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Unter Kolleginnen (fm:Lesbisch, 5160 Wörter)

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Veröffentlicht: Jan 29 2022 Gesehen / Gelesen: 16294 / 11675 [72%] Bewertung Geschichte: 9.10 (78 Stimmen)
Zwei Kolleginnen und die Folgen einer Weihnachtsfeier

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Noch ein Guss. Na klar. Was sonst. Spielte keine Rolle mehr. Ich war durch bis auf die Knochen, die Turnschuh ebenfalls durchnässt und quietschend, nachdem mich die besoffene Sau in eine fette Pfütze gezogen hatte.

"Komm, wir laufen zur Bushaltestelle."

Wozu? Mir lag ein Spruch auf der Zunge. Nein, jetzt nicht Kontra geben. Ulrike zog mich am Arm und wir liefen tatsächlich bis zum überdachten Häuschen der Bushaltestelle. Ulrike. Die Frau, die mir meinen neuen Job in den ersten sechs Monaten zur Hölle gemacht hatte. Irgendwo Mitte Dreißig, aber sie wirkte viel älter, vom Leben gezeichnet, geschlagen. Längst kapituliert, ein stummes Standbild von Bitterkeit und Hoffnungslosigkeit.

Der ich wiederum vom ersten Tag an mit meiner Frische und Positivität ein Dorn im Auge war. So dachte ich zumindest. Stachel im Fleisch hätte es besser getroffen. Prompt hatte es erst gegärt und dann geknallt. Hatte ich ihr maskenhaftes Gesicht verachten und fürchten gelernt. Nicht für das, was sie mir servierte, sondern das, was sie in mir auslöste.

Der Regen hatte ihr viel von dem übertriebenen Make-up aus dem Gesicht gewaschen. Jetzt sah sie fast menschlich aus, immer noch blass und sie stank weiterhin nach Erbrochenem. Wir kamen von der Weihnachtsfeier unserer Firma. Wo wir uns ansatzweise über unsere professionellen Probleme "ausgesprochen" hatten. Dann zusammen gesoffen.

Ich zog auf dem Klo die letzten beiden Lines, die ich von meinem Geburtstags-Coke überbehalten hatte. Und durfte ihr im Anschluss dort dann das Haar aus der Schüssel halten. Als Zeichen meiner Vergebung und unseres neuen, großartigen Verhältnisses. Ich versprach, sie nach Hause zu bringen. Das bereute ich schon vor dem ersten fetten Regen.

Jetzt wollte sie reden. Persönlich werden. Ihr Herz weiter ausschütten. Nun wurde mir langsam schlecht.

"Verstehst du, es war... na, du bist so jung und kommst gerade von der Uni... und alle lieben dich und fahren auf dich ab... Dass du ständig flirtest, musst du doch wohl zugeben... was verziehst du so das Gesicht?"

"Alte, du merkst doch überhaupt keine Einschläge mehr. Das ist alles deine Einbildung. Ich flirte mit niemandem rum. Es sind doch fast nur Kerle da."

"Ja, eben..."

"Bevor du weiter Schwachsinn redest: ich bin lesbisch, du dummes Stück. Ich flirte nicht mal versehentlich mit Männern. Das passiert alles nur in deinem Kopf. Das habe ich dir vorhin schon gesagt."

"Aber..."

"Nichts aber. Kein Flirten. Ich bin, wie ich bin, ich habe ein Scheiß-Leben hinter mir, aber ich lasse mich nicht unterkriegen. Ich genieße jede gottverdammte Sekunde... das heißt, ich tat es, bevor ich dich getroffen habe."

"Scheiß-Leben? Was weißt du denn vom Leben? Komm, hör auf. Du bist... wie alt, vierundzwanzig? Siehst du, fast noch ein Kind... und überhaupt, du redest doch die ganze Zeit von diesem Michael, wer soll das denn sein, wenn du nicht..."

"Michael, mein dreijähriger Sohn, wird bald vier. Den habe ich alleine neben dem Studium und Jobben großgezogen, nur meine Mutter hat manchmal auf ihn aufgepasst."

"Aber, wenn du lesbisch bist, wie..."

Ich seufzte und schüttelte den Kopf, um die angebotene Zigarette abzulehnen. Seit der Schwangerschaft hatte ich nicht mehr geraucht. Obwohl ich in Momenten wie diesem doch manchmal das Gefühl hatte, eine gebrauchen zu können.

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