Für einen ganz besonderen Leser (fm:1 auf 1, 2364 Wörter)

Die junge Frau an der Bar bestellt einen Wein. Rot, wie ihr Kleid. Viel ist nicht los, es ist früh am Abend und vermutlich wartet sie auf jemanden. Wenn nur ihr enttäuschter Gesichtsaudruck nicht wäre. Die Beine, die in schwarzen Stiefeletten stecken, schlägt sie übereinander und betrachtet ihr eigenes Gesicht im Spiegel gegenüber, während sie den ersten Schluck trinkt. Flüchtig bemerkt sie, dass der Mann an einem der Tische sie durch den Spiegel ansieht. Sie nickt ihm zu. Er hat ein nettes Gesicht, aber für heute hat sie genug von unerfüllten Erwartungen. Sie greift nach dem Schälchen mit Erdnüssen und zückt ihr Smartphone. Zwei neue Nachrichten. Als sie den Absender sieht, öffnet sie die Nachrichten nicht. Stattdessen scrollt sie durch den Instagram-Feed.

"Guten Abend. Darf ich?" Kassi schaut auf. Der Mann aus dem Spiegel steht neben ihr und deutet auf einen Hocker. Er hat einen Akzent, aber Kassi kann ihn nicht zuordnen. Jedenfalls klingt seine Stimme angenehm. "Bitte." "Sie warten sicher auf jemanden, aber ich konnte nicht widerstehen. Niemand sollte eine so schöne Frau warten lassen." Kassandras Lächeln wirkt etwas müde, aber in ihren Augen glimmt ein schwacher Funken Interesse. Wie er das "r" ausspricht, das hat irgendwie was. "Tatsächlich warte ich nicht mehr, ich wurde schon enttäuscht." Ihre Antwort ist direkt. Sie hat keine Lust mehr auf Spielchen. Aber wieso sollte sie sich nicht ein wenig mit diesem Fremden unterhalten, damit der Abend nicht ganz verschwendet ist. Jetzt wo sie ihn von Nahem betrachtet, ist sein Lächeln entwaffnend. Sie streckt ihm die Hand hin "Kassandra, oder meistens Kassi." Er nimmt ihre Hand, doch statt sie zu schütteln, führt er sie zum Mund. Der Handkuss ist Kitsch pur, aber er bringt sie zum Schmunzeln. Der attraktive Mann stellt sich ihr als Paul vor und zeigt sich angemessen entrüstet, dass der andere sie versetzt hat. Kassandra stellt die Umstände klar: Versetzt hat Martin sie nicht, aber von dem ansprechenden Profil mit dem sie sich eigentlich verabredet hatte, ist im echten Leben nicht viel zu spüren gewesen. Und bevor sie da in irgendwas hineingerät, hatte sie sich versucht diplomatisch zurückgezogen.

Paul seinerseits erzählt, dass er nur auf der Durchreise ist. Er wird am nächsten Tag von Frankfurt aus ein Flugzeug in die USA nehmen. Bei seinem Arbeitgeber, einem großen Automobilhersteller, wird der Dienst im Ausland für einige Zeit vorausgesetzt. Sein gesamtes Gepäck wurde schon per Container verschifft, fehlt nur noch er. Tatsächlich kann Kassi ihn sich gut in einer Führungsposition vorstellen. Zum Business-Outfit, fehlt nur noch die Krawatte, aber wenn sie ehrlich ist, gefällt ihr der leger geöffnete oberste Knopf fast besser. Was ist nur los mit ihr. Sie sitzt hier, unterhält sich noch keine 5 Minuten mit einem völlig Fremden und zieht ihn schon in Gedanken aus. Verlegen lächelt sie bei dem Gedanken, was Paul nicht verborgen bleibt. Mit einem untrüglichen Gefühl für den Moment und einem unwiderstehlichen Zwinkern, hält er ihr seine Hand hin. "Darf ich dich noch zu einer Kleinigkeit zu Essen entführen?"

Voll Abenteuerlust nimmt Kassandra seine Hand und er geleitet sie die vier Meter bis zu seinem bisherigen Tisch. Dabei liegt sein Daumen fast besitzergreifend auf ihren Fingern, was leichte Schauer durch ihren Körper jagt. Verdammt, was löst dieser Typ da in ihr aus? Die beiden unterhalten sich, bis die bestellte Pizza kommt, lachen gemeinsam und flirten was das Zeug hält. Unter dem Tisch berühren sich ihre Knie, zuerst zufällig, dann aber immer öfter und Kassi wird ganz warm. Irgendwann beugt sie sich frech zu ihm hinüber und offnet auch die nächsten beiden Knöpfe seines Hemdes. Sie beißt sich kurz auf die Lippe und begründet es mit "Weil mir die Aussicht so besser gefällt." Ohne zu Zögern legt Paul seine Hand an ihr Kinn. "Und was bekomme ich im Gegenzug?" Sekundenlang sehen die beiden sich in die Augen, die Spannung steigt. Dann beugt sich Kassi vor und gibt ihm einen Kuss, just neben seine Lippen. Sie legt ihre Wange an seine und flüstert ihm ins Ohr: "Ein ganz ernst gemeintes Dankeschön."

Als sie sich wieder zurücklehnen will, hält er sie zurück, legt seine Arme um sie und flüstert seinerseits "Es gefällt mir, wenn du mir so nah bist." Dann lässt er sie los und sieht ihr mit einem hungrigen Blick ins Gesicht, seine Lippen formen die Worte "Ich will dich." Kassandra bleibt kurz der Atem weg. Ja, sie will ihn auch, wie konnte es so schnell so weit kommen? Das ist sie von sich nicht gewohnt und wie ein Zuschauer in ihrem eigenen Körper beobachtet sie sich dabei, wie sie die Hand auf seinen Oberschenkel legt, sodass ihre Finger gar

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