Lehrstunde (fm:Das Erste Mal, 5821 Wörter)

Ein junges Mädchen hat es nicht leicht, wenn es als Spross eines kinderlosen ältlichen Ehepaars groß wird, welches es sich als Aufgabe gemacht hat, es wohlbehütet im Kreise der Glaubensgemeinschaft "Zeugen des Sofas" aufwachsen zu lassen.

Natürlich waren meine kindlichen Lebensjahre von fürsorglicher Liebe und Zuwendung im Kreise der Gemeinde geprägt. Aber auch nur dort.

Selbst das Internat der Glaubensgemeinschaft ist alles andere als säkular und progressiv.

Aber jetzt, als junge Frau von nunmehr 18 Jahren will ich mehr. Es muss anderes geben im Leben, als Gesprächsrunden und Hausmusik.

Auch möchte ich nicht immer die sackartige Kleidung tragen, welche von der Glaubensgemeinschaft bevorzugt wird.

So gerne will ich den knöchellangen Rock gegen einen tauschen, der vielleicht sogar bis über das Knie ging. Oder mal eine Hose tragen, mit einem Top, am besten bauchfrei, welches auch Sonne an meinen blassen Körper lässt.

In den wenigen Fernsehstunden, die man mir nachmittags zugesteht, hatte ich schon ein paar Mal junge Frauen in der Werbung gesehen, die solche Sachen stolz präsentierten.

"Das würde mir auch stehen!", denke ich verlegen, als ich in meiner kleinen Stube vor dem schmalen Spiegel stehe, den ich mir heimlich besorgt habe und seit dem zwischen meinen Röcken in dem alten Kleiderschrank verstecke. Eitelkeit ist eine Sünde, das weiß ich.

"Eigentlich bin ich hübsch", schießt es mir trotzdem verbotener Weise durch den Kopf. Aufmerksam betrachte ich meine hochgewachsene schlanke Gestalt.

Ich habe langes glattes Haar, welches mir jetzt gerade offen bis über die Schultern fällt. Es ist rotbraun und eigentlich immer zu einem strengen Zopf geflochten. Jetzt aber möchte ich es sehen und schüttel es wild, bis es sich mit etwas mehr Volumen gleichmäßig verteilt.

Das Rotbraun wirkt zu meinen grünen, etwas zu weit auseinanderstehenden Augen kontrastreich, auch wenn meine Haut sehr hell ist.

Dazu habe ich eine schmale Nase und blassrote volle Lippen, die ich mit der Zungenspitze etwas anfeuchte, wie ich es in der Werbung gesehen habe.

Ich nehme meine Haare etwas hoch, gehe ins Hohlkreuz und drehe mich vor dem Spiegel hin und her. Genau so machten das die Frauen im Fernsehen auch.

Das Spiel gefällt mir. Ich stelle mir vor, auch vor einer Kamera zu stehen und so gehe ich hin und her, wobei ich versuche, meine Hüften auch von einer Seite auf die andere zu schwenken.

Leider verbergen die langarmige weite Bluse und der lange Rock alles.

Vorsichtig öffne ich meine Zimmertür und lausche nach unten in den Wohnbereich. Vater ist arbeiten und Mutter scheint in der Küche beschäftigt. Zumindest höre ich das emsige Klappern von Töpfen und Deckeln.

"Ich riskiere es" drängt sich ein vorwitziger Gedanke auf und ich fange an, mir umständlich die Bluse über den Kopf zu ziehen. Dazu streife ich mir den bis zur Taille reichenden Rock bin auf die Hüften.

Im Spiegel sehe ich einen etwas zu mageren, eckigen Körper, dessen zu üppiger Busen in einen harten zerschlissenen BH gepresst wird.

Auch den will ich nicht mehr an mir sehen und so löse ich vier Haken auf meinem Rücken und lasse ihn erleichtert auf den Boden fallen.

Meine Brüste sind immer noch in der gleichen Position, aber nun schweben sie frei und prall und mir wird fast schwindelig vor so viel Freiheitsgefühl.

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