Das Generationenhaus (fm:Sonstige, 4977 Wörter) | ||
Autor: Achterlaub | ||
Veröffentlicht: Jan 25 2010 | Gesehen / Gelesen: 44776 / 37650 [84%] | Bewertung Geschichte: 8.60 (204 Stimmen) |
Student sucht dringend eine Bude. Er wird überraschend in einer herrschaftlichen Villa aufgenommen, in der er mehr als eine Unterkunft findet. |
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Das Generationenhaus
Endlich hatte ich nach langen Wartesemestern meinen Studienplatz in Hamburg erhalten. Das tägliche Einpendeln von einem kleinen Ort in der Lüneburger Heide in die große Stadt schien mir zu beschwerlich. So machte ich mich sogleich nach der freudigen Mitteilung auf die Wohnungssuche. Doch auch nach zwei Wochen war ich meinem Ziel kaum näher gekommen. Vor allem der geforderte Preis für eine Unterkunft lag weit außerhalb meiner Möglichkeiten, selbst in Studenten-Wohngemeinschaften. Eine Woche vor Semesterbeginn durchforstete ich unermüdlich die Zeitungen und Werbeblättchen nach erschwinglichen Angeboten. Nun war es schon wieder Sonntag geworden. Rasch huschten meine Finger über die Spalten der Kleinanzeigen. So manche Wohnung erkannte ich wieder. Es waren die abgewrackten Unterkünfte, die habgierige Vermieter jungen Menschen in Not anpriesen. Dann folgte die große Masse an großzügigem Wohnraum mit oder ohne Blick auf die Alster, aber immer mit monatlichen Kosten im vierstelligen Bereich. Zwischen all diesen Furchtbarkeiten ließ mich eine Annonce aufhorchen. Gesucht wurde ein ruhiger Mieter/Mieterin für ein geräumiges Zimmer. Sogar ein Garten sei vorhanden. Als ich las, der Raum sei teilmöbliert und werde für 250 Euro im Monat mit allen Nebenkosten abgegeben, jubilierte ich innerlich. Gleichzeitig kamen Bedenken auf. Sicherlich wäre der Andrang enorm und meine Chancen entsprechend gering. Aber ich wollte es versuchen.
Als Auswärtiger kannte ich mich nicht in Hamburg aus. So war ich bass erstaunt, die angepriesene Unterkunft in einer kleinen Villa Mitten im Grünen zu finden. Durch das Gartentor, über den Zuweg zum Haus eilten schon etliche Interessenten. Einen Augenblick zögerte ich und wollte schon angesichts der offensichtlichen Hoffnungslosigkeit meines Unterfangens den Heimweg antreten, ließ mich dann aber doch nicht beirren. Schon von Weitem hörte ich die Hausherrin das Objekt anpreisen. Sie war für mich unsichtbar, weil eine Traube Menschen sie vor der Haustür umlagerte. Da gab es sogar Konkurrenten, die sich nicht schämten, öffentlich einen höheren Mietzins zu bieten, wenn ihnen nur die Wohnung zugesprochen würde. Die Menschentraube war in großer Bewegung. Allmählich lösten sich etliche und verließen ernüchtert oder laut fluchend das Grundstück. Ihre Hoffnungen hatten sich enttäuscht. Nur ein harter Kern blieb übrig. Sie überboten sich geradezu in der Darstellung ihrer wirtschaftlichen und sonstigen persönlichen Vorzüge. Als ich näher trat, waren noch gut ein halbes Dutzend Bewerber zugegen. Nun konnte ich erst den Vermieter erkennen. Es war ein Frau. Ich schätzte sie auf Mitte Ende dreißig. Das Auffälligste an ihr war neben der eher sportlich-sehnigen Gestalt ein kastanienbraun gefärbter Bubikopf. Die Haare schlugen jedes Mal um das Gesicht, sobald sich die Frau einem der Interessenten zuwendete. Sie fuchtelte wild mit den Armen umher. Zu verstehen war sie kaum. Bald machte sie den Eindruck, als ob ihr alles zu viel würde. Ich hatte in das Geschehen noch nicht eingegriffen, sondern stand sozusagen in Lauerstellung immer noch in der zweiten Reihe. Dann sah ich nur, wie die Frau ihre Arme kraftlos nach unten fallen ließ. Sie hielt für einen Moment starr inne, streckte plötzlich ihre Arme vor, teilte den Ring der um sie versammelten Personen und trat überraschend vor mich hin. Starr blickte sie mir ins Gesicht und fragte nur kurz und bestimmend: "Haben Sie Interesse an der Wohnung?" Als ich nickte und laut "Ja" sprach, wendete sie sich den anderen zu und sagte in einem schnippischen Unterton: "Tut mir leid, ich habe die Wohnung gerade vergeben. Verlassen Sie jetzt bitte das Grundstück." Ich wollte mich der Menge schon anschließen. Sie aber hielt mich am Jackenärmel fest und bedeutete mir, ihr ins Haus zu folgen. Das war kaum zu fassen: Mir war eine Wohnung zugeschlagen worden, die ich ebenso wenig kannte wie die Vermieterin eine Ahnung von mir hatte.
Als ich das der Frau sagte, lachte sie laut und fügte hinzu: "Wissen Sie, ich muss nicht vermieten. Sie haben mir einfach gefallen. Das alles habe ich mir nicht so kompliziert vorgestellt. Der Rest wird sich finden." Offenbar hatte ich wirklich das große Los gezogen. Der Raum war fast 30 Quadratmeter groß mit Blick auf einen wundervoll angelegten Garten. Hierum müsse ich mich nicht kümmern, sagte die Vermieterin. Dafür sei der Gärtner zuständig. Sie habe nach dem frühen Tod ihres Mannes so viel Platz im Haus. Da wolle sie jungen Menschen eine Chance auf eine gute Unterkunft geben. Das Haus sei so groß, dass ich sogar in einem eigenen kleinen Flügel über ein eigenes Bad verfügen könne. Auch ums Putzen müsse ich mich nicht kümmern. Dafür sei eine Reinigungskraft eingestellt. Sie würde auch bei mir aufräumen, wenn ich das wünsche.
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