Ex Libris 05 oder 'Von Briefen und schweigsamen Enten' (fm:Sonstige, 4236 Wörter) [5/5] alle Teile anzeigen | ||
Autor: Iron_Duke | ||
Veröffentlicht: Jul 25 2010 | Gesehen / Gelesen: 13683 / 10913 [80%] | Bewertung Teil: 9.23 (48 Stimmen) |
Der fünfte Teil des 1970er Jahre Märchens in dem ein Komplott geschmiedet wird. Oliver hat erst eine Idee und dann findet er statt Angelika ein Schwesternwohnheim. |
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éMom nimmt die Pille! Naja sie ist gerade mal 38, das passt schon', dachte ich und grinste zurück. »Klar, ich frag sie mal.«
Dad schien jetzt auch in Gedanken versunken, was er sich wohl gerade vorstellte?
»Dad?«
»Mmh.«
»Es war Klasse! Einfach supertoll!«
»Ja, Oliver! Das ist es«, schmunzelte mein Vater und hing weiter seinen Gedanken nach.
Ich stand auf und ging in die Küche. Meine Mutter war mit Vorbereitungen für das Abendessen beschäftigt. éEigentlich sieht sie echt toll aus', fiel mir auf. éIch kann Dad schon verstehen.' Ich hatte mich entschlossen, auch sie auf den neuesten Stand zu bringen.
»Mom, sie heißt Angelika und geht mit mir in die gleiche Jahrgangsstufe. Es war der Hammer, wunderschön. Und die Pille nimmt sie auch.«
Mom drehte den Kopf zu mir. éSie hat tolle blaue Augen!' Das war mir bisher gar nicht aufgefallen.
Sie lächelte. »Das ist lieb, Oliver, dass du mir das alles erzählst. Isst du mit uns Abendbrot?«
»Nein danke, Mom, ich hab keinen Hunger. Ich geh hoch, hör noch was Musik und schlaf dann.«
»Bitte geh noch baden vorher, es ist nötig.«
»Okay, Mom«, sagte ich. An diesem Wochenende hatte ich alle Körperpflegerekorde gebrochen, da kam es auf einmal mehr auch nicht mehr an. Ich nahm ein langes, nicht zu heißes Bad und mopste etwas von der Hautcreme meiner Mutter für mein armes, geschundenes Schwänzchen. éFür eine faltenfreie, jugendliche Haut über 30', stand drauf. Nun ja, runzelig genug war er ja...
Mein Zimmer kam mir fremd vor. Klar, es war alles da, so, wie ich es am Freitag Morgen verlassen hatte, beziehungsweise etwas ordentlicher. Mom war hier gewesen. Nicht das Zimmer hatte sich verändert, sondern ich mich. Die Fischertechnik-Baukästen, das Lego, die Fußballposter an der Wand - das alles stammte aus einer längst vergangenen Zeit.
Ich schaltete den Radiowecker ein, SWF3, der einzige Sender neben BFBS, den man sich überhaupt anhören konnte, und legte mich nackt ins Bett. éWie kann man nur mit Klamotten schlafen?', dachte ich. éSo ist es doch viel schöner.' Ich kuschelte mich in meine Decke, schaute mir noch einen Diavortrag über das vergangene Wochenende an und schlief ein.
40. Herr Willich erleidet einen herben Verlust
Am nächsten Morgen war das einzig Bemerkenswerte, dass Mom mir eine Tube mit Heilcreme neben das Frühstücksbrett gelegt hatte. Ich trank morgens Kaffee, aber sonst bekam ich nichts herunter. Und dennoch stand jeden Tag alles bereit, für den Fall, dass mich plötzlicher Heißhunger überfallen würde oder noch ein paar Freunde zum Frühstück kämen.
»Das hilft besser bei kleinen Verletzungen als meine teure Antifaltencreme«, meinte sie.
éWoher konnte sie das wissen?', ging mir durch den Kopf. Dunkel erinnerte ich mich, dass ich ihr auf dem Flur begegnet war, als ich ins Bad ging. éAch ja! Kein Schlafzeug.'
Der Unterricht lief zwar in meiner Anwesenheit, aber ohne jegliche Beteiligung meinerseits ab. Dann konnte ich endlich in die Bibliothek. Es war keiner da, also machte ich meine Hausaufgaben und fing dann an, weiter Bücher zu bearbeiten. Einige Zeit später kam Dr. Winter herein.
»Guten Tag, Oliver! Könnten Sie bitte mal mit anfassen? Ich möchte mit Hausmeister Willich ein paar Sachen aus dem Keller holen.«
In diesem Moment war auch Angelika zusammen mit Ingeborg hereingekommen und fragte: »Sollen wir auch mitkommen?«
»Wenn Sie wollen, meine Damen. Wir können jede helfende Hand brauchen.«
Wir gingen alle gemeinsam in den Keller. Hausmeister Willich hatte schon einige Bücherkisten im Gang aufgestapelt. Eine Sackkarre stand daneben. Er wandte sich an Dr. Winter und meinte: »Die Bücherkisten bringe ich mit der Karre und dem Aufzug nach oben. Aber das Ding ist dafür viel zu groß! Da werden wir schleppen müssen.« Man merkte dem Mann deutlich an, dass ihm das ganze überhaupt nicht in den Kram passte. »Was wollen Sie überhaupt damit in der Bibliothek, Herr Oberstudienrat?«
»Das ist für ein Projekt der Fachkonferenz Deutsch«, erklärte Dr. Winter. »Wir wollen eine Aktion starten unter dem Motto éSpaß in der Schulbücherei'. Und dafür brauchen wir eine kuschelige Leseecke.« Er ging zusammen mit dem Hausmeister den Gang entlang um eine Ecke und wir folgten den beiden. In Schulkellern sammelt sich das unmöglichste Zeug. In diesem Fall war es eine riesige, mit rotem Leder bezogene Chaiseloungue, also ein altmodisches Liegesofa, und zwei dazu passende Clubsessel.
Die Möbel waren vor ein paar Jahren von der Theater AG für irgendein Salonstück verwendet worden, erinnerte ich mich. Hastig verstaute Hausmeister Willich ein paar Decken und Kissen in einem Regal. Dann verteilten wir uns um das antike Sofa. Es war bleischwer und - obwohl wir zu fünft waren - eine Heidenarbeit, das Teil über die Treppen in die Bibliothek zu verfrachten.
Im Vorraum der Bibliothek wurden die bisher großzügig verteilten Arbeitstische gnadenlos auf Minimalabstand gebracht, um Platz für die Leseecke zu schaffen. Der Hausmeister zog wieder ab, um die anderen Sachen aus dem Keller zu holen.
»So, das hätten wir!«, seufzte Dr. Winter und wandte sich dann an uns. »Ich wäre Ihnen äußerst verbunden, wenn Sie sich in nächsten Tagen ein paar Gedanken zum Konzept der Aktion »Spaß in der Schulbibliothek« machen könnten. Außer dem Titel ist mir noch nichts eingefallen, aber es wäre doch jammerschade gewesen, dieses wunderschöne Stück weiterhin nur der sporadischen Nutzung einzelner zu überlassen und zudem spart dieser Kellerfund dem Fachbereich eine Menge Geld.«
Er wandte sich zum Gehen. »Eines noch. Aus gegebenem Anlass bitte ich Sie alle, Ihre Aktivitäten darauf abzustimmen, dass die Schultüre spätestens um 21:30 Uhr abgeschlossen wird und weiterhin, darauf zu achten, dass die Tür zur Bibliothek außerhalb der Ausleihzeiten stets verschlossen ist.« Er grüßte höflich zum Abschied und verließ dann die Bibliothek.
Angelika und ich ließen uns auf das Sofa plumpsen und begannen schallend zu Lachen. Ingeborg schaute uns etwas ratlos an. Der Hausmeister kam, brachte einen Sessel, schaute uns giftig an und verschwand wieder.
Angelika sagte zu Ingeborg: »Ich hab dir doch erzählt, dass Oliver und ich uns letzten Freitag hier in Bibliothek näher gekommen sind.«
»Ja.«
»Na, ganz offensichtlich waren wir dabei nicht so allein, wie wir gedacht hatten.«
»Du meinst, der Winter hat gespannt?«
»Also mir fällt jedenfalls kein anderer Grund ein, warum er ein Sofa hier aufstellen lässt«
»Spaß in der Schulbibliothek«, fiel ich lachend ein. »Ich hau mich weg! Der hat eben gesagt: éHey, ihr müsst doch nicht auf dem Boden rummachen. Hier habt ihr das Sofa vom Willich, und passt auf, dass euch keiner erwischt. Und falls euch eine clevere Begründung dafür einfällt, warum hier ein Sofa stehen muss, lasst es mich bitte wissen.«
»Das hätte ich dem gar nicht zugetraut«, staunte Ingeborg.
»Wieso nicht?«, fragte Angelika »Er ist noch jung, trägt keinen Ring und fährt diesen abgefahrenen, roten, englischen Sportwagen. Ich denke, der hat es faustdick hinter den Ohren, oder anderswo ...«
Ingeborg hatte es sich inzwischen mit untergeschlagenen Beinen in einem Sessel bequem gemacht. Der Hausmeister brachte gerade den zweiten.
»Ach, Herr Willich?«, sprach ich ihn an. »Haben Sie vielleicht irgendwo Lederpflegemittel? Das Sofa müsste dringend mal sauber gemacht werden.« Der Angesprochene lief rot an und knurrte etwas Unfreundliches in meine Richtung.
»Oliver, das war jetzt nicht nett.«, meinte Angelika einen Moment später und gab mir einen langen Kuss. Nach einer Weile hörten wir Willich mit der Sackkarre den Flur entlang kommen. Angelika stand auf, zog energisch ihren grauen Pullover zurecht, kniete sich hin und gab vor, sich die Schnürsenkel binden zu müssen. Ihr Ausschnitt gewährte dem hereinkommenden Hausmeister einen tiefen Einblick und eine gute Aussicht auf die bemerkenswerten anatomischen Details.
Prompt semmelte Willich mit seiner Fracht gegen das nächste Regal, das bedrohlich zu schwanken begann. Fluchend brachte er die Lage unter Kontrolle und lud seine Last im Arbeitsraum ab.
»Den Rest bringe ich morgen früh, ich hab ja auch noch was anderes zu tun«, fauchte er uns auf dem Rückweg mit hochrotem Kopf an.
41. Das Thorsten-Komplott
»Wenn er sich jetzt auf dem Klo einen runterholt, platzt ihm noch der Schädel und du bist dann Schuld!«, meinte Ingeborg trocken zu Angelika, ging zur Tür und schloss ab. Die Mädchen kicherten, ich lachte. Jungs kichern nicht!
»Wir haben ja noch was zu besprechen, und nun ist endlich Ruhe«, sagte Angelika und schaute Ingeborg an. Die nahm den Faden auf:
»Ja. Angelika und ich haben uns gestern Abend eine Weile unterhalten«.
Ich grinste sie an.
»Nein, Oliver, unterhalten im Sinne von geredet. Unterhalten haben wir uns allerdings auch.« Kichern. Ingeborg stand auf.
»Nachdem ich aus gegebenem Anlass ...«, nahm sie Dr. Winters Tonfall an und fasste sich provozierend an den Schritt.
»... Grund dazu hatte, mein Weltbild bezüglich Männern im Allgemeinen und lieben Freunden im Besonderen ...« Sie kam auf mich zu und gab mir einen Kuss.
»... an die veränderte Sachlage anzupassen, möchte ich die Möglichkeit, mir diesen Thorsten mal etwas näher anzuschauen, nicht gänzlich von der Hand weisen.«
Angelika giggelte und sagte dann: »Ich übersetz‘ das mal: sie meint éVersuch macht kluch'« éOh je', dachte ich. éLetztes Mal haben diese Worte ein mittleres Erdbeben ausgelöst.'
Angelika und ich rückten noch etwas näher zusammen und machten Platz für Ingeborg. Danach lagen wir drei entspannt nebeneinander auf dem Sofa, mit dem Rücken an die hohe, bequeme Seitenlehne gelehnt, und schmusten ein bisschen herum.
»Also, Oliver, du kennst Thorsten am besten«, begann Angelika. »Was schlägst du vor?«
Nachdenklich streichelte ich mit einer Hand Ingeborgs kleine Brüste und spielte durch den Stoff des T-Shirts mit den Nippeln, mit der anderen bearbeitete ich Angelikas Monstermöpse. »Hmm«, dachte ich laut. »Thorsten ist ein ganz Lieber. Und genau so schüchtern wie ich.« Die Mädchen kicherten.
»Wenn Ingeborg ihn einfach ansprechen würde, würde es Wochen dauern, bis sich irgendwas entwickelt.«
»Ja, genau wie bei dir«, tönte die Ingeborg-Fraktion. Anzügliches Kichern kam von allen Seiten, ich wurde rot.
»Ich glaube nicht, dass das letzte Wochenende wiederholbar ist. Also müssen wir ihn in eine Situation bringen, in der er sich sicher fühlt und aus sich heraus gehen kann. Das geht sicher am besten bei Angelika.«
»Also eine Fete bei mir«, kam es von der großbusigen Seite.
»Nein, keine Fete. Mit Feten hat er sehr schlechte Erfahrungen gemacht, da geht er nicht mehr hin und ich kann das auch gut verstehen. Wenn man das Arschloch für zwanzig besoffene Schulkameraden abgeben muss, ist das nicht gerade ein Kindergeburtstag.«
»Genau das machen wir!«, Ingeborg.
»Genau was machen wir?«, Angelika.
»Eine Kindergeburtstagsparty, und zwar meine! Ich hab seit meinem zehnten Geburtstag keine mehr gehabt.« Ingeborg wand sich aus meiner Umarmung, küsste mich und stand auf. Sie war Feuer und Flamme, das Gesicht vor Aufregung gerötet. »Das wird der Knaller! Ich bin ja so aufgeregt! Komm, Angelika, es gibt eine Menge zu planen.«
Ich hatte gespürt, wie Angelika bei Ingeborgs Worten in meinem Arm erstarrt war. Nun betrachtete sie die begeistert herumhüpfende Ingeborg nachdenklich, lächelte dann und entspannte sich wieder. Angelika gab mir einen langen Kuss und sagte nachdenklich:
»Irgendwann finde ich heraus, wie du das anstellst.« Dann lag ich auf einmal allein auf dem roten Liegesofa. Die beiden zogen sich unter beständigen Schnattern die Parkas an, warfen mir noch ein paar Kusshändchen zu und verließen die Bücherei. Es wurde still. Ich setzte mich auf, lehnte mich zur Seite und saß da wie Loriot auf seinem grünen Sofa.
éHerr Dr. Klöbner!'
éHerr Müller-Lüdenscheid?'
éIch leite eines der größten Unternehmen der Schwerindustrie und bin Ihnen in meiner Wanne keine Rechenschaft schuldig!‘
Ich grinste vor mich hin. éSpaß in der Schulbücherei? Klare Sache. Ein paar Stühle aufstellen für das Publikum, der Rest sitzt oder steht in den Gängen zwischen den Bücherregalen und jemand, der es drauf hat, sitzt wie Loriot auf der Chaiseloungue und liest vor. Sketche oder andere lustige Texte. Dr. Winter sitzt distinguiert im Sessel daneben, gerne bereit, im Anschluss an die Lesung zu erklären, warum es lustig war oder über die Funktion des Humors in der Literatur zu sprechen. Das gäbe auf jeden Fall ein Bild und einen kurzen Bericht in der Lokalpresse, alle wären zufrieden und niemand käme auf die Idee, ein Sofa gehöre nicht in die Bibliothek.‘
Ich notierte mir die Ideen auf einem Zettel, packte meine Sachen zusammen und ging ebenfalls. Den Zettel legte ich Dr. Winter in sein Postfach. Auf dem Heimweg dachte ich darüber nach, was die beiden Freundinnen wohl aushecken würden.
42. Arschkalt - 15 Punkte
Am nächsten Tag ging ich in der großen Pause in die Cafeteria, weil ich wusste, dass Thorsten Dienst hatte. Und da sah ich ihn auch schon hinter der Theke stehen; einen Kopf kleiner als ich, schlank, lange dunkelbraune Haare, feine, fast mädchenhafte Gesichtszüge und eine Hornbrille.
»Oliver!«, strahlte er mich an. Thorstens Eltern hatten ein Haus in der gleichen Siedlung gebaut, in der auch ich wohnte und wir kamen wirklich gut miteinander zurecht. Wir gingen seit dem fünften Schuljahr in die selbe Klasse und waren sehr enge Freunde geworden. Erst seit relativ kurzer Zeit hatten wir uns etwas auseinander gelebt.
»Hi, Thorsten! Weißt du schon? Ich gehe jetzt mit einem Mädchen.«
»Aus der Clique?«
»Nein, mit Angelika. Die, die auch in der Bibliothek mitmacht.«
»Echt? Ich hab mal gehört, die wäre andersherum und mit Ingeborg zusammen.«
Ich grinste ihn an.
Er wurde puterrot.
»Du kannst sie ja gleich fragen, da kommen sie.«
Die beiden kamen durch die Tischreihen auf uns zu. Angelika nahm mich in den Arm und küsste mich. Ingeborg holte zwei Briefumschläge aus der Tasche, gab einen an Thorsten und drückte mir den anderen in Hand. Dann kicherten die beiden Mädels und gingen wieder auf den Pausenhof.
Der Umschlag war quietschbunt mit einem lachenden Clown auf der Vorderseite. Ich öffnete ihn und nahm eine Faltkarte heraus. In einer kindlichen, gemalten Schrift stand da geschrieben:
Hallo Oliver,
zu meiner Geburtstagsfeier
am nächsten Samstag
um 2 Uhr nachmittags
in der Markgrafenallee 24
lade ich Dich herzlich
ein. Für Speis und Trank
ist reichlich gesorgt.
Deine Ingeborg
PS. Bitte sag Bescheid, ob
Du kommen kannst.
éAbgefahren!', dachte ich und sah zu Thorsten hin. Der stand mit der Einladung in der Hand hinter der Theke und machte ein erstauntes Gesicht.
»Was ist das denn?«
»Eine Einladung?«
»Klar. Aber die ist doch zwanzig!«
»Ja und?«
»Das ist ja abgefahren!«
»Stimmt.«
»Gehst du dahin?«
»Aber hallo! Das ist Angelikas Adresse.«
»Also, du machst da mit?«
»Aber ganz sicher, das ist doch der Hammer! Kindergeburtstag!«
Thorsten sah mich zweifelnd an.
»Stell es dir wie ein improvisiertes Theaterstück vor. Ein Rollenspiel, wie im Psychologiekurs, nur lustiger. Und Ingeborg ist doch eine Nette, oder?«
Man konnte förmlich sehen, wie Thorsten mit der Idee rang. Er war ein stiller und sehr ernsthafter Typ, der - ganz im Gegensatz zu mir - lange nachdachte, bevor er etwas entschied.
»Was schenkt man denn einer Zwanzigjährigen zum Kindergeburtstag?«, fragte er mich schließlich.
»Das ist eine wirklich gute Frage«, gab ich zu. Thorsten dachte eben immer ein Stück weiter. »Lass uns einfach nach der Schule in die Stadt gehen. Da fällt uns schon was ein.«
Also bummelten wir nach Schulschluss durch die Innenstadt und machten uns auf die Suche. Ich entschied mich schließlich für eine runde Dose mit dicken, bunten Zuckerstangen und Thorsten kaufte einen niedlichen kleinen braunen Teddybär. Mit Thorsten zusammen zu sein, war immer noch genauso prima wie früher. Wir setzten uns ans Fenster eines Cafés, tranken heiße Schokolade, gönnten uns ein Stück Sahnetorte und vergaben Punkte für die vorübereilenden Damen.
»3« - »4«
»7« - »4«
»2« - »4«
»15« - »22«
Wir lachten. éJungs kichern nicht!‘ Die 15 Punkte Dame trug mitten im Winter einen unglaublich kurzen Minirock und lange, weiße Lederstiefel.
»Mir wäre das viel zu kalt«
»Jupp, Arschkalt!«
Es war ein richtig schöner Nachmittag. Wir fuhren zu mir nach Hause, fragten Mom nach Geschenkpapier und packten unsere Geschenke ein.
»Soll ich Angelika Bescheid sagen, dass du kommst?«
»Nein, das sage ich lieber Ingeborg persönlich. Morgen in der Schule.«
Nachdem ich Thorsten zur Haustür gebracht hatte, ging ich zu meiner Mutter ins Wohnzimmer.
»Mom? Ich geh noch zu Angelika, sie wohnt drüben im Villenviertel.«
»... und bleibst eventuell über Nacht.«
»Ja - könnte schon sein.«
»Dann dusch dich vorher, wasch dir die Haare und zieh frische Sachen an. Liegt alles im Badezimmer bereit.«
Mütter!
43. Trinity
Ich ging durch das windschiefe Tor und klingelte an der Haustür. Kurze Zeit später ging das Licht im Flur an und eine Gestalt linste durch die Scheibe.
Angelika öffnete mit nichts als der Parka bekleidet die Haustür und ließ mich herein. Sie strahlte mich an und machte dann eine strenge Miene.
»Junger Mann, meinen Sie nicht, dass es etwas zu spät ist für einen Besuch?«
»Wo bin ich denn hier?«
»Im Schwesternwohnheim des Dreifaltigkeits-Hospitals.«
»Dann bin ich richtig. Ich wollte Schwester Angelika besuchen.«
»Um diese Zeit ist Andacht.«
»Oh, das wusste ich nicht. Können Sie nicht bitte eine Ausnahme machen? Ich bin doch extra den langen, weiten Weg gekommen.«
»Na gut, junger Mann. Dann komm‘se mal rein.«
Angelika warf die Parka ab und verschwand in Richtung Salon. Ich schaltete das Licht im Flur aus und folgte ihr. Es war dunkel, aber ich kannte ja den Weg. Ein heimtückischer Küchenstuhl hatte sich angeschlichen und verstellte mir den Weg.
»Autsch!«
»Psst!«
»Ja. Okay!«
»Pssst!«
Im Salon brannte ein einsames Teelicht. Ich zog mich aus und ging vorsichtig Richtung Liegewiese. Leider nicht vorsichtig genug.
»Aua!«
»Pssssst.«
Dann war ich endlich am Ziel. Ich legte mich zu Angelika und wir begannen, uns zu streicheln und zu liebkosen. Angelika kam ganz dicht an mein Ohr und flüsterte:
»Du kannst hier bleiben. Aber niemand darf uns hören, sonst ist alles vorbei!«
Ich nickte heftig zum Zeichen, dass ich verstanden hatte.
Es war wunderschön und durch die erzwungene Stille besonders intensiv. Ich merkte bald, dass ich nur dann ruhig bleiben konnte, wenn ich meinen Mund beschäftigte. Also küssten wir uns lang und innig, ich verwöhnte ihre Brüste und Nippel, bedeckte ihren ganzen Körper mit Küssen. Ein kurzes Aufkeuchen war akzeptabel, aber sobald es hörbar zu werden drohte, suchte ich schnell eine neue, weniger verfängliche Stelle. Angelika hielt es bei mir ganz genauso.
Wir endeten auf der Seite liegend, jeder den Kopf auf den Schenkel des anderen gebettet, den anderen zärtlich mit dem Mund verwöhnend, immer bis zur Hörbarkeitsschwelle. Die Intensität steigerte sich langsam, aber sicher in Richtung Unerträglichkeit. Angelika fing an zu beben und ich fühlte, wie sie mich tief in Mund nahm, wie einen Knebel. Ich presste meinen Mund so fest ich konnte an sie, drang tief mit meiner Zunge in sie ein und tat mein Bestes, selbst auch keinen Ton von mir zu geben. Die Fluten brandeten an mich heran und gleichzeitig aus mir heraus. Wir verharrten in dieser Position, so lange es ging und lösten uns dann vorsichtig voneinander.
Es hatte funktioniert, kein Ton war zu hören gewesen. Zu der Zufriedenheit des Höhepunkts gestellte sich Stolz. Das hatten wir gut hinbekommen! Langsam und zärtlich leckte ich Angelikas Säfte auf und spürte, wie sie das gleiche mit den meinen tat. Moms Heilsalbe hatte wahre Wunder gewirkt, bemerkte ich grade.
44. Apocalyse Now!
Nach einiger Zeit hatte Angelika den kleinen Oliver schon wieder einsatzbereit gemacht. Ich ließ mich auf den Rücken rollen und gab ihr durch nachdrückliches Ziehen zu verstehen, was ich wollte.
Ich fühlte wie sie sich aufrichtete und sich auf mich legte. Wieder küssten wir uns und ich begann den mächtigen Leib über mir zu streicheln. Sie kam hoch und ich konnte einen Nippel mit dem Mund erwischen. Sagenhaft! Im schwachen Schein des Teelichts konnte ich gerade noch die riesigen Brüste über mir erkennen. Weiter oben ahnte ich mehr, als ich es tatsächlich sah, wie Angelika ihre Lippen mit aller Entschlossenheit zusammenpresste. Eine Hand richtete den großen kleinen Oliver auf und dann senkte sich Angelika ganz langsam und vorsichtig auf ihn herab.
Es war unfair, dass sie die ganze Last allein tragen sollte. Mit ein wenig Bedauern ließ ich sanft den Nippel los und wurde mit dem herrlichen Anblick ihrer frei schwingenden Glocken belohnt. Angelikas Gesicht war in Konzentration erstarrt. Sie machte langsame und vorsichtige Bewegungen. Kein wildes Rammeln, kein Husarenritt. Ich umfasste die großen, weichen Hinterbacken, wiegte sie in dem langsamen Rhythmus mit und streichelte die warme weiche Haut. Meine Finger verirrten sich an die Rosette und von plötzlichem Forscherdrang gepackt, begann ich, sie näher zu erkunden.
Ein scharfes Einatmen belehrte mich darüber, dass der Zeitpunkt jetzt gerade unglücklich gewählt war. Ich nickte wieder, um ihr zu zeigen dass ich verstanden hatte und ließ meine Hände wieder ruhig liegen. Warmes, weiches Wogen, zärtliches Kreisen und ich hatte nichts anderes zu tun, als es zu genießen und den Mund zu halten. Schon lange glaubte ich, die unerträgliche Anspannung ließe sich nicht mehr weiter steigern, als Angelika ein paar Mal fast gewaltsam zustieß.
Angelikas Lippen kamen herab und fanden die meinen. Heftig pressten wir unsere Münder aneinander versuchten, dem anderen in seiner Not beizustehen. Denn nun kam der Moment der Erlösung. Unsere Körper bäumten sich auf und wir umklammerten uns fest mit den Armen, um nicht ausgerechnet in DIESEM unglaublichsten aller Augenblicke getrennt zu werden.
Vielleicht hätte ich doch einen Kurs in kreativem Schreiben belegen sollen, um die passenden Vokabeln für die Beschreibung des Unbeschreiblichen zur Hand zu haben. So bleiben nur lahme Vergleiche mit Feuerrädern und Atombombenexplosionen übrig. Die Reiter der Apokalypse beim Synchronreiten. Dann Armageddon, Ende der Vorstellung, der schwarze Vorhang fiel und es begann zu regnen.
Ich öffnete die Augen, konnte aber nicht viel erkennen, weil die Tränen in meinen Augen die Sicht verschleierten. Angelikas Tränen fielen auf meine Wangen, mischten sich mit meinen. Sie hatte wohl einen ganz ähnlichen Film gesehen. Ganz sachte und behutsam befreiten wir uns aus unserem Clinch. Ich konnte wieder etwas freier atmen und musste sofort und mit aller Kraft ein Lachen bekämpfen, das, wenn es erst mal ausgebrochen wäre, mir wahrscheinlich einen längeren Aufenthalt in einer Nervenheilanstalt beschert hätte.
Dazu kam noch ein unbändiger Drang, loszuquasseln, mich mitzuteilen, ihr von meinen wunderbaren Erlebnissen zu erzählen. Wieder musste ich meinen Mund anders beschäftigen und ich begann Angelikas Tränen fortzuküssen. Sie suchte meine Lippen mit den ihren und wir legten alle noch vorhandenen Emotionen in einen einzigen, endlosen Kuss.
Schließlich rutschte Angelika ein wenig zur Seite und zog eine Decke über unsere erhitzten und verschwitzten Körper. Dann kuschelte sie sich an mich und wir schliefen ein.
***
Der Postzug raste mit 150 Stundenkilometern durch die dunkle, kalte Nacht. Ein müder Postbeamter summte einen Schlager vor sich hin. Er griff in einen Postsack, holte ein Bündel Briefe heraus und verteilte sie nach Postleitzahlen in ein hölzernes Gestell vor sich. Wenn er gewusst hätte, was der dicke Brief mit Angelikas Adresse enthielt, wäre ihm das Liedchen sicher im Halse stecken geblieben.
Teil 5 von 5 Teilen. | ||
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