze ist für sie wohl total aufreibend.

Ich schaue sie kurz an und sage dann schnell, um ihr die Spannung zu nehmen: "Natürlich darfst du bei mit wohnen bleiben. Ich habe genug Platz. Und über den Zuschuss reden wir mal, du zahlst jetzt auch nichts und Arm machst du mich nicht. Ich befürchte eher, dass der Zuschuss nur eine Art Darlehen vom Staat oder Land ist, den du später zurückzahlen musst. Außerdem schläfst du ja häufiger bei Frank, also ist das Zimmer nicht deins."

Sie schluchzt: "Danke. Du bist echt ein toller Typ, aber manchmal auch total doof." Dann fällt sie mir um den Arm. Ich streiche über ihren Rücken und halte sie eine Weile fest, bis ich von hinten leise höre: "Muss ich jetzt eifersüchtig sein?"

Betty zuckt zurück und ich schaue Sabine böse an. Sie ist erstaunt, als sie die roten Augen von Betty sieht. "Sie zu, dass du das wieder hinbekommst", sage ich böse, stehe auf und gehe ins Wasser.

Ich sehe die beiden noch lange miteinander reden.

Am Abend sind wir alle das erste Mal zusammen Essen. Ich habe extra ein nettes Restaurant ausgesucht und es ist eine gelöste Stimmung. Zwischen Betty und Sabine ist alles in Ordnung und Frank und Betty schauen sich die ganze Zeit verliebt an - wie immer eigentlich.

Sabine und ich halten uns an der Hand und genießen das Zusammensein.

Wir schauen uns an und sagen gleichzeitig leise: "Wir müssen da über etwas reden."

Ich bin sehr froh, dass ihr das Lachen nicht mehr so weh tut, denn wir prusten los und erst nach ein paar Minuten erkennen wir, dass wir die Einzigen sind, die hier lachen. Wir kichern noch ein wenig, wissen aber, dass auch das nur ein Versuch war, das sensible Thema anzufangen.

Ich schaue sie offen an: "Wie geht es mit uns weiter?"

Sie schaut mich lange an: "Was willst du denn?"

Ich habe das Gefühl, dass alles stillsteht. Keiner isst mehr, keiner spricht, selbst die Lüftung hört gefühlt auf zu rauschen. Was will ich. Eigentlich wollte ich nichts mehr. Single sein, in Ruhe leben, ab und zu mal einen wegstecken, vielleicht einen Hund, damit ich mal rauskomme. Susanne hat mich Beziehungskaputt gemacht. Und dann taucht diese Frau mit ihren Kindern auf und tritt mir beziehungsweise meinen Zielen im Leben so richtig in die Eier. Schon Helmuth von Moltke sagte im 19. Jahrhundert:

Kein Operationsplan reicht mit einiger Sicherheit über das erste Zusammentreffen mit der feindlichen Hauptmacht hinaus.

Daher schaue ich sie an: "Ich will, dass ihr", ich schaue alle, einschließlich Betty an, "bleibt. So einfach."

Dann hebe ich die Hand: "Und einen Hund."

"Du bist so doof", höre ich schluchzend von Sabine. Sie umarmt und küsst mich.

Die Antwort habe ich verstanden.

Nach dem Essen fahren wir nach Hause und verschwinden alle in den bekannten Zimmern. Sabine drückt Frank noch ein kleines Päckchen in die Hand. Er schaut fragend auf, wird rot, sieht zu mir und verschwindet schneller als das Licht in ihren Teil der Wohnung. Der Bereich von Betty und ihm ist etwas separiert. Sie haben ein eigenes Bad und eine kleine Diele. Im Augenblick haben sie noch zwei Schlafräume, aber ich vermute einmal, dass sich das irgendwann in näherer Zukunft ändern wird.

Carsten ist schon im Bett, der war nach Schwimmbad und Essen auf dem Weg nach Hause bereits eingeschlafen und ich habe ihn direkt ins Bett getragen.

Jetzt stehe ich im Bad und überlege, was heute noch passieren wird.

"Nützt ja nichts", sage ich leise und begebe mich ins Bett. Ganz brav, wie die letzten Wochen auch, T-Shirt, Slip, Schlafanzughose.

Sabine liegt unter ihrer Decke und schaut mir interessiert zu, wie ich unter meine Decke schlüpfe.

"Du bist so süß", sagt sie, "wie alt bist du? 15?"

"15+37", murmle ich, "und nervös wie ein Fahrschüler vor der Prüfung beziehungsweise vermutlich wie Frank heute Nacht."

Sabine lächelt und hebt ihre Bettdecke an. Sie hat einen meiner Schlafanzüge an, wie so oft in den letzten Wochen. Wieder lachen wir beide auf und dann kuschelt sich Sabine an mich ran.

Ich küsse sie sanft und schiebe meine Zunge in ihren Mund. Sie streichelt über meinen Rücken und ich lasse meine Hand sanft über ihre Hüfte wandern. Dann wandert meine Hand langsam nach oben und fährt an ihrem Hals langsam in Richtung Ausschnitt. Dort knöpfe ich, sie immer weiter küssend die ersten Knöpfe meiner/ihrer Pyjama-Jacke auf.

Wir lösen unsere Münder und holen tief Luft. Ich gehe jetzt mit meinem Kopf nach unten und folge mit den Lippen der Kluft, wo vorher noch die Knöpfe ihre Haut vor meinen Blicken und Berührungen geschützt hat.

Sabine stöhnt leise auf. Ich fahre mit dem Bund tiefer und komme am Bauchnabel an, den letzten Knopf der Jacke geöffnet. Ich folge jetzt mit dem Handrücken der Hand, die die Jacke aufgeknöpft hat, der feuchten Spur zwischen ihren Brüsten und halte in der Mitte an. Als ich anfange, mit der Hand nach rechts an ihrer Brust heraufzuwandern, zieht sie die Luft zwischen den Zähnen ein. Ich stoppe und fahre auf die andere Brust und stoppe wieder vor dem Vorhof.

Ich fahre mit meinem Mund wieder nach oben und folge mit der Lippe und der Zunge den Bewegungen der Hand, nur spiegelverkehrt. Mit den Lippen streiche ich sanft über den Vorhof der rechten Brust und schiebe dabei die Jacke weiter zurück. Ich beiße sanft in die Brustwarze und berühre gleichzeitig mit den Härchen auf meinem Handrücken den steifen Nippel der linken Brust.

Sabine stöhnt erneut auf ob der unterschiedlichen Empfindungen an beiden Brüsten. Ich beuge mich zurück und schaue sie an. Sie hat tatsächlich mittelgroße Brüste, so ein B+ mit großen Vorhöfen und etwas längeren Nippeln, als ich es von meinen vorherigen Beziehungen her kenne, aber ich habe ja jetzt auch eine wunderschöne Mutter vor mir liegen.

"Du bist so wunderschön. Ich liebe dich", sage ich leise und rutsche nach oben, um sie zu küssen. Als ich kurz durchatme, sagt Sabine: "Ich liebe dich auf."

Ich umschließe ihre rechte Brust mit meiner Hand und drücke leicht zu. Sie stöhnt wieder auf und ich gehe mit der Hand weiter nach unten. An der Hose halte ich an und küsse sie erneut, bis ich meine Hand unter den Bund schiebe. Sabine stöhnt in auf, als ich am total durchnässten Slip entlangfahre und mit den Lippen gleichzeitig die Brust umschließe.

Zwischenzeitlich atmet sie heftig und laut, während ich anfange, Hose und Slip nach unten zu schieben. Kurze Zeit später habe ich einen wunderschönen Körper in Gänze vor mir liegen, die Scham leicht geöffnet und schon etwas geschwollen. Ich streife mir das T-Shirt ab und rutsche wieder nach oben.

Ich küsse sie erneut und fasse dann mit dem Mittelfinger zwischen ihre Schamlippen.

Die darauf folgende Explosion muss noch im Nachbarhaus zu hören gewesen sein, trotz geschlossener Fenster. Mein Problem war nur, dass ihr Schrei wohl auch zu starken Schmerzen bei Sabine geführt hat und sie nach dem Orgasmus ihren Mund festhält.

Ich rutsche nach oben: "Es tut mir leid, Schatz, hey!"

Ich ziehe sie hoch und in meine Arme: "Es tut mir so leid."

"Warum", sagt Sabine vorsichtig: "Ich wusste auch nicht, dass Sex so schön sein kann."

Sie kuschelt sich an mich und küsst mich vorsichtig. Sie verzieht das Gesicht, lässt es daher wieder sein.

"Es tut mir leid", sage ich erneut und küsse sie vorsichtig. Ein Unterschied bleibt aber: Wir sind beide nackt und schlafen auch so ein.

Ich werde morgens wach, weil irgendetwas komisch ist. Irgendetwas ist ... Ich schaue nach unten und sehe Sabine, die meinen Schwanz bearbeitet. Er ist vollständig ausgefahren und sie hat ihre Lippen um ihn geschlossen. Ich bin sofort auf 180 und stöhne los.

Das hat bisher noch niemand mit mir ... "oooohhhh ... Stopp ... ich ... gleich ...."

Sabine öffnet den Mund gerade rechtzeitig und ich explodiere. Der erste Schuss landet in ihren Haaren, danach drückt sie mein Glied nach unten und der Rest verteilt sich in mehreren Schüben auf Bett und meinem T-Shirt. Ein paar Tropfen landen an meinem Hals.

"Guten Morgen, mein Held", ich bekomme einen intensiven Kuss.

Es heißt, dass Männer nach dem Sex immer müde sind. Stimmt. Ich wache später wieder auf, weil mir jemand einen Kuss auf die Wange gibt.

Ich schlage die Augen auf und blicke in das Gesicht von Sabine, die mich anstrahlt. Sie hält eine Kaffeetasse in der Hand: "Hopp, hoch, bald ist Weihnachten."

Ich trinke einen Schluck und springe unter die Dusche.

Kurz darauf sitzen alle am Tisch und wir schauen uns an. Ich halte die Hand von Sabine und trotz des doch eher unglücklichen Endes unserer Zärtlichkeiten gestern Abend habe ich das Gefühl, dass wir uns noch nähergekommen sind.

Ich beobachte 'meine Familie'. Da ist Sabine, meine zukünftige Frau, so einfach ist das. Neben ihr sitzt ein aufgeweckter, junger Mann, der mich mit seinen 11 Jahren an mich in meiner Kindheit erinnert. Nur Technik im Kopf, vielleicht finden wir ein paar Freunde hier, die ihm ein bisschen den Rest der Welt mitteilen.

Das junge Glück auf der anderen Tischseite ist komplett mit sich selbst beschäftigt. Da heute Morgen schon eine Waschmaschine läuft und das Bett von Betty neu bezogen ist, war sie entweder inkontinent (unwahrscheinlich) oder bis gestern noch Jungfrau (wahrscheinlich), und heute aber nicht mehr.

Während des Frühstücks frage ich leise Sabine: "Was haben Betty und Du gestern im Schwimmbad eigentlich so lange beredet?"

Sabine grinst mich an und meint nur: "Nun ja, unter anderem gab ich den Tipp mit der Waschmaschine, damit ihr Vater nicht ausflippt, wenn er ihr Bett sieht. Der Rest ist Frauenkram."

Ich gebe ihr einen Stoß in die Seite und sie lacht auf. Alles in allem also ein wunderschöner Sonntag.

Am Nachmittag - Karin und Carsten üben einen Diktattext und Frank und Betty sind, nun ja, wo wohl - sitzen Sabine und ich zusammen auf dem Sofa und schauen uns an.

"Wie machen wir weiter?", frage ich leise und streichle dabei über ihren Rücken. "Für mich kam das", ich schweige kurz und überlege, "überraschend."

Sabine schaue mich fragend an.

"Nun ja, eigentlich wollte ich den Status 'eingeschworener Single mit eventueller Freundschaft Plus' anstreben. Wird ja jetzt nichts. Eher: 'Verliebter Mittfünfziger mit Familienanhang wird doch noch Vater'."

Ich schaue Sabine nervös an: "Okay?"

Sie hat Tränen in den Augen und nickt: "Ich sehe das genauso. Carsten hat sich schon das eine oder andere Mal verquatscht und für Frank bist du ein großes Vorbild. Meine Mutter hat mir gestern gesagt, wenn ich nicht 'Ja' sage, dann heiratet sie dich." Sie grinst dabei und küsst mich.

Heirat! Innerlich schrecke ich auf und schaue wohl auch etwas besorgt. Das Thema habe ich überhaupt noch nicht auf dem Schirm. Zusammenleben, Familie, alles Super, aber Heirat?

Sabine streichelt meinen Bauch und küsst mich: "Hey, Schatz. Mamas Worte, nicht meine. Ich bin noch nicht mal geschieden, ich weiß nur, dass Wolfgang einen Anwalt eingeschaltet hat - zumindest hat er das gesagt. Ich muss nicht heiraten, um glücklich zu sein, mehr Glück geht auch gerade nicht."

Kapitel 16 - Der Tag vor Weihnachten

Die Kinder haben Ferien. Es ist kalt und es liegt tatsächlich Schnee im Garten. Kein Meter, aber doch ein wenig.

Sabine und ich stehen nackt vor dem Fenster hinter der Gardine im Schlafzimmer und schauen den Menschen draußen zu, wie sie in der Dunkelheit durch den Schnee stapfen. Ich streichle über ihren Bauch hoch in Richtung ihrer Brüste.

Sabine seufzt: "Hattest Du nicht genug heute Nacht?"

Ich kneife leicht in ihre Brustwarze und sie stöhnt auf und wackelt mit ihrem Po an meinem Bauch. Der 'kleine Martin' geht sofort in Bereitschaft. Seit einer Woche hat Sabine überhaupt keine Schmerzen mehr und wir nutzen das im Bett redlich aus. Sabine ist die bisher flexibelste Liebhaberin. Wir sprechen offen über Wünsche und Grenzen und ich bin da wohl eher der Normalo, während Sabine in der Vergangenheit auch über ihre Grenzen belastet wurde. Wir lernen beide sehr viel über uns.

Wir fallen ins Bett zurück. Sie schiebt ihr Becken auf mich und mein Glied schiebt sich in die bereits feuchte Grotte. Ich versuche, mich zurückzuziehen, und keuche nur: "Kondom?"

Sabine küsst mich: "Ich nehme die Pille und ich bin im Krankenhaus untersucht worden. Wenn du nicht jedes Bordell von hier bis Madrid besucht hast in den letzten Monaten, dann sollte das kein Problem sein.

Nach ein paar Minuten intensivster Zuneigung mit viel Stöhnen und Liebesschwüren stelle ich mal wieder fest: Ein Kondom schützt, ist aber definitiv nie gefühlsecht.

Eine halbe Stunde später sitzen wir am Frühstückstisch. Es hat sich etabliert, dass eines der Kinder (einschließlich Betty) am Sonnabend und Sonntag Brötchen holt und dann Karin zum Frühstück dazukommt.

Nach dem Frühstück sammelt Carsten noch letzte Wünsche für die Einkaufsliste und fährt mit Sabine und Karin einkaufen.

Frank, Betty und ich holen den Weihnachtsbaum von der Terrasse und stellen ihn im Wohnzimmer auf. Sabines Haltung zu Weihnachten hat sich trotz der Umstände mit Sandra vollständig geändert. Die Kinder freuen sich auf ihr erstes richtiges Weihnachten nach Jahren und haben die Wohnung - aus meiner Sicht etwas zu bunt, aber okay - geschmückt.

Auch für Betty ist es etwas Neues. Im Heim gab es natürlich auch einen Weihnachtsbaum und Schmuck, aber es gab halt nur das, was da wahr. Neues gab es nicht.

Da dies mein erstes Weihnachten nach Susanne in der neuen Wohnung ist, musste eigentlich alles neu gekauft werden. Ich hatte ein Budget vorgegeben, das wurde auch fast eingehalten. Extra kam die Beleuchtung vor dem Haus.

Zwischendurch spreche ich kurz mit Betty, ohne dass Frank etwas mitbekommt. Sie nickt eifrig und verschwindet dann kurz in ihrem Zimmer.

Am Nachmittag sitzen wir bei einer Tasse Kaffee zusammen und besprechen, wie der Ablauf morgen sein soll. Ich habe vorgeschlagen, ein klassisches Weihnachten mit Kartoffelsalat und Würstchen. Am Ersten wollte ich eine Gans machen und am zweiten Essen gehen, wenn wir denn überhaupt noch Hunger haben. Einen Tisch habe ich reserviert, dass wo bleibt aber ein Geheimnis.

Bescherung nach dem Mittag, da ich es in der Kindheit immer gehasst habe, nach der Bescherung relativ schnell ins Bett zu müssen.

Mein Handy klingelt. Michael, mein Chef. Er entschuldigt sich - wie abgesprochen - 1000 Mal, aber eine Kundeneskalation erfordert mein Eingreifen. Er sitzt im Büro mit dem Kunden, ob ich wohl eine Stunde Zeit hätte.

Sabine schaut mich zwar komisch an, nickt dann aber: "Dafür bist du heute für das Abendessen verantwortlich. Das engt dann auch den Zeitrahmen entsprechend ein." Sie gibt mir einen Kuss und schiebt mich in Richtung Tür.

Nach einer Stunde bin ich wieder zuhause. Ich öffne die Tür und lasse Werner und Marlis, die Eltern von Melanie eintreten und stelle sie vor. Ich kann sehen, dass Sabine fast zusammenbricht, sich aber trotzdem unendlich freut. Es wird ein sehr schöner Abend und Marlis, Werner und Sabine sprechen bis lange in die Nacht miteinander und ich kann erkennen, dass es Sabine unendlich guttut, mit anderen über den Tod eines eigenen Kindes reden zu können.

Irgendwann abends fragt mich Karin, wo die beiden denn schlafen wollen.

"Nun ja, es sollte ja eine Überraschung werden. Ich habe nur Betty gesagt, sie soll heute ihr Zimmer für eventuelle Gäste freihalten, aber nichts sagen."

Sabine schaut Betty böse an: "Und du hast mir nichts gesagt? Wir beide Reden noch, du Früchtchen." Sie lächelt dann aber, denn böse ist sie Betty natürlich nicht.

Als Sabine und ich zusammen im Bett liegen, schaut sie mich mit großen Augen an: "Du weißt schon, dass du mir heute schon ein wunderschönes Weihnachtsgeschenk gemacht hast? Ich war zwar erst etwas überrascht, dass du einfach noch ein paar Leute anschleppst, aber die Eltern von Melanie? Du bist der tollste Mensch. Wie bist du darauf gekommen?"

"Eigentlich war es die Idee von Marlis und Werner. Sie wollten euch kennenlernen und vor allem dich. Sie wollten sich austauschen und als ich erzählt habe, dass Sandra Heiligabend geboren wurde, kamen sie mit der Idee um die Ecke, doch Weihnachten bei uns zu verbringen. Ich hatte dann Michael gebeten, mich aus dem Haus zu locken, hat ja geklappt." Ich küsse sie und ziehe sie zu mir.

Heute ist uns deutlich der Sinn nach kuscheln. Daher passiert genau das.

Kapitel 17 - Weihnachten

Mit "Frohe Weihnachten" werde ich wach und auf einmal wird es eiskalt auf der Brust. Ich reiße die Augen auf und Sabine steht mit einem weiteren Schneeball vor mir und schiebt mir den Schnee in die Hose.

Der 'kleine Martin' flieht in Richtung Bauchfalte und verschwindet. Die nächsten zehn Minuten kabbeln wir uns im Bett, stehen dann aber auf und springen gemeinsam unter die Dusche. Sabine gibt sich redlich mühe, meinen Schwanz wieder aus seinem Versteck zu locken und die mündliche Entschuldigung führt dazu, dass ich das erste Mal im Leben Sex im Stehen habe. Mit 52, kurz vor der Bahre. Aber auch Sabine seufzt hinterher: "Das machen wir gerne wieder, aber nur mit viel, viel Training und nicht jeden Tag."

"Ich grinse: Ab sofort werde ich meine Karte fürs Fitnessstudio nicht nur im Auto spazieren fahren, sondern auch einsetzen. Für dich würde ich dann wohl eine Partnerkarte organisieren."

Sabine grinst: "Eigentlich eine gute Idee, erzählst Du den Trainern das neue Trainingsziel?"

Wir lachen auf und ich drehe das kalte Wasser voll auf.

Am Frühstückstisch ist eine ausgelassene Stimmung. Carsten, Betty und Frank sind total aufgeregt, es ist halt Weihnachten.

Kurz vor Ende des Frühstücks überrascht Sabine mich und uns mit der Frage: "Können wir zum Friedhof fahren?" Sie schaut Marlis an: "Ich finde toll, was ihr jedes Jahr mit Melanie macht, und ich habe meine Tochter nach ihrem Tod nie besucht. Ich weiß, heute ist Weihnachten, aber ..." Sie blickt nach unten.

Ich schaue Marlis und Werner an, die nicken sofort. Dann schaue ich zu den Kindern: "Und ihr? Wollt ihr mit?"

Frank sagt sofort zu, damit ist die Antwort von Betty klar. Er hat zwar nicht viele Erinnerungen an seine Schwester, er war damals gerade sechs Jahre alt geworden. Carsten zuckt mit den Achseln, er war ein Säugling: "Ich gehe mit Mama."

Karin nickt und ist auffallend ruhig. Sie lächelt mich dabei aber an.

Also springen wir in die zwei Autos und fahren zum Friedhof. Es ist bitterkalt, aber das Grab ist gepflegt. Wolfgang hat jedes Jahr eine Gärtnerei beauftragt, die sich darum kümmert, erzählt sie.

Sabine tritt vor. Alle anderen treten ein wenig zurück, damit sie zu ihrer Tochter sprechen kann, aber Sabine winkt uns zu sich und nimmt dann meine und Carstens Hand. Ich greife zu Franks Hand, und so halten wir uns alle an den Händen, als sie anfängt, zu erzählen.

Dass sie sich vom Vater von Sandra getrennt hat, dass sie jemanden Neues kennengelernt hat und dass ihr gezeigt wurde, dass Leben auch schön sein kann. Dass es ihr Leid tut, dass sie so wenig für Sandra in den letzten Jahren da war und dass sie sich freut, hier häufiger vorbeizukommen, um ihr Geschichten aus unserem Leben zu erzählen.

Wir haben alle Tränen in den Augen, aber verlassen den Friedhof doch mit einem Lächeln auf den Lippen, da wir das Gefühl mitnehmen, Sandra mit einbezogen zu haben.

Beim Einsteigen ins Auto sehe ich ein anderes Fahrzeug auf dem Parkplatz stehen und auf dem Beifahrersitz erkenne ich Wolfgang. Bein Losfahren nicke ich ihm zu und er hebt die Hand. Wir haben uns verstanden. Die anderen bekommen wohl nichts mit.

Nach dem Kaffee - Karin hat sich wieder mit dem Kuchen überboten, wobei sie von den Künsten von Betty schwärmt, die wohl ordentlich geholfen hat - kommen wir zur Bescherung.

Carsten bekommt eine Reihe von Spielen. Er hat zwischenzeitlich in der Nachbarschaft ein paar Freunde, mit denen er Gesellschaftsspiele spielen möchte. Auf jeden Fall besser als nur Zocken vorm PC.

Frank hält stolz ein neues Handy in Händen, mit Touch, und allem. Die Nummer werde ich in den nächsten Tagen auf das neue Gerät übertragen, zusätzlich gibt es einen Gutschein für ein Wochenende für zwei Personen in Köln zum Karneval. Frank ist ein totaler Karnevalsfreak.

Werner und Marlis erklären sich sofort bereit, mit beiden zu einer Sitzung zu gehen. Das muss zwar organisiert werden, aber ist ja noch ein paar Monate zeit. Wer die zweite Person ist, ist ja klar. Weiterhin bekommt er seine erste eigene Gitarre. Er ist total begeistert. Ich sehe schon meine einsamen Stunden im Musikzimmer wegfallen ...

Betty bekommt als Nächstes zwei Umschlage und ein schweres Paket. Sie öffnet den Ersten und schaut fragend auf ein Formular und ein paar Briefe. Es ist zum Einen die Anmeldung für sie in 'unserer' Wohnung, muss sie nur noch unterschreiben. Weiterhin ein Schreiben der Heimleitung, das zustimmt, dass ihre Unterkunft mit Ende dieses Jahres beendet wird und ein weiteres, was sie aus der Fürsorge des Landes Berlin entlässt. Ansprechpartner für sie in Zukunft: "Martin Müller und Sabine Bremer."

Heulend springt sie auf und uns in die Arme. Eine Weile sitzen wir drei zusammen und sie freut sich für uns. Dann fragt sie schüchtern: "Aber darf ich denn jetzt noch mit Frank ..."

Ich grinse: "Klar, ihr seid nicht verwandt, also."

Dann sitzt sie wieder bei Frank und die beiden umschlingen sich. Dass sie 'nebenbei' noch ein Laptop bekommen hat, geht im Gewusel unter.

Dann erhält Sabine zwei Geschenke: zum einen Autoschlüssel. Den Golf habe ich aus dem Leasing übernommen und den BMW fahre ich weiter als Firmenwagen.

"Du spinnst mal wieder", sagt sie und fällt mir um den Arm.

Nachdem Karin, Marlis und Werner auch ihre Geschenke geöffnet haben, schaut Sabine mich an: "Was kann der Weihnachtsmann einem Menschen schenken, der eigentlich alles hat. Wir haben lange mit dem Nordpol diskutiert und haben doch etwas gefunden. Sie überreicht mir einen Umschlag. Enthalten sind drei unterschriebene Ummeldungen von Sabine, Carsten und Frank. Weiterhin eine Kopie der Kündigung der alten Wohnung."

Als dann die drei - Carsten, Frank und Britta - mitteilen, dass sie mich gerne Papa, Vater oder ähnliches Nennen wollen, wenn ich dass denn OK finde - Betty bittet auch Sabine, darum, sie Mama nennen zu dürfen - ist es komplett vorbei.

Irgendwann meint Karin unter Tränen: "Weihnachten wird nicht geweint."

Epilog

Im Januar haben wir die alte Wohnung aufgelöst. Ein paar Möbel mitgenommen, ein paar Möbel gingen in das alte Heim von Betty, der Rest auf den Sperrmüll.

Außerdem feierten Betty und Frank ihren Geburtstag im Januar. Beide bekommen von mir die Fahrstunden für ihren Führerschein finanziert.

Am letzten Freitag im Januar komme ich das erste Mal seit fünf Jahren nicht mehr alleine zur Jahresfeier unserer Firma. Carsten wird zusammen mit anderen Kindern bespaßt, Frank und Betty werden von den Azubis mit in deren Runde aufgenommen und Karin, mit 74 eine Partymaus, lässt es ordentlich krachen und verschwindet mit einem Kunden von der Veranstaltung. Sie hat anschließend relativ wenig Zeit für uns. Harald Barum, ein Vorstandsmitglied eines Großkunden von uns, ist danach auch häufiger bei Besuch bei Karin.

In den Osterferien machen wir gemeinsam Urlaub in der Toskana. Es ist ein wunderschöner Urlaub. Ein bisschen Erholung, ein bisschen Sightseeing. Betty ist das erste Mal dort und der Besuch der Uffizien führt zu der Ansage: "Ich studiere Kunst."

Und wir beide? Sabine und ich arbeiten eng miteinander, privat und beruflich. Wir pflegen gegenseitig unsere seelischen Wunden.

Im Job haben wir festgestellt, dass wir zwei Büros brauchen. Nach einer Diskussion in einer Planungsrunde hat mich Michael einmal angerufen und gefragt, ob wir privat Krach haben, so heftig sind wir uns angegangen. Was er nicht wusste: Während ich versuche, ihn mehr oder weniger schnell abzuwürgen, ist Sabine dabei, mich mit dem Mund zu stimulieren. Stress in der Firma ist für uns ein intensives Aphrodisiakum, was wir oft unmittelbar nach diesen Meetings ausnutzen.

Ich habe dem Alkohol zwischenzeitlich auch abgeschworen. Zumindest haben wir keinen mehr im Hause.

Karin, wenn sie denn mal zuhause ist, meist ist sie zwischenzeitlich bei ihrem Harald, hat immer noch einen guten Grappa im Schrank, den wir dann und wann einmal genießen.

Frank und Betty haben nach ein paar Versuchen auf Partys bei Freunden das Thema auch beiseitegelegt, es führt halt zu nichts außer Gleichgewichtsproblemen oder Lederallergie - Ihr kennt das: Ihr wacht morgens im Bett auf und habt die Schuhe noch an und fürchterliche Kopfschmerzen. Das muss am Leder der Schuhe liegen.

Ich habe zum Geburtstag von meiner Familie einen Hund bekommen - aus dem Tierheim. Damit habe ich alle meine Wünsche erfüllt oder sogar übererfüllt bekommen.

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Mal schauen, wie es so weitergeht, Britta und Frank sind sicher ein Thema für sich und auch Karin scheint ja keine Kostverächterin zu sein.

Für mich war das aber vermutlich der letzte Ausflug in die Romantik. Ich bleibe lieber bei Fantasy und SF, die Spielmasse erscheint mir da größer.



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