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Selina21

Mein Name ist Selina. Ich bin 23 Jahre alt. Noch 23 Jahre alt. Da ich durch die Sonne schnell braun werde, vermuten viele, die meinen Namen hören, dass ich türkischer Abstammung sei. Oder etwas ähnliches. Meine Eltern sind aber beide Deutsche, so wie auch alle meine Großmütter und -väter. Wenn ich das richtig zusammenbekomme, bin ich auf einer Türkeireise meiner Eltern entstanden und als Reminiszenz gaben sie mir einen Namen, der daran erinnerte. Im Türkischen bedeutet Selina oder Selin "das fließende Wasser". Selin kann aber auch "lieblich", "die Freude", "die Begabte und Talentierte", "Wasserfall" und "Mondgöttin" bedeuten. Ich bin froh, dass ich das "a" am Ende bekommen habe. Mit all diesen Bedeutungen kann ich gut leben. Ich mag das Wasser, gleich ob am Meer oder in einem Pool. Lieblich bin ich sowieso und eine Freude für meine Eltern ebenso. Dass ich begabt und talentiert bin werdet Ihr vielleicht noch merken. Falls nicht, muss ich damit leben.

Meine Eltern haben eine zweite Freude geboren, meine Schwester Julia. Ob Julia in Verona gezeugt wurde oder warum sie diesen Namen bekommen hat, weiß ich nicht. Auf alle Fälle erzeugt Julia weniger östliche Assoziationen als Selina. Zumal meine kleine Schwester, sie ist zweieinhalb Jahre jünger als ich, nicht nur bildhübsch ist, sondern auch ein etwas hellerer Hauttyp als ich. Ich schlage mehr nach unserem Vater, Julia mehr nach unserer Mutter. Julia hat - im Gegensatz zu mir - einen Freund, eine echte Sahneschnitte, der ein paar Jahre älter ist als sie und auch als ich. Wenn die beiden irgendwo auftauchen, ziehen sie alle Blicke auf sich, das kann ich Euch sagen. Nicht, dass ich mich für weniger attraktiv halte als meine Sis, aber der optische Doppelpack macht schon etwas her, das muss ich zugeben.

Mittlerweile studiere ich im siebten Semester Jura in einer deutschen Großstadt mit einer für Jura bekannten Universität. Um die Spurensuche nicht allzu leicht zu machen, muss ich an der einen oder anderen Stelle etwas verschleiern oder Details wie Namen und andere personenbezogene Daten auch mal verfälschen. Sonst wäre es eine Anfängeraufgabe, mich ausfindig zu machen und mit mir meine Familie und mein sonstiges Umfeld. Meine Eltern wohnen im Taunus, wo ich auch aufgewachsen bin. Der Taunus ist ein deutsches Mittelgebirge in der Mitte von Deutschland, an dessen Rand es mittlere Einkommen nicht ganz einfach haben, Wohneigentum zu bilden. Ihr wisst, was ich meine. Meine Eltern besitzen ein Haus an einem dieser elitären Ort, wobei Haus richtig ist, aber falsche Bilder im Kopf hervorrufen. Vielleicht ein Reihenhaus oder ein Doppelhaus. Das Haus steht definitiv alleine. Und zwar auf einem großen Grundstück. Auf einem recht großen Grundstück. Dennoch wirkt das Haus nicht verloren, weil es eine gewisse Größe hat.

Da meine Eltern beide beruflich engagiert sind, haben sie Hilfe in Haus und Garten. Vielleicht stelle ich Euch die eine oder den anderen zwischendurch vor. Meine Eltern arbeiten zusammen und doch getrennt. Beide sind Juristen. Wen wundert es jetzt noch, dass ich Jura studiere? Mein Vater für Wirtschaftsrecht, der Zweig, auf den ich mich gerade spezialisiere. Ich sagte doch, ich komme mehr nach meinem Vater. Meine Mutter ist Anwältin für Familien- und Erbrecht. Da vieles von ihrer Seite kommt, die Kanzlei und das Grundstück zum Beispiel, ist Erbrecht bei ihr gut aufgehoben und niemand muss sich Gedanken machen, dass sie im Falle des Falles leer ausgeht. Nun denkt Ihr bestimmt, dass meine Schwester auch Jura studiert und sich auf Familien- und Erbrecht spezialisiert. Tut sie nicht. Sie ist für Wirtschaftswissenschaften eingeschrieben, aber ob sie das ernsthaft betreibt und abschließt, wissen die Göttinnen. Ich glaube es noch nicht.

Meine Eltern führen eine große Kanzlei mit was-weiß-ich-wie-vielen Angestellten. Die Kanzlei trägt den Namen meiner Eltern. Nicht mehr den meines Großvaters mütterlicherseits. Das war Bedingung meines Vaters. Die jungen Anwälte und Anwältinnen, manche auch erst angehend, die in der Kanzlei arbeiten, haben keinen 9-to-5-Job. Aber den haben meine Eltern auch nicht. Nie gehabt, so lange ich mich erinnern kann.

Sie waren immer für uns da, aber nicht von morgens bis abends. Dafür gab es Kindermädchen und Haushälterinnen. Ich habe nicht den Eindruck, dass mir etwas deswegen fehlt. Meine Schulbildung, auch unterstützt durch professionelle Nachhilfe, Bildung generell in Sachen Literatur, Musik und Politik, nun das Studium samt geräumiger Wohnung am Studienort, all das muss man sich erstmal leisten können.

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